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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Münchener Künstlerfesttage.

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Entzückende Sommertage waren es, während deren die Münchener Künstlergenossenschaft ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen feierte. Wohl thürmten sich am 3. wie am 4. Juli Gewitterwolken mitunter auf, aber nur, um die Landschaftsbilder zu verschönen und ab und zu aus weiter Ferne her einen kühlenden Hauch zu senden. - In vier lose zusammenhängende Festakte gliederte sich die Gesamtfeier. Der erste dieser Festakte bestand in der Grundsteinlegung zum neuen Künstlerhanse, die am 2. Juli vormittags stattfand. Seit Jahrzehnten wurde gearbeitet, um die Mittel für ein Künstlerheim aufzubringen; jetzt endlich konnte auf einem der schönsten Plätze Münchens der Grund zu diesem Heim gemauert werden. Ueberragt von den alten Thürmen der Frauenkirche, angesichts der schönen Synagoge und des prachtvoll emporstrebenden Justizpalastes, umrauscht vom Grün der benachbarten Anlagen, wird dieses Künstlerheim wohl für alle Zukunft eine Stätte werden, an welcher künstlerischer Geist und schaffenslustige Phantasie frohe und ernste Gedanken reifen können.

Am Abend dieses Tages fanden sich gegen zweitausend Menschen in den weiten Hallen des Salvatorkellers zusammen, wo durch kunstfertige Hände in fliegender Hast eine reiche und anmuthige Dekoration geschaffen war. In der Tiefe des Saales war eine Bühne errichtet. Als nach einigen einleitenden Musikstücken und nach einer kurzen Begrüßung der Versammlung durch den Präsidenten der Kunstgenossenschaft der Vorhang sich hob, sah man in ein uraltes zertrümmertes Kellergewölbe, in verworrenes Gerank und winkeldüsteres Gemäuer, wo zerfallende Fässer umherlagen. Waldkobolde beginnen ein spukhaftes Spiel und erwecken den seit Jahrhunderten verwünschten Kellergeist aus seinem Schlafe; ein irrendes Kunstgenie erlöst ihn aus seiner Verbannung. Unter den Klängen geisterhafter Musik erscheinen, über die zerfallenden Treppen herabschwebend, sieben Kunstmusen und erbitten sich das finstere Gewölbe von dem Kellergeiste für das Stiftungsfest der Genossenschaft. Nach einigem Sträuben wird ihnen dies gewährt: sie rufen ihren viellieben Gast: jenes schmucke Kind im Mönchsgewande, welches das Wappenbild der Stadt München ist. Aus Dampf und Lichtglanz steigt es herab, grüßt das Künstlervolk, füllt den Keller mit einem bunten Gefolge von Herolden, Bannerträgern, Pagen und altbekannten Münchener Originalgestalten, woraus unter den Klängen des Walhallaliedes das Festspiel zu Ende geht.

Nach einer durch Gesang und Deklamation ausgefüllten Pause kam noch ein zweites, musikalisches Festspiel, eine launige Magistratsversammlung in mittelalterlicher Gewandung, die durch das Eindringen des Humors in köstlicher Weise unterbrochen wird. Ein Zwiegesang zwischen dem gestrengen Bürgermeister und dem Schalksnarren entspinnt sich, durchflochten mit mancherlei Beziehungen zu schwebenden Fragen, und endet mit dem weisen Rothe des Humors, daß einem alles „Wurst“ sein müsse. Dieser Rath wird denn auch sogleich in eine imposante That umgesetzt, indem der Schalksnarr eine etwa fünfzig Meter lange Göttinger Wurst vom Umfang eines ausgewachsenen Eichbaumes durch den Saal tragen läßt. Musik und Tanz folgten. Erst spät nach Mitternacht lichteten sich die Räume.

Der zweite Festtag begann wieder mit einer ernsten Feier, mit der Enthüllung des Denkmals für Moritz v. Schwind, worüber die „Gartenlaube“ schon an anderer Stelle berichtet hat (Nr. 30). Die großartigste Festpracht aber entfaltete sich am Nachmittage des 4. Juli bei dem Sommerfeste zu Feldafing. Am Westufer des Starnberger Sees, gegenüber der blüthenduftenden Roseninsel, auf die unsere Anfangsvignette einen Blick verstattet, liegt eine breite Wiesenterrasse; dort wollte einst der unvergeßliche König Maximilian II. ein Schloß erbauen und seine Grundmauern sind heute noch vorhanden. Mit dem Herzschlag des edlen Fürsten aber hat auch der Bau aufgehört: üppige Gräser wiegen sich wieder auf der verlassenen Stätte. Diese war zum Festplatze gewählt. Berückend schön ist der Blick von hier hinab auf den See, über dessen fernen Ufern wie Märchenbilder die Felszinnen am oberen Isarthal aufragen.

Das Fest auf dem Starnberger See: Die Grotte des Seegeistes
Nach einer Originalzeichnung von V. Schramm.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_525.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2023)