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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Herzog Ernst II. von Koburg bei Eckernförde.
Nach einem 1854 in der „Gartenlaube“ erschienenen Holzschnitt..

Landungsversuch der Dänen glänzend vereitelt, ihr bestes Schiff, Christian VIII., vernichtet wurde. Der jubelnde Wiederhall, den dieser Sieg in ganz Deutschland hervorrief, verwandelte sich aber nur zu bald in schmerzliche Entrüstung, als die Schleswig-Holsteiner an Dänemark ausgeliefert, alle Hoffnungen betrogen wurden. Der Herzog lieh dem allgemeinen Empfinden seine gewichtige Stimme, er protestierte laut gegen das Unrecht, das man hier an einem heldenmüthigen deutschen Stamme verübte, und ließ nicht nach, für die Befreiung der Herzogthümer einzustehen, bis das Jahr 1864 ihr Schicksal zum Besseren wandte, freilich in anderem Sinne, als er es sich gedacht.

Herzog Ernst im 70. Lebensjahr.

Was die schleswig-holsteinische Frage von allen Patrioten verlangte: ein langes, überlanges Kämpfen und Harren, das forderte nicht weniger der Streit um die Einheit und Freiheit des Vaterlandes. Ernst II. fühlte so lebhaft wie einer die Erbärmlichkeit der deutschen Kleinstaaterei den Mangel einer festen Kraft nach außen und innen. Freudig begrüßte er daher das erwachende Selbstgefühl der Bürger, das sie zu politischer Macht erheben mußte, und die Frankfurter Nationalversammlung des Jahres 1848, in der endlich eine Vertretung des gesamten Volkes vorhanden war. Freilich, die Freude war auch hier nur von kurzer Dauer. Weder ein deutscher Kaiser noch ein deutsches Parlament erhob sich aus der Sturmfluth jener gährenden Zeit. Nun galt es, in den kommenden Jahren des Rückschrittes den Glauben an die höhere Bestimmung unseres Volkes, die Hoffnung auf bessere deutsche Tage nicht zu verlieren und mehr als ein Jahrzehnt lang in mühsamer Arbeit jene Kräfte zu sammeln und zu leiten, die auf das eine große Ziel unentwegt hindrängten. Und hier hat Herzog Ernst seinen schönsten Platz gefunden. Er suchte erst durch die Fürsten selbst das Werk der Einigung zustande zu bringen, er war es vor allem, der den Gedanken des deutschen Fürstenkongresses in Berlin faßte, auf welchem im Mai 1850 die Regierenden noch einmal sich daran machen sollten, den alten Bundestag zu begraben und den Grund zu legen zu einem festen deutschen Staatenbau unter Preußens Führung. Der Versuch mißlang, und der Herzog richtete nunmehr sein unermüdliches Bestreben darauf, durch die Begeisterung und Sammlung der breiten Schichten des Volks von unten her in die Bahn zu leiten, was von oben her nicht gelingen wollte. Zunächst bot er im eigenen Lande allen eine sichere Statt, die um ihrer freien Meinung willen verfolgt wurden. Koburg-Gotha war eine Oase, in der die vor den Dänen flüchtenden Holsteiner ebenso gastlich aufgenommen wurden wie die Kurhessen, welche ein schmähliches Gewaltregiment aus ihrer Heimath verjagte. Hier galt eine liberale Verfassung, hier war die Presse frei von jeder Censur. Und als 1859 von den besten Männern der Nationalverein gegründet wurde, lieh Ernst II. auch ihm Schutz und Förderung. Den Höhepunkt seiner Volkstümlichkeit aber erreichte er in den Jahren 1861 und 1862 auf jenen großen Schützenfesten zu Gotha und Frankfurt am Main, deren Urheber er selber war. Er wollte mit dem „Deutschen Schützenbund“ , dessen Gründung ihm in Gotha gelang, ein neues nationales Band um die getrennten Stämme schlingen, der Fluth der Einheitsbestrebungen einen neuen gesammelten Strom zuführen.

Wir Alten können den Heutigen nur schwer eine Vorstellung geben von der Begeisterung, die sein Vorgehen entfesselte, von dem Gewicht, das es ausübte. Das Fest in Gotha vom 7. bis 11. Juli 1861 war eine That. Von 236 Städten und Ortschaften eilten die Schützen auf die Einladung der Gothaer herbei, jedes Land von Bedeutung war vertreten, jede Stadt von Königsberg und Danzig bis nach Aachen und Freiburg, von Rendsburg bis München. In Gotha war Haus für Haus bekränzt und beflaggt, das Schwarz-Roth-Gold der Fahnen stach überall bedeutungsvoll hervor. Bis in die Kleinigkeiten herab zeigte sich der große Hintergrund, der tiefere Sinn des Festes. Die Scheiben trugen die Namen der Kampfes- und Geisteshelden aus den Befreiungskriegen, viele ihrer Inschriften wiesen auf das „eine Ziel“. Am Giebel des Gabentempels prangte das Bild Barbarossas, wie er sich erhob von jahrhundertelangem Schlaf. Und als der Herzog in seiner Ansprache frei bekannte: „Das edle deutsche Volk fühlt sich in seiner Kraft. Nach Einigung drängen die Massen … Das Hauptziel des gemeinsamen Strebens sei Wahrung der Ehre und Schutz des großen deutschen Vaterlaubes – in diesem Gedanken laßt uns die Bruderhand reichen!“ – da brach ein Beifall, ein Enthusiasmus ohne gleichen los, da drang weithin das Gefühl durch, daß die Zeit, in Worten zu glänzen, vorüber sei, daß man nach Thaten verlange.

Was in Gotha sich ereignete, war aber nur das kleinere Vorspiel für das erste deutsche Bundesschießen zu Frankfurt am Main im nächsten Jahre. Als Ehrenpräsident des Bundes erschien auch der Herzog, und das Bild, das er hier bot, die Gesinnung, die er zum Ausdruck brachte, gewannen ihm vollends aller Herzen. Wie seine stattliche Gestalt in der einfachen Schützenjoppe unter die Versammelten trat, ungezwungen und frei, begrüßten die Zehntausende, die herbeigeeilt waren, jubelnd in ihm die seltene Erscheinung eines Fürsten, der sich mitten im Volk als ein Theil des Volkes bewegte. Was er ihnen galt, das zeigt im kleinen jener Zuruf eines Arbeiters, der dem Herzog, als dieser auf dem Frankfurter Fürstentag von 1863 mit anderen Standesgenossen vorüberfuhr, erst ein schallendes Hoch zurief und dann die Worte folgen ließ: „Das gilt dem Koburger, daß Ihr’s wißt!“

Freilich, dieser Jubel der Feste führte auch zu einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_619.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2021)