Seite:Die Gartenlaube (1893) 628.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


----

Blätter und Blüthen.

Herzog Alfred von Sachsen-Koburg und Gotha. (Mit Bildniß.) Es ist eine eigenartige Wendung, daß ein englischer Prinz die Regierung eines deutschen Staatswesens übernimmt. Am 23. August hat Herzog Alfred von Edinburg, der zweite Sohn des Prinzgemahls Albert und der Königin Viktoria von England, der Bruder der Kaiserin Friedrich, die Herrschaft in den Herzogthümern Koburg und Gotha angetreten, auf welche er nach dem am Abend zuvor erfolgten Tode seines Oheims von väterlicher Seite, des Herzogs Ernst II., das nächste Anrecht hatte. Der neue Fürst ist am 6. August 1844 geboren. Seine Erziehung hatte von Anfang an das Ziel, ihm für den Dienst in der britischen Marine die beste Schulung zu geben, und schon mit vierzehn Jahren wurde er als Kadett in die Flotte eingereiht. Aber bereits das Jahr 1862 drohte ihn seinem Berufe wieder zu entführen – die Griechen wählten ihn zu ihrem König. Der Vater des jungen Prinzen lehnte jedoch diese Krone, die nicht ohne Dornen war, für den Minderjährigen ab. Als Kommandant des Kriegsschiffes „Galatea“ machte dann der zum Herzog von Edinburg ernannte Prinz große Seereisen, die sein Wissen und sein Urtheil in gleichem Maße erweiterten und den Grund legten zu seiner seemännischen Erfahrung, welche ihm später die Stellung eines Admirals der englischen Marine eintrug. Im Jahre 1874 vermählte er sich mit der Großfürstin Maria von Rußland, der einzigen Schwester Kaiser Alexanders III. Fünf Kinder sind dieser Ehe entsprossen, darunter ein jetzt neunzehnjähriger Sohn, der den Namen seines Vaters führt und als Offizier im deutschen Heere dient.

Ernst II. hat seinem Nachfolger ein reiches Erbe an Liebe hinterlassen. Möge der neue Herzog, dessen gerechter Sinn gerühmt wird, dieses Erbe durch seine eigene Regierung vermehren und für das Glück seines Landes und unseres ganzen Volkes in dem hohen Sinne wirken, der seinen Oheim stets beseelt hat!

Herzog Alfred von Sachsen-Koburg und Gotha.
Nach einer Photographie von Hofphotograph Prof. Uhlenhuth in Koburg.

Das Schillertheater. Dem Volk eine Schaubühne zu eröffnen, welche das Beste der ganzen dramatischen Litteratur bietet und doch zugleich auch dem Unbemittelten um einen geringen Preis offen steht – das ist ein Gedanke, dessen Nützlichkeit, ja Nothwendigkeit schon oft erörtert wurde, aber ohne daß man bisher zu einem dauernden Ergebniß gelangt wäre. Jetzt aber scheint er endlich seiner Verwirklichung nahezukommen. In Berlin ist ein Ausschuß von hundert der angesehensten Männer aus den Kreisen der Litteratur und Künste, der Gelehrten und Schulmänner, der Beamten und Gewerbetreibenden zusammengetreten, um ein solches Volkstheater im wahren Sinne des Wortes zu schaffen. Nach dem Plane dieser Männer wird in einem ansehnlichen Theaterhause von einem eigens hierzu angestellten Personal das Schönste gespielt werden, was die Litteratur aller Zeiten und Völker an Dramen zutage gefördert hat. Nicht für die Wohlhabenden sind diese Vorstellungen bestimmt, sondern für die Armen und Unbemittelten. Diesen haben bisher die hohen Preise der Spekulationstheater den Genuß und das Bildungsmittel verschlossen, die eine richtig geleitete Schaubühne ihnen bieten könnte. Das Schillertheater aber wird ihnen diese Schätze öffnen. Die besten Plätze sollen hier nicht mehr als eine Mark kosten, die letzten auf dem obersten Rang sinken herab zum Preise von fünfundzwanzig und wohl auch nur zehn Pfennigen. Die aufgestellten Berechnungen beweisen, daß dieser Plan wohl durchführbar ist, obwohl man das altberühmte Wallnertheater, das keine geringe Jahresmiethe erfordert, für den Zweck ausgesucht hat.

Erstaunt wird man fragen: wie ist ein solches Unternehmen möglich? Kommen doch selbst solche Theaterdirektoren vielfach auf keinen grünen Zweig, die für ihre Plätze so hohe Preise nehmen, daß nur der Wohlhabende sie erschwingen kann! Wie in allen Fällen eines entschiedenen Fortschritts ist es immer eine glückliche Idee, die das scheinbar Unmögliche möglich macht, und zwar ist es hier der Gedanke, die vielen Berliner Vereine, den großen Handwerkerverein voran, mit dem Unternehmen zu verbinden. Alle bestehenden Theater, selbst solche, die den größten Ausstattungsluxus treiben, könnten ihre Vorstellungen zu einem viel geringeren Preise geben, wenn allabendlich das Haus ausverkauft wäre. Um also Vorstellungen zu einem ganz billigen Preise zu bieten, muß eine Gewähr für stets ausverkaufte Häuser vorhanden sein. Nun, das Wallnertheater hat 1200 Plätze, die Berliner Vereine haben über 100000 Mitglieder. Lassen sich hiervon 7200 feste Abonnenten für das Schillertheater gewinnen – und die sind bereits so gut wie gewonnen – dann ist das Unternehmen zur Noth gesichert. Jedes weitere Tausend verbessert seine Daseinsbedingungen, und bei 15000 Mitgliedern kommt sogar schon ein solcher Ueberschuß heraus, daß man das Ensemble verbessern und vielleicht auch an eine Ergänzung durch musikalische Kräfte denken kann.

Schiller war es, der den Traum träumte, das Theater zur Hochschule der ästhetischen Erziehung des Volkes zu machen. Wie die meisten seiner Ideale, so blieb auch dieses im Reiche des Gedankens gebannt. Aber das Schillertheater ist ein Schritt, sich seinem Ideal anzunähern. Nach wem könnte es besser benannt werden als nach ihm? Er ist sein geistiger Vater, und seine Muse wird auch die hauptsächlichste Nährmutter der jungen Volksbühne sein, denn mit einem Kreis Schillerscher Stücke wird sie das erste Jahr ihres Bestehens vorwiegend ausfüllen. Möge der schöne Plan gelingen! O. N.     

Die Erforschung der Brandwunden. Es ist eine Thatsache, daß Hautverbrennungen beim Menschen fast immer tödlich verlaufen, wenn mehr als ein Drittel der gesamten Hautoberfläche verbrannt oder verbrüht wurde. Der Tod pflegt alsdann unter Abgespanntheit, Schlafsucht, Abnahme des Blutdrucks und Sinken der Temperatur bis zu 33° C. zu erfolgen. Diese Erscheinung ist bis jetzt eine der dunkelsten, die dem Arzte begegnet. Bald wurde als Ursache des schlimmen Ausganges die Unterdrückung der Hautthätigkeit, bald eine außerordentliche Abkühlung des Körpers durch die verletzte Hautfläche angenommen; in neuester Zeit aber neigt man immer mehr der Ansicht zu, daß der Kranke unter Erscheinungen sterbe, die auf eine Vergiftung schließen lassen. Diese Ansicht erhielt neuerdings eine wesentliche Stütze. Es wurden gleichzeitig Arbeiten von Aerzten aus Wien und Kijew veröffentlicht, nach denen es gelungen ist, in den Säften der Verbrannten Gifte nachzuweisen, die sich infolge der Verletzung im Körper gebildet haben, Dr. W. Reiß untersuchte in der Klinik des Professors Kaposi in Wien die Nierenausscheidungen der Verbrannten und fand, daß sie giftig waren und bei Thieren die Symptome, welche die Hautverbrennung begleiten, hervorriefen. Dr. Kijanitzin dagegen gelang es im Laboratorium des Professors Obolensky in Kijew, aus dem Blute und aus Organen verbrannter Thiere ein alkaloidartiges Gift darzustellen, das eine etwas gelbliche, scharf riechende Masse bildete und Kaninchen schon in einer Gabe von 0,5 g binnen 24 Stunden unter den oben geschilderten Symptomen der Hautverbrennung tötete.

Wenn wir bedenken, wie häufig in Fabriken etc. Hautverbrennungen vorkommen und wie wenig bis jetzt in schweren Fällen dem Kranken geholfen werden kann, so müssen wir die Tragweite dieser Entdeckung hoch anschlagen. Sicher wird sie uns später in die Lage versetzen, die Krankheit besser bekämpfen zu können. Nach den bisherigen Versuchen ist bereits im Atropin (Belladonna) ein Mittel gefunden worden, das in vielfacher Beziehung als Gegengift bei Hautverbrennungen sich wirksam erweist. *      

Das Nachreifen der Birnen. Jahrelang versorgte Frankreich die Nachbarländer mit ausgezeichneten Tafelbirnen, deren Aroma und Wohlgeschmack man nicht genug rühmen konnte. Die Vorzüge dieses Pariser Obstes wurden anfangs auf das milde französische Klima zurückgeführt, bis man erfuhr, daß die gleichen Erfolge durch ein zweckmäßiges Nachreifenlassen der Birnen auch in Deutschland erzielt werden können. Das Kunststück läßt sich sehr leicht ausführen.

Zuvörderst sind die Tafelbirnen schon dann zu pflücken, wenn die Spitzen ihrer Kerne sich schwarz zu färben beginnen, wovon man sich durch probeweises Pflücken und Anschneiden überzeugen kann. Die Fruchtsporen werden dabei nicht abgerissen, sondern mit einer Schere abgeschnitten. Das Nachreifen geschieht nun an einem kühlen, trockenen und geruchfreien Orte, derart, daß man auf einer Horde ein wollenes Tuch ausbreitet, die Birnen darauf legt und sie wieder mit einem wollenen Tuch zudeckt. So bleiben die Früchte drei bis vier Wochen liegen, worauf sie zum Verbrauch oder Versand reif geworden sind. Sie gewinnen durch dieses Verfahren so sehr an Schmelz und Aroma, daß die am Baume ausgereiften Birnen derselben Art sich gar nicht mit ihnen messen können. Nur die sehr spät reifenden Winterbirnen sind für eine solche Behandlung ungeeignet, sonst werden sämtliche Sorten durch das Lagern in Wolle in hohem veredelt. *      


KLEINER BRIEFKASTEN.

E. M. in Dresden. Wir verweisen Sie auf die früher in der „Gartenlaube“ erschienenen Artikel „Eine Wanderung durch die Adelsberger Höhle in Krain“ und „Entdecker in der Unterwelt“, welche einige der von Ihnen genannten Grotten behandeln.

J. B. in Oberstein. Nehmen Sie einen Atlas, lieber Freund, und stechen Sie darauf mit einem Zirkel die Entfernung Bremerhaven – Newyork ab. Dividieren Sie das Ergebniß mit der Personenzugsgeschwindigkeit von rund 40 km in der Stunde – dann brauchen Sie die „Gartenlaube“ nicht mehr für so einfache Dinge in Anspruch zu nehmen.


Inhalt: „Um meinetwillen!“ Novelle von Marie Bernhard (4. Fortsetzung). S. 613. – Tief gekränkt. Bild. S. 617. – Zum Gedächtniß eines deutschen Fürsten. S. 618. Mit Abbildungen S. 618, 619 und 620. – Das schöne Limonadenmädchen. Erzählung von E. M. Vacano. Mit Abbildung. S. 621. – Weltausstellungsbriefe aus Chicago. Von Rudolf Cronau. IV. S. 623. Mit Abbildungen S. 613, 623, 624, 625, 626 und 627. – Blätter und Blüthen: Herzog Alfred von Sachsen-Koburg und Gotha. Mit Bildniß. S. 628. – Das Schillertheater. S. 628. – Die Erforschung der Brandwunden. S. 628. – Das Nachreifen der Birnen. S. 628. – Kleiner Briefkasten. S. 628.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_628.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2023)