Seite:Die Gartenlaube (1893) 509.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

geschilderte Verwaltungsgebäude ist im Stil der französischen, das Frauengebäude und der Palast für Bergbau im Stil der italienischen, der Ackerbaupalast im Stil der klassischen, die Maschinenhalle wieder im Stil der spanischen Renaissance gehalten; namentlich dies letztgenannte Architekturwerk besitzt mit seinen bizarr geformten Thürmen, halbkugelförmigen Kuppeln und weiten Säulengängen einen eigenen malerischen Reiz. Die Fischereiausstellung ist in einem spanisch-romanischen Gebäude untergebracht, dessen Säulen, Kapitäle und Balustraden in höchst grotesker, aber sehr gelungener Weise mit den Abgüssen von Krabben, Seesternen, Seepferdchen, Fischen und anderen Wasserbewohnern ausstaffiert sind,

Der Kunstpalast.

Alle diese sowie sämtliche anderen offiziellen Bauten, wie der Palast für Verkehrswesen, für Gartenbaukunst, für die ethnographischen und archäologischen Sammlungen etc., mögen sie aus Holz oder Eisen sein, sind nach außenhin mit „Staff“ überkleidet; einer stuckartigen Masse, die aus einer Mischung von Gips, Cement und Hanffasern besteht, die feinsten Modellierungen zuläßt und dabei äußerst dauerhaft und feuerfest ist. Sie hat einen leichten Stich ins Cremefarbige, und diesen Grundton hat man fast sämtlichen Bauten der „Weißen Stadt“ gelassen.

Wo die Eintönigkeit größerer Flächen eine malerische Behandlung bedingte, tritt zu den architektonischen Formen reicher plastischer Figurenschmuck oder dekorative Bemalung, ohne daß dadurch der Gesamteindruck des Ganzen aufgehoben oder beeinträchtigt würde.

Entzückend ist eine Mondscheinnacht in dieser Zauberstadt, wenn Tausende von elektrischen Lichtern das Innere der Paläste erhellen und die durch die Fenster brechenden Lichtstrahlen sich zugleich mit dem Schein des Mondes in den plätschernden Wassern spiegeln; wenn vor dem Verwaltungsgebäude riesige Fontänen aufspringen und in allen denkbaren Farben erglühen; wenn von der Plattform dieses oder jenes Tempels plötzlich ein breiter Strahl elektrischen Lichtes aufzuckt und die Kuppel oder den Skulpturenschmuck eines gegenüber gelegenen Palastes grell aus dem Dunkel der Nacht hervortreten läßt.

In welch großartigem Maßstab man bei der Beleuchtung der „Weißen Stadt“ vorgegangen ist, ergiebt sich aus der Thatsache, daß der Kunstpalast allein 16242 Glühlampen besitzt; der Industriepalast hat 10000 Glühlampen und 1200 Bogenlichter, das Verwaltungsgebände 5000 Glühlampen und so fort. Der bereits in unserem zweiten Artikel beschriebene „Ehrenhof“, der eigentliche Festplatz der Ausstellung, ist besonders reich mit Licht ausgestattet. Der goldene Dom des Verwaltungsgebäudes wird von 4000 an den Rippen seiner Kuppel angebrachten Lampen eingefaßt, in derselben verschwenderischen Weise sind die Galerien und die Gesimse sämtlicher an die große Lagnne anstoßenden Paläste mit Einschluß des Peristyls mit Lichtern versehen, sogar die das gewaltige Wasserbecken umschließenden Marmorwände haben eine Garnitur von Tausenden dicht nebeneinander stehender Glühlampen erhalten, welche die tanzenden Wellen mit einer wahren Fluth rothgoldigen Lichtes überstrahlen und wesentlich dazu beitragen, die Gesamtwirkung zu steigern.

Ebenso schön wie diese durch Menschenkunst hervorgezauberten Farbenspiele und Lichteffekte sind die Augenblicke, wo die untergehende Sonne mit ihrem Glorienschein die Wunderstadt umstrahlt. Welche Bilder, welch ewig wechselnde Pracht! Zeitlebens wird mir ein Abend in Erinnerung bleiben, wo sonderbar geformte Wolkengebilde das ganze südliche und östliche Firmament verhüllten und einen tiefblauen Hintergrund für die vom letzten rosigen Hauch der Abendsonne getroffenen Kuppeln, Obelisken und Thürme bildeten. Von den silbern erglänzenden Lagunen, welche all die Farbenpracht widerspiegelten, klangen die Lieder der venetianischen Schiffer herüber. In ihren geräuschlos dahingleitenden Gondeln stackerten, als es nach und nach dunkler wurde, buntfarbige Papierlaternen auf, zugleich aber begannen auch die Lichter auf dem goldenen Dom des Verwaltungsgebäudes aufzublitzen und sich zu jener funkelnden Riesenkrone zusammenzuschließen, welche auf viele Meilen in der Runde sichtbar ist. –

Die Maschinenhalle.

Doch kehren wir zu unserer Wanderung durch den Jackson Park zurück und besuchen nun den nördlichen Theil desselben, wo bezüglich der architektonischen Formen und Stilarten größere Ungebundenheit herrscht.

Hier haben nicht nur die einzelnen Staaten und Territorien der Union besondere Specialausstellungen veranstaltet, sondern hier erheben sich auch die Repräsentationsbauten der fremden Nationen. Manch eigenartiger Gedanke ist in dieser internationalen Stadt zum Ausdruck gekommen; so z. B. breiten Kalifornien und Texas ihre Schätze in Gebäuden aus,

deren halb spanischer, halb maurischer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_509.jpg&oldid=- (Version vom 2.8.2022)