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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Sommerrast.
Von Max Hoffmann.

O stiller Ort der Einsamkeit,
Kein Hauch der Stadt mit ihrem Rauschen!
Ihr wirres Hasten liegt so weit,
Und ruheschwelgend kann ich lauschen:
Ich lieg’ im Grase, halb im Traum,
Die Sonne blinzelt durch die Blätter,
Und über mir im blauen Raum
Jauchzt rastlos Trillern und Geschmetter.

Ein Wölkchen segelt lässig-leicht,
Im Strauche summt ein goldner Käfer,
Und kleines Erdenvolk umschleicht
Neugierig mich erwachten Schläfer.
Die Wiesen streift ein Zug der Luft,
Als ob er weich sich wiegen wolle,
Und trägt mir zu den zarten Duft
Der üppig überblühten Scholle.

Froh schäkernd auf und nieder fliegt
Ein Liebespaar von Schmetterlingen,
Dicht an den Horizont geschmiegt
Ruft fern ein Dorf mit Glockenklingen;
Von Himmel, Erde, Blatt und Kraut
Ertönt’s in wundersel’gem Liede,
Und alles schmilzt zu einem Laut,
Zum sanften Säuseln: Friede! Friede!



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Deutsche Bühnenleiter.

Emil Claar.

In seinen „Erinnerungen“ hat Heinrich Laube vor seinem Hinscheiden den Ausspruch gethan, daß in neuerer Zeit mehrere Stadttheater in Deutschland in Bezug auf Regsamkeit und künstlerischen Unternehmungsgeist die Hoftheater überflügelt hätten, und dabei als Beispiel das Frankfurter Stadttheater genannt. Dies war zugleich eine Anerkennung für den Intendanten, der seit der Eröffnung des neuen Opernhauses daselbst im Jahre 1880 an der Spitze der Frankfurter Bühne steht.

Während bei den meisten der bekannten Bühnenleiter, welche als ausübende Schauspieler zur Kunst der Theaterführung heranreiften, sich dieser frühere Beruf in Erscheinung und Gesichtsausdruck ausprägt, hat Emil Claar weit mehr das Wesen und die Art eines weltmännischen Diplomaten. Alle inneren Aufregungen, welche der schwere Beruf eines Bühnenleiters täglich mit sich bringt, hinter einem fast nie gestörten Gleichmaß äußerer Ruhe und Höflichkeit zu verbergen, jede Willens- und Meinungsäußerung, sei sie für den Hörer angenehm oder unangenehm, mit demselben verbindlichen Lächeln zu begleiten, diese diplomatische Kunst ist ihm in hohem Grade eigen. Und diese Kunst kommt einem wesentlichen Theil der Aufgaben entgegen, die dem Regenten im Reiche der Bühne gestellt sind. Für ihn gilt es ja, die sich so vielfach bekämpfenden Einzelinteressen der an einer Bühne beschäftigten Künstler, deren reizbares Naturell und oft stürmisches Temperament ausgleichend zu beeinflussen, die künstlerischen Kräfte immer wieder in den nöthigen Einklang zu bringen. Den meisten aber, die aus Schauspielern zu Regisseuren, aus Regisseuren zu Theaterdirektoren wurden oder die man aus der Schriftstellerwelt um ihres dramatischen Könnens willen an die Spitze von Bühnen berief, fällt es, ihrem Temperamente gemäß, schwer, die für jene Aufgabe nöthige Sebstbeherrschung zu wahren: man kann ein recht guter Anführer im Wettstreit der Talente vor den Coulissen und doch ein schlechter Stratege gegenüber dem Kleinkrieg der Leidenschaften hinter denselben sein.

Daß Emil Claar nun schon dreizehn Jahre lang sich in der schwierigen Stellung an der Spitze des Frankfurter Stadttheaters mit wachsendem Erfolg behaupten konnte, hat er jenen Eigenschaften mindestens in gleichem Grade wie seiner künstlerischen Befähigung zu danken. Die Schwierigkeiten, die er in Frankfurt a. M. zu überwinden hatte, waren in der That ganz außerordentlich. Bis zu seiner Berufung hatte sich das dortige Bühnenleben in dem alten mittelgroßen Theater, in dem schon Frau Rath Goethe sich an den Dramen ihres Wolfgang hatte ergötzen können, abgespielt. In die erste Zeit nach seinem Direktionsantritt fiel die Eröffnung des neuen Opernhauses, das in Größe und Ausstattung mit den ersten Opernbühnen der Welt wetteifert. Die Akustik des Neubaues verwies die Weiterführung des Schauspiels auf das alte Haus. Bei dem starken Fremdenverkehr Frankfurts und der Wohlhabenheit vieler Einwohner war es durchführbar, gleichzeitig in beiden Häusern bei gutem Besuche zu spielen. Aber dieses Publikum, das für beide Häuser einen beträchtlichen Stamm regelmäßiger Besucher stellt, reist viel, kommt oft nach Paris, Berlin, Wien und ist daher verwöhnt und anspruchsvoll. Es geht gern und oft ins Theater, will dort aber auch möglichst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_465.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)