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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Aus anderen Gründen wurde der Rosenduft im Orient hochgeschätzt. Das südliche Klima wirkt erschlaffend auf die Nerven ein, weshalb der Südländer von jeher ein größeres Bedürfniß nach erregenden Mitteln hatte; er fand ein solches auch in den verschiedenen Wohlgerüchen, die ja immerhin rasch und vorübergehend den Körper etwas erfrischen, erregen und beleben können, und unter diesen Wohlgerüchen nahm der Rosenduft stets eine hervorragende Stelle ein. Die Orientalen bedienten sich aber, um ihn zu fangen, weniger der Fette und Oele als vielmehr des Wassers. Rosenwasser ist eine alte orientalische Errungenschaft. Im neunten Jahrhundert war Persien der Hauptlieferant, dort stand die Rosenkultur in hoher Blüthe. War doch die Provinz Farsistan mit der Hauptstadt Schiras unter der Herrschaft des Kalifen Mamun verpflichtet, 30000 Flaschen Rosenwasser als Tribut nach Bagdad abzuliefern! Wohin die Araber auf ihren Siegeszügen kamen, dorthin brachten sie auch ihre Damascenerrosen und das Rosenwasser mit und die Türken thaten es ihnen gleich. Mit Rosenwasser wurden Tempel und Kirchen zu Moscheen „eingeweiht“. So wollte Sultan Saladin 1188 in das von ihm eroberte Jerusalem erst einziehen, nachdem alle Wände des in eine Moschee verwandelten Tempels mit Rosenwasser gereinigt wären, und es wird erzählt, fünfhundert Kamele seien kaum imstande gewesen, die hierzu nöthige Menge herbeizuschleppen. Auch Mahomet II. ließ nach der Eroberung Konstantinopels am 29. Mai 1453 die Kirche der Heiligen Sophia durch Rosenwasser zur Moschee umwandeln. Vasco da Gama fand auf seiner Entdeckungsfahrt nach Indien die Araber an der Ostküste von Afrika mit Rosenwasser versorgt, und noch heute begegnet man diesem Parfüm bei den reichen Sklavenbesitzern an den Ufern des Kongo im „dunkelsten“ Afrika.

Die ursprungliche Herstellungsweise des Rosenwassers bestand darin, daß man Rosenblüthen mit Wasser übergoß, das Gemisch an der Sonne stehen ließ und nach einiger Zeit das mit dem Dufte gesättigte Wasser abgoß, Dieses Verfahren ist unsicher, da dem Duftsammler die eintretende Fäulniß oft einen Strich durch die Rechnung macht. Es war darum ein großer Fortschritt, als man die Destillation zu diesem Zwecke einführte, d. h. Rosenblüthen in einer Destillierblase mit Wasser übergoß und das Wasser abträufeln ließ, Das in der Kühlvorlage gesammelte Wasser erwies sich als besonders wohlriechend, die Dauer der Herstellung wurde abgekürzt; naturgemäß blieb aber das Rosenwasser bis auf die jüngste Zeit ein Erzeugniß von zweifelhafter Haltbarkeit.

Auf diese Weise hatten die Menschen den Rosenduft zu fangen und aufzubewahren gelernt; es gelang ihnen aber nicht, den Riechstoff rein darzustellen; niemand vermochte zu sagen, wie der duftende Stoff aussehe. Das echte Rosenöl, der eigentliche Träger des Rosenduftes, scheint erst in neuerer Zeit bekannt geworden zu sein.

Die älteste uns bekannte Nachricht über das ätherische Oel der Rose stammt aus dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts. Eine romantische Geschichte knüpft sich an seine Entdeckung, Der Großmogul Jehan Ghih liebte ein junges Weib Namens Nurmahal, das schon verheirathet war. Nach orientalischem Gewaltherrscherbrauch ließ Jehan Ghih den Mann der schönen Frau töten, und die junge Witwe wurde seine Gemahlin. Im Jahre 1612 lebte das neue Paar in Szinagar in Kaschmir, wo sich ein Lustgarten befand, in welchem Teiche und Gräben mit Rosenwasser gefüllt waren. Eines schönen Tages erblickte die Fürstin auf dem Spiegel dieses Wassers eine ölige, schaumartige Masse von köstlichstem Rosengeruch, die sie für ihren Gemahl sammelte. Das war das echte Rosenöl. In Europa wurde es zuerst von Kämpfer beschrieben, der im Jahre 1684 Persien bereiste und die Pracht der Rosengärten von Schiras nicht genug rühmen konnte; er nannte es butterartig, äußerst wohlriechend und theurer als Gold.

Wir glauben jedoch mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, daß das echte Rosenöl schon früher bekannt war; denn die Herstellung des Rosenwassers mußte unbedingt zu der Entdeckung führen. Schon mit sehr rohen Mitteln lassen sich kleine Mengen Rosenöls gewinnen. Wenn man mit einem und demselben Wasser frische Rosenblüthen wiederholt übergießt und das Gemisch dem Sonnenlichte aussetzt, so kann unter günstigen Umständen das Rosenöl in Form eines öligen Schaumes sich an der Wasseroberfläche sammeln und von dieser mit Wattebäuschchen abgeschöpft werden. Diese Bereitungsart wird in einer älteren französischen Enzyklopädie empfohlen. Beim Destillieren des Rosenwassers tritt diese Erscheinung um so leichter ein, wenn man bestrebt ist, möglichst starkes Rosenwasser zu bereiten. Nun waren aber Destillierapparate schon im Alterthum bekannt und wurden nachgewiesenermaßen von den Arabern in Spanien zur Bereitung von Parfümen benutzt.

Auch in Deutschland war echtes Rosenöl seit langer Zeit bekannt, und zwar nicht als ein „arabischer Wohlgeruch“, sondern als ein einheimisches Erzeugniß aus deutschen Rosen. In verschiedenen Schriften aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts finden wir Angaben über die beste Herstellungsart des Rosenöls, und da sind auch genaue Anweisungen gegeben, wie man dieses wohlriechende Oel durch Destillation von Rosenblättern in Wasser erhalten kann. Die Mehrzahl der Apotheker bereitete ihr „Oleum rosatum“ durch Uebergießen der Rosenblüthen mit Baumöl, aber die Verfechter des echten Rosenöles verhöhnten geradezu diese rohe Ware. Ihr Erzeugniß sollte die „Quintessenz“ der Rose darstellen. Es könnte sonderbar erscheinen, daß eine so schöne Entdeckung in Deutschland vergessen werden konnte; aber diese Wendung der Dinge war durchaus natürlich.

Wir haben schon mitgetheilt, daß die Rosenspezialitäten nicht um ihres Wohlgeruchs willen, sondern zu Heilzwecken bereitet wurden. Mit den Fortschritten der Medizin im 18. Jahrhundert begann der Glaube an die Heilkraft der Rosen stark zu schwinden und die Herstellnug der Spezialitäten wurde demgemäß eingeschränkt. Das echte Rosenöl war außerdem ungemein theuer und vermochte sich als Heilmittel neben dem billigen Oleum rosatum der Apotheken nicht zu halten. Es konnte zu Ansehen nur bei Völkern gelangen, welche die Wohlgerüche an sich zu schätzen verstanden und entsprechend ihrem Werthe bezahlten. In dieser Lage befanden sich die Deutschen damals nicht, wohl aber die Völker des Morgenlandes, und so kam es, daß bei diesen die ersten und wichtigsten Stätten der Rosenölbereitung entstanden. In dieser Beziehung sind vor allem Persien und Indien hervorzuheben; doch kommt das persische und indische Rosenöl gar nicht nach Europa, da es kaum den Bedarf des Morgenlandes zu decken vermag. Dagegen erwuchsen an den Grenzen der türkischen Macht, an den Abhängen des Balkan vermuthlich zu Anfang des vorigen Jahrhunderts neue Betriebe, welche nunmehr Europa mit dem kostbaren Rosenöl versorgen.

In der Umgebung von Kasanlik liegen die berühmten Rosengärten, in welchen zumeist christliche Bulgaren das sogenannte türkische Rosenöl bereiten. Die frischen Blüthen werden mit Wasser in Destillierblasen gebracht und destilliert; in den Kühlvorlagen sammelt sich das Oel auf dem kondensierten Wasser. Die Ausbeute ist gering und hängt von dem Duftgehalt der Blumen ab, der seinerseits wieder nicht nur durch die Rosenart sondern auch durch die Witterungsverhältnisse bestimmt wird; zur Gewinnung von 1 g Rosenöl sind 2 bis 4,6 kg Rosenblätter erforderlich. Trotzdem ist das Erzeugniß von Kasanlik, an dem sich etwa 120 Dörfer betheiligen, verhältnißmäßig groß und beträgt jährlich je nach dem Ausfall der Ernte 800 bis 3000 kg Rosenöl. Schwankend wie der Ertrag ist auch der Preis, der 600 bis 1000 Mark für das Kilogramm betragen kann. In neuerer Zeit wird auch von den Blumenduftfabrikanten Südfrankreichs in der Nähe von Cannes und Nizza echtes Rosenöl hergestellt; es wird aber zumeist im Lande verbraucht, so das in diesem Artikel die Bulgaren den europäischen Markt beherrschen.

Diese herrschende Stellung des türkischen Rosenöls schien bis vor kurzem unantastbar. Es hatte sich der falsche Glaube eingenistet, das die Rose zur Entwicklung ihres schönsten Duftes der glühenden Wärme südlicher Klimate bedürfe und daß die um Kasanlik gezogene Sorte der Damascenerrose besonders wohlriechend sei. Nun ist aber das Gegentheil wahr; die Rosen besitzen verschiedene Gerüche, die bald an Moschus, bald an Veilchen, bald an Früchte wie Ananas, bald an Hyacinthen erinnern[1], den schönsten echten Rosengeruch entwickelt aber die Centifolie, die mit Recht als die Rose der Deutschen bezeichnet wird. Und was die Hitze anbelangt, die zur Entwicklung eines feinen Duftes unumgänglich sein soll, so ist heute zur Genüge bekannt, das die Balkanprovinzen im Winter fast regelmäßig Temperaturen bis –25° C. aufweisen und daß während der Blüthezeit und Destillation kühle Witterung dem Rosenöl-Verfertiger geradezu erwünscht ist. Außerdem konnte es Fachleuten nicht verborgen bleiben, daß die bulgarischen Destillationseinrichtungen mangelhaft sind und das türkische Rosenöl aus diesem Grunde einen etwas unangenehm brenzligen Beigeruch besitzt.

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  1. Es giebt auch geruchlose, ja sogar geradezu übelriechende Rosen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_459.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2022)