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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Blätter und Blüthen.


Georg Daniel Teutsch †. Das Siebenbürger Sachsenvolk hat einen schweren Verlust erlitten. Am 2. Juli ist einer seiner verdientesten Männer, sein jahrelanger Führer im Kampfe um eigenes Volksthum, der Bischof der siebenbürgischen evangelischen Landeskirche Dr. Georg Daniel Teutsch zu Hermannstadt im hohen Alter von 76 Jahren gestorben. Was er seinem Volke war, wie er sein amtliches Wirken, sein Wort und seine Feder ganz in den Dienst der ihm anvertrauten abgesprengten deutschen Gemeinden fern im Osten stellte, das hat die „Gartenlaube“ vor wenigen Jahren, als Teutsch seinen siebzigsten Geburtstag feierte, ihren Lesern vorgeführt. Damals (Jahrgang 1887, Nummer 51) hat sie auch sein Bild gebracht. Heute bleibt uns nichts zu thun, als theilnehmend der Klage seines Volkes uns zu gesellen. Sein Andenken wird lebendig bleiben, so lange noch deutsche Bauern den Pflug über das Land der sieben Burgen ziehen, so lange deutsche Laute dort dem Wanderer ans Ohr klingen werden.

Das Schwind-Denkmal in München. (Mit Abbildung.) Seitab von dem Großstadtverkehr und doch ganz nahe der schönen Maximiliansstraße, auf der zum Park umgeschaffenen kleinen Isarinsel, ist am 4. Juli d. J. das Denkmal Moritz von Schwinds enthüllt und dadurch eine alte Ehrenschuld getilgt worden. Unmittelbar nach seinem Tode im Jahre 1871 traten Freunde und Genossen zur Gründung des Monumentes zusammen, aber offenbar war damals die Zeit hoher politischer Erregung dem Unternehmen nicht förderlich. Es kam ein kleines Kapital zusammen, das aber zur Herstellung nicht ausreichte, also hieß es zuwarten. Heute nun, nach mehr als zwanzig Jahren, sieht München die Züge des Mannes auferstehen dessen kurze gedrungene Figur mit dem mächtigen Kopfe fast täglich hier durch die Maximiliansstraße wandelte, rechts und links grüßend, hier ein freundliches und dort ein sarkastisches Wort austheilend: eine der Haupt-Charakterfiguren des alten München.

Und die am Enthüllungstag in erster Reihe der Festversammlung standen und mit Rührung zu dem Denkmal hinaufsahen, sie gehörten auch zum Theil der „alten Münchener Garde“ an. Freunde und Genossen Schwinds, Männer mit weißen Haaren und gealterte Frauengesichter, sie scharten sich um seine Familie, die überlebenden Kinder und Enkel, alle freudig gehoben durch die gemeinsame Huldigung für den unvergeßlichen Künstler. Wie eine feierliche Genugthuung für sein Andenken klangen ihnen die Worte des Präsidenten der Künstlergenossenschaft Eugen Stieler, der, nach der offiziellen Uebergabe an die Stadt und der Dankrede des Bürgermeisters, in warmen Worten hervorhob, wie auch heute in der Zeit scharfen Haders und erbitterter Gegensätze die Augen vieler sich auf Schwinds schönheitsfreudige und tief poetische Werke richten, um Erbauung daraus zu schöpfen und die Erkenntniß, „daß die Kunst mit der Alltäglichkeit nichts gemein hat“.

Das Schwind-Denkmal in München.
Nach einer Aufnahme des Atelier Therese, Photographische Lehranstalt für Frauen, in München, Theresienstr. 66.

Das Denkmal selbst, von Hähnel modelliert, in der Erzgießerei von Miller hergestellt, wirkt sehr gut auf dem Hintergrunde der lichtdurchflossenen Baumzweige. Die Büste zeigt die wohlbekannten energischen Züge im jugendlichen Mannesalter – allegorische Figuren umgeben den Sockel. Man hat den Eindruck, als ob es dem Malerpoeten wohl sein müßte in dieser grünen Einsamkeit, wo das Brausen der wildströmenden Isar sich mit den Vogelstimmen in Baum und Busch vermischt. Der Lebende würde hier gern gerastet haben, also ist die Stelle für sein Denkmal wohl glücklich gewählt und München ist durch dasselbe um eine Zierde reicher geworden.

Gleichzeitig veröffentlichen wir auf S. 513 die Nachbildung eines Aquarells von Schwind, welches seinerzeit auf der Grillparzer-Ausstellung im neuen Wiener Rathhause berechtigtes Aufsehen erregte. Es stellt das Mittelbild dar aus einem dreitheiligen Cyklus, welcher dem verstorbenen Lustspieldichter Eduard v. Bauernfeld aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages von Damen der Wiener Gesellschaft als Huldigungsgabe gewidmet wurde und der sich heute im Besitze des Fräulein v. Wertheimstein, einer Tochter von Bauernfelds edler Freundin Josephine v. Wertheimstein, befindet. Schwind führt uns in das Poetenstübchen des Jugendfreundes: porträttreu und doch mit echter Künstlerlaune vergeistigt erscheint Bauernfeld, in Schlafrock und Pantoffeln, wie er Schwind, dem Urbild der Behaglichkeit, eine neue Komödie vorliest; seitwärts schaut uns die Büste des dritten und vielleicht größten Musensohnes in diesem Freundesbunde, das gemüthliche Gesicht Franz Schuberts entgegen; im Hintergrund sucht der wackere Bayer, der stille, gelehrte Vertraute der beiden, nach einem Schmöker in Bauernfelds Bücherei. Und gar heimelig nimmt sich in diesem Kreise die Phantasiegestalt der „Jugend“ aus Raimunds „Bauer als Millionär“ aus, recht eigentlich der Genius loci dieser einzigen Herzensbrüderschaft. Der Güte der gegenwärtigen Besitzer der schönen Blätter, der Familie v. Wertheimstein, danken wir die freundliche Erlaubniß, dieses Blatt vervielfältigen zu dürfen.

Seevögelfang. (Zu dem Bilde S. 505.) Zu den wunderbarsten Erscheinnugen des Vogellebens in der Natur gehören die Riesenansammlungen der gefiederten Scharen auf den Felsenklippen der nördlichen Meere. Man nennt sie „Vogelberge“ und die Leser der „Gartenlaube“ kennen sie aus den meisterhaften Schilderungen E. A. Brehms, die im Jahrgang 1889 unserer Zeitschrift veröffentlicht wurden. Diese Vogelberge sind für die Bewohner des Nordens eine Quelle des Lebensunterhalts und werden alljährlich „abgeerntet“. Der Nutzen, den die verschiedenen Arten der auf den Klippen nistenden Seevögel bringen, ist ein mannigfacher. Der „dummen Lumme“ werden ihre Eier und Jungen geraubt; erstere versendet man weit, letztere werden eingepökelt und für den Winter aufbewahrt. Die verschiedenen Mövenarten liefern Eier, Fleisch und Federn. Die köstlichste Ausbeute bietet die Eiderente, deren Dunen die weichsten und schönsten, dafür aber auch die theuersten Bettfedern geben. Viele der zarten Weiblein und Männlein, die sich in kalter Winternacht mit einem wirklich federleichten Bett von Eiderdunen zudecken, denken kaum daran, wie diese Federn im hohen Norden erbeutet wurden.

Ein Blick auf unser Bild wird sie darüber belehren. Die Eiderenten sind zwar zur Zeit, da sie nisten, wenig menschenscheu und die Alten lassen sich sogar vom Neste wegnehmen; aber ihre Nistplätze sind nicht immer leicht zu erreichen. Sie kleben förmlich an schier unzugänglichen Felsen, und noch mehr ist dies bei anderen Seevögeln, namentlich bei den Lummen der Fall. Aber auch dort sind sie vor den Nachstellungen des Menschen nicht sicher. In Ländern, welche mit Vogelbergen gesegnet sind, namentlich aber auf den Faröern, giebt es eine besondere Art von Vogelfängern, tollkühnen Männern, denen keine Klippe zu steil, kein Abgrund zu tief ist, wo ihnen Beute entgegenwinkt. Mit Lebensgefahr erklimmen sie die steilen Felsen oder lassen sich an Seilen an den senkrechten Wänden hinab. Treue Gefährten halten am Rande des Abgrunds das Seil. Da ist jeder Muskel, jeder Nerv gespannt, ein Fehltritt und ein Fehlgriff bei dieser halsbrecherischen Arbeit bedeuten den Tod und selten stirbt auch einer dieser Vogelfänger im Bette daheim im Kreise seiner Lieben. * 


Inhalt: Schwertlilie. Roman von Sophie Junghans (16. Fortsetzung). S. 501. – Aus dem Hinterhalt. Bild. S. 501. – Ist das Choleragift entdeckt? Von C. Falkenhorst. S. 504. – Seevögelfang. Bild, S. 505. – Weltausstellungsbriefe aus Chicago. Von Rudolf Cronau. III. Die Weiße Stadt. S. 507. Mit Abbildungen S. 508 und 509. – Der Sänger. Roman von Karl v. Heigel (3. Fortsetzung). S. 510. – Moritz v. Schwind und Eduard v. Bauernfeld. Bild. S. 513. – Blätter und Blüthen: Georg Daniei Teutsch †. S. 516. – Das Schwind-Denkmai in München. Mit Abbildung S. 516. – Seevögelfang. S. 516. (Zu dem Bilde S. 505.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig, Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_516.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)