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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

war ein Gang an den Teich und Bach der Ausstellung; denn hier schwammen auf dem klaren Spiegel oder umsäumten das Ufer allerlei seltene Wasser- und Sumpfpflanzen, hier wiegte sich, alle überragend, der schlanke goldene Bambus Ostasiens. Auf künstlichen Felsen fand man Anlagen von Alpenpflanzen, und unter ihnen sahen wir neben dem schönen Edelweiß auch eine Blüthe der Carlina acaulis, der Wetterdistel, die als Wetterprophetin unter unseren heimischen Pflanzen gilt – diesmal aber nur selten ihre weißen Zungenblüthen entfaltete, denn nur zu oft zogen über dem Himmel dieses Lustgartens düstere Regenwolken dahin. Einen Gegensatz zu dieser einfachen deutschen Distel bildeten die stachligen fremdländischen Kakteen, die einen stangenhoch, mit weißen Haaren bedeckt, die anderen dicht auf dem Boden wie friedliche Igelfamilien zusammengerollt.

Im Mittelpunkt dieses Panoramas erhob sich der Königspavillon, ein Schmuck, den der „Verein für Kunsthandwerk Albrecht Dürer zu Leipzig“ beigetragen hatte – ein mit prachtvollen Möbeln, Gobelins, Glasgemälden, Standuhren und anderen Erzeugnissen des blühenden Leipziger Kunstgewerbes ausgestatteter Raum.

Der Ausblick von dem Kaskadenpavillon wurde durch Baumgruppen eingeschränkt, hinter ihnen leuchtete aber die mächtige Kuppel der Haupthalle der Ausstellung. Die Front dieser Halle bildete einen besonderen Theil der Ausstellung, der mit prachtvollen Rasen- und Blumenteppichanlagen Otto Moßdorfs, des Vorsitzenden des Leipziger Gärtner-Vereins, geschmückt war. Betrat man das Innere der Ausstellungshallen, so entzückten neue reizvolle Arrangements das Auge. Unser Zeichner hat versucht das Innere des Palmenhauses von J. C. Hanisch wiederzugeben. Die Blumenfreunde unter unseren Lesern mögen sich hier die Farbenpracht hinzudenken, welche eine äußerst künstlerische Gruppierung herrlicher Blumen und der nicht minder in allen Regenbogenlichtern glühenden Blattpflanzen hervorzurufen vermag! In der Ausstellungshalle von Moritz Jacob, die einen Säulengang darstellte, konnte man neben Photographien gelungener Gartenanlagen eine stimmungsvolle Grotte mit Moosen und Farnen betrachten und in einem von Albert Wagner errichteten, mit getrockneten Palmblättern gedeckten Kiosk eine Gruppe reizender Araucarien bewundern.

Das Schweriner Denkmal für den Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin.
Nach einer Photographie von Ad. Zinne in Schwerin i. M.

Eines sehr regen Zuspruchs erfreute sich namentlich von seiten der Frauenwelt die Abthellung für Binderei. Die Aussteller hatten verschiedene Aufgaben zu lösen: es waren Preise ausgesetzt für die schönsten Trauerkränze, Kreuze, Blumenkissen, Lorbeerkränze, Tafelaufsätze, Bilddekorationen etc. Auch für eine vollständige Ballgarnitur winkte eine große silberne Medaille; geschmackvolle Geburtstags- und Ballsträuße waren gleichfalls vorhanden, und wie viele schöne Augen blickten auf den vollständigen Brautschmuck, der zwanzigmal vertreten war. Ob da die Preise gerecht vertheilt werden konnten? Der Geschmack ist ja sehr verschieden, Was uns beim Anblick der Kinder der Flora besticht, das ist nicht nur ihre Seltenheit, sondern auch ihre Schönheit, und für Werthschätzung der letzteren giebt es kein feststehendes Gesetz. Die Huldigungen der Menge schwanken je nach der Mode, und was heute als Schönstes verhimmelt wird, kann morgen unbeachtet bleiben. Damit muß auch der Gärtner rechnen und vieles zu bringen suchen, um jedem etwas zu bringen. Das thut auch unser deutscher Gartenbau, und seine Leistungen auf der Leipziger Ausstellung waren so vielseitig, daß kein Besucher sie unbefriedigt verlassen hat. Und wer an Blumen und Blättern achtlos vorüberging, auf den mußte wenigstens die herrliche Landschaft bezaubernd wirken. Nach wenigen Tagen fiel diese Herrlichkeit zusammen, aber hoffen wir, daß sie wie ein Phönix wieder erstehen und bald für immer um den alten Kuhthurm blühen werde! C. F.     

Das Denkmal für den Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. (Mit Abbildung.) Im Schweriner Schloßgarten wurde am 24. August d. J. ein Reiterstandbild des 1883 verstorbenen Großherzogs Friedrich Franz II. enthüllt, jenes Fürsten, der sich durch die glückliche Führung deutscher Truppen im Feldzuge 1870/71, hauptsächlich in den schweren Kämpfen bei Orleans und Le Mans, einen Anspruch auf das dankbare Gedächtniß des ganzen deutschen Volkes gesichert hat. Das Denkmal, eine Schöpfung des Berliner Bildhauers Ludwig Brunow, zeigt den Großherzog als Heerführer, in ruhiger Haltung, als ob er mit sinnender Aufmerksamkeit den Bewegungen der ihm unterstellten Truppen folgte. Den Sockel aus rothem schwedischen Granit schmücken auf beiden Langseiten Reliefs, von denen das eine den Einzug des Fürsten in Schwerin an der Spitze seiner tapferen Krieger, das andere den Landesvater inmitten der Lehrer seiner Hochschule, seiner Beamten und der Studenten darstellt. Sinnbildliche Figuren, die Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Weisheit etc., lagern vor den Ecken des Sockels und verkörpern die Ziele, denen der verewigte Fürst während seiner einundvierzigjährigen Regierung nachstrebte. Nicht bloß das treue Volk der Mecklenburger, nein jeder Deutsche wird stets mit Verehrung zu dem Abbild des um sein Vaterland so hochverdienten Fürsten emporschauen.

Vereinsamt. (Zu dem Bilde S. 641.) Jugend und Schönheit im Trauergewand rühren jedes Herz. Deshalb folgte wohl schon mancher Blick der jungen Witwe, die ihren Schmerz nicht auf den Boulevards oder in dem Boulogner Wäldchen den Blicken der Tausende preisgiebt, sondern hier auf der Anhöhe hinter Paris, in stilles Sinnen verloren, hinschreitet. Sie scheint fremd in der großen Stadt und in bescheidenen Verhältnissen, das zeigt ihr unbegleitetes Gehen, ihr einfacher Anzug. Dieser hebt aber nur um so mehr die schlanke Gestalt, die stille Anmuth der Gesichtszüge. Zugleich liegt in der ganzen Haltung der jungen Frau eine so ruhige Abwehr, daß nicht leicht ein Dreister sich an sie heranwagen wird. Ganz ohne Beschützer ist sie ja auch nicht – der treue Ami würde gehörig die Zähne zeigen, wenn man sich gegen seine Herrin vergäße!

Wer aber sollte das hier in der einsamen Villenstraße? Das Pärchen links hat keinen Blick für die Tralurnde übrig, die resigniert an ihnen vorüberschreitet, die Arbeiter gehen ihren Geschäften nach, und niemand kümmert sich um die einsame Spaziergängerin. Ringsum rauschen leise die gelben Ahornblätter hernieder, es ist Herbst geworden, die traurige Jahreszeit, wo Schmerzen am schwersten zu tragen sind. Und doch – sollte nicht der jungen Witwe noch einmal ein künftiger Frühling blühen, so gut wie der Herbstlandschaft, durch welche sie schreitet? ...

Dieser Gedanke hat sicherlich den Künstler im stillen beschäftigt, als er das hübsche und stimmungsvolle Bild malte. Bn.     


Inhalt: „Um meinetwillen.“ Novelle von Marie Bernhard (5. Fortsetzung). S. 629. – Margherita. Bild. S. 629. – Die Internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu Leipzig Bild. S. 632 und 633. – Der Momentphotograph auf dem Manöverfelde. Aus den Papieren eines Nichtphotographen. S. 635. Mit Abbildungen S. 635, 636 und 637. – Das klassische Zeitalter der Geselligkeit. Von R. Artaria. S. 638. – Vereinsamt. Bild. S. 641. – Das schöne Limonadenmädchen. Erzählung von E. M. Vacano (Schluß). S. 643. Mit Abbildungen S. 644, 645 und 647. – Blätter und Blüthen: Das erste deutsche Mädchengymnasium. S. 647. – Die Internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu Leipzig. S. 647. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) – Das Denkmal für den Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. Mit Abbildung. S. 648. – Vereinsamt. S. 648. (Zu dem Bilde S. 641.)


Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 60 Pf. bei Bestellultgell, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_648.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)