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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

niederließen. Sie fertigten Leinwand und Tücher, Filzwaren, alles Hausgeräthe. So war die Kolonie ganz selbständig.

Der Einsiedler und seine Freunde.
Nach einem Gemälde von A. Hengeler.

Die Berichte der Reisenden, welche um die Jahre 1776 bis 1778 in diese Gegend kamen, lauten geradezu märchenhaft. Manches darin ist schwer zu glauben, und es ist um so angezeigter, eine weise Kritik zu üben, als diese Schilderungen nicht die Ansiedler zu ehren bezweckten, sondern den Gouverneur, den Grafen Olavides, verherrlichten, welcher wie ein großer Fürst inmitten der Kolonie Hof hielt und Gastfreundschaft übte. Da mag wohl auch, nach kürzerem oder längerem Aufenthalt in dessen Residenz und an der reichbesetzten Tafel, mancher ganz unfreiwillig doppelt gesehen haben. Sichtlich übertrieben hat jedenfalls der edle Hidalgo Don Vincenzo Imperiali, dessen Brief an den Herzog von Belforte in Neapel auch in deutschen Blättern abgedruckt und besprochen wurde – und nach ihm Folkmann, der eine „Reise in Spanien“ herausgab, ohne sein Studierzimmer in Leipzig verlassen zu haben. Was uns indessen kühlere Köpfe wie der Engländer Townsend oder der irländische Major Dalrympel erzählen und bestätigen, klingt noch überraschend genug. Der nene, aus dem Nichts erstandene Staat erscheint nach kaum zehnjähriger Existenz in einer Blüthe, welche ein unverdächtiges und glänzendes Beispiel deutschen Fleißes und deutscher Ausdauer ist und bleibt.

Dieses „Neu-Deutschland“, wie es die Eingewanderten unter sich nannten, erstreckte sich auf annähernd 25 Meilen. Im ursprünglichen, nach den Ideen des französischen Nationalökonomen Raynal angelegten Plane waren eigentliche Dörfer nicht vorgesehen, jeder Ansiedler sollte inmitten seiner Felder wohnen. Die Entfernung von einem Hause zum andern hätte danach etwa einen Flintenschuß betragen, so daß die Nachbarn sich hätten anrufen und nöthigenfalls beistehen können. Doch wie alle im Kabinett ausgeheckten Systeme, so ging auch dieses bei der Ausführung in die Brüche. Wie von selbst fanden sich die Kolonisten in größern und kleinern Flecken zusammen – was übrigens der Bebauung des Landes keinen Eintrag that – und wir finden die Ortsnamen Santa Elena, Schosastika, Guarroman, Aldea Quemada, Avellano, Carboneros, Conception, meist mit etwa 200 Feuerstellen. Jede Ortschaft besaß eine Kirche, ein Gemeindehaus, einen Gasthof und einen Markt. Breite, gut unterhaltene Straßen erleichterten den Verkehr durch die ganze Kolonie. „Zu beiden Seiten sieht man eine unabsehbare Reihe einander ähnlicher Häuser in symmetrischer Ordnung. Jedes derselben enthält ein paar Zimmer, eine Küche nebst Backofen, einen Hof mit einem Viehschuppen und einen Garten.“

„Ich betrat einige dieser Wohnungen,“ schreibt Townsend, „und bewunderte die Reinlichkeit und die Thätigkeit der Kolonisten. Sie trugen noch alle deutsche Tracht, so daß man sich eher in Deutschland als in Spanien wähnte; auch bedienten sie sich ausschließllch ihrer Muttersprache. Mit Vergnügen genoß ich ausgezeichnete Milch und Käse. Bei unserm Mittagsmahl setzte man uns unter anderm – am 20. Februar! – frischen Blumenkohl und grüne Erbsen vor.“

„Ich glaubte, in den schönen Zeiten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_697.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2023)