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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Sie ist die Bethätigung eines so ungeheueren Fleißes, daß unwiderstehlich der Wunsch in uns rege wird, diese einzig dastehende Sammlung möge dem deutschen Volk für alle Zeit als ein werthvoller Schatz erhalten bleiben.

Die Kruppschen Riesengeschütze.

Von den mannigfachen Anstalten, welche der Pflege des Kunstgewerbes gewidmet sind, hat die Kunstgewerbeschule zu Karlsruhe die Auszeichnung erfahren, als die alleinige Vertreterin unserer Kunstgewerbeschulen ausgewählt zu werden. Was diese Anstalt an Ergebnissen ihres Wirkens bietet, ist überraschend und berechtigt zu den schönsten Erwartungen auch für die Zukunft. Nicht minder stehen die von Bayern gelieferten kunstgewerblichen Arbeiten, kostbare Elfenbeinschnitzereien, Metallarbeiten, Kunstmöbel, prachtvolle Teppiche und Gobelins, ganz auf der Höhe der Zeit und bestechen um so mehr, als sie in Räumen untergebracht sind, die den Gemächern des prachtliebenden Königs Ludwig II. nachgebildet wurden. Die sächsische Regierung sandte eine höchst interessante Sammlung aus der Porzellanfabrik Meißen, eine-Fülle von schönen Vasen, Kandelabern, Kronleuchtern, Spiegeln, Tischen und jenen Rokokoscenen, die Meißen auszeichnen und einen wirkungsvollen Gegensatz zu den Kolossalwerken bilden, welche von der Berliner Porzellanmanufaktur hierher geschickt wurden.

Bedeutend ist auch die von Sachsen veranstaltete Ausstellung seiner Textilindustrie, deren Erzeugnisse sich in den Vereinigten Staaten einen guten Absatz erobert haben.

Wie diese Veranstaltungen der Reichsregierung oder der einzelnen Bundesstaaten allenthalben den Eifer erkennen lassen, Mustergültiges zu bieten, so haben auch die privaten Aussteller des Industriepalastes die Gelegenheit, zu Deutschlands Ruhm und Ehre beitragen zu können, nicht unbenutzt gelassen und zum großen Theil bedeutende Summen dafür geopfert. Leider müssen wir es den Fach- und Tagesblättern überlassen, die Darbietungen der vorzüglich vertretenen Berliner Kunsttischlerei, der Crefelder Sammet- und Seidefabriken, der Solinger Messerindustrie, der Hanauer, Pforzheimer und Gmünder Gold- und Silberschmiedekunst, der Nürnberger, Sonneberger und anderer Thüringer Spielwarenfabrikanten, der deutschen Chemiker und der sonstigen Industriezweige im einzelnen vorzuführen, wollen wir anders Raum auch nur für einen flüchtigen Ueberblick über die anderen deutschen Sektionen behalten.

Fast in allen ist Deutschland würdig, in einigen sogar hervorragend vertreten. Wenn im Kunstpalast Deutschlands Künstler, in koloristischer Hinsicht durch die Franzosen vielleicht übertroffen werden, so überbieten sie diese wieder durch geistige Tiefe. Einen glänzenden Eindruck machen die Werke der deutschen Bildhauer, die nicht weniger als 118 Arbeiten nach Chicago sandten. Auch hier haben Reichsregierung und Bundesstaaten zum Gelingen des Ganzen wesentlich beigetragen, indem sie bereitwillig aus den großen nationalen Sammlungen die edelsten Schätze herliehen. Endlich bietet die Ausstellung der Architekten viel des Sehenswerthen, unter anderem das Modell des Reichstagsgebäudes und die Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal für Berlin.

Wie reich Deutschlands Betheiligung an der Blumen- und Gartenbauausstellung ist, geht schon aus dem großen Raum hervor, den die ausgestellten Gegenstände einnehmen. Ein ganz besonderer Anziehungspunkt ist die in einem romanischen Klosterkeller untergebrachte deutsche Weinbauausstellung mit ihren trefflich gemalten Panoramen von Rhein und Mosel.

In dem Bewußtsein, daß es sich mit dem Reichthum Amerikas an Nährpflanzen nicht messen könne, hat Deutschland davon abgesehen, seine landwirthschaftlichen Erzeugnisse zur Schau zu stellen; dagegen bringt es im Ackerbaupalast eine Menge anderer interessanter Dinge. Eine umfangreiche Sammelausstellung landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe läßt erkennen, daß Deutschland auch auf diesem Gebiet gewaltige Fortschritte gemacht und selbst die Amerikaner fast überflügelt hat. Viel des Neuen bieten auch die Maschinen zum Destillieren, Filtrieren, Abschäumen, Abziehen und Kühlen von Getränken. Wir bewundern ferner die Reichhaltigkeit der von fast allen deutschen Bädern beschickten balneologischen Ausstellung, die Produkte der deutschen Kaliwerke, die Abtheiluug für Konserven, diejenige der deutschen Bierbrauer und Likörbrenner. Viel betrachtet wird, auch der von einer Kölner Firma aus Chokolode aufgeführte Pavillon, der sich über einer drei Meter hohen Chokoladefigur der Germania vom Niederwald wölbt.

Vorzüglich tritt Deutschland im Elektricitätsgebäude auf. Die bedeutendsten Firmen haben ihre Dynamomaschinen, ihre Beleuchtungsapparate und Straßenbahnwagen hierhergeschickt. Weiter ist hier eine von der Reichspostverwaltung zusammengestellte Sammlung untergebracht, die in bewundernswerther Anordnung die Apparate der Telegraphie, des Fernsprechwesens, der Rohrpostverbindung, Modelle deutscher Postanstalten, sowie reichen statistischen Stoff über die Entwicklung von Post und Telegraphie enthält.

Im Palast für das Verkehrswesen treffen wir auf Modelle der großartigsten deutschen Bahn- und Brückenbauten, sowie der Bahnhöfe zu Frankfurt am Main und zu Berlin, die alles weit hinter sich lassen, was Amerika bisher in dieser Richtung leistete. Auch die Vermittler des großen überseeischen Weltverkehrs, die Paketfahrt-Aktiengesellschaft in Hamburg und der Norddeutsche Lloyd, haben äußerst sorgfältig gearbeitete Nachbildungen ihrer besten Schnelldampfer gesandt; daneben finden wir einen vollständigen Personenzug, einen mit verschwenderischer Pracht ausgestatteten Salonwagen, sowie eine außerordentlich interessante Sammlung, welche die historische Entwicklung der Schienenwege und Bahnkörper veranschaulicht.

In der Maschinenhalle behauptet Deutschland gleichfalls einen der ersten Plätze, nicht minder im Palast für Bergbau. Ja das großartigste Objekt im Bergwerkspalast, eine aus lauter Schienen und Schrauben zusammengefügte gewaltige Triumphpforte, entstammt einer deutschen Firma, den Eisenwerken der Gebrüder Stumm, welche außerdem riesige Pyramiden aus gebogenen Eisenröhren, Bildsäulen aus Gußeisen und tausend andere Dinge vorführen.

Wird die von dieser Firma gestellte Gruppe als eine der umfassendsten bezeichnet, die jemals von einem einzelnen Geschäft geboten wurden, so gilt das in noch höherem Sinne von der Sonderausstellung der Firma Friedrich Krupp in Essen. Hart am Ufer des Michigansees erhebt sich ein burgartiger, mit Thürmen und Zinnen geschmückter Pavillon, in welchem eine Reihe der gewaltigsten Kanonen aufgestellt ist. Unter diesen Riesengeschützen erregt ein Ungeheuer von 14 Meter Rohrlänge und 122 Tonnen Gewicht berechtigtes Aufsehen. Es ist dazu bestimmt, bei der Küstenvertheidigung verwendet zu werden, und vermag mit seinen 1000 Kilogramm schweren Geschossen die stärksten Panzer auf alle jene Entfernungen zu durchschlagen, welche beim Kampf zwischen Schiffen und Küstenwerken vorzugsweise in Betracht kommen.

Ein anderes dieser Geschütze zeigt, bis zu welch unglaublicher Höhe und Weite die Schußlinie ausgedehnt werden kann. Es ist eine Küstenkanone im Kaliber von 24 Centimetern. Das 9,6 Meter lange Rohr ist imstande, ein Geschoß von 250 Kilogramm Gewicht 20000 Meter weit zu werfen, wobei die Flugbahn eine Scheitelhöhe von 6540 Metern erreicht. Was das heißen will, das veranschaulichen die Kartenskizzen der nächsten Seite. Würde man einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_626.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2022)