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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)



Bastion verstärkte ein flankierender Thurm, und ein dreifaches Thor, vor dem ein Außenwerk, genannt „die Platte“ lag, führte nach der Stadt. Ringsum schützte ein breiter Wassergraben das Schloß. So galt die Pleißenburg als eine der festesten Citadellen des Landes, ein Ruf, der sich freilich im Dreißigjährigen Kriege wiederholt als zweifelhaft erwies. Im Jahre 1631 wurde sie von Tilly, 1632 von Holke und 1642 von Torstensson erobert, worauf sie bis 1650 im Besitz der Schweden blieb. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatten Leipzig und die Pleißenburg thatsächlich aufgehört, Festungen zu sein. Als der nordische Krieg im Jahre 1706 wiederum Schweden nach Sachsen führte, öffneten Stadt und Schloß der aus fünfzig Dragonern bestehenden Vorhut willig die Thore, nachdem man vorher die hier als Staatsgefangene verwahrten Prinzen Konstantin und Jakob Sobieski, Prätendenten auf die polnische Krone, nach der Bergfestung Königstein abgeführt hatte.


Die Pleißenburg in Leipzig von hundert Jahren und heute.
Nach einer Photographie im Verlage von Herm. Vogel in Leipzig.

Im Kommandanturgebäude, wo 1632 der in der Schlacht bei Lützen tödlich verwundete Pappenheim starb, wurde 1710 in dem Raume, welchen jetzt die Hauptwache einnimmt, eine katholische Kapelle angelegt, die bis 1845 bestand. In Anbetracht der gesunkenen Bedeutung der Pleißenburg als Festung brachte man deren Besatzung, die, außer dem Kommandanten, dem Schloßkapitän und drei Lieutenants, aus drei Feuerwerkern zwölf Kanonieren, zwei Unterkanonieren einem Feldscherer und hundert Musketieren bestand, in Baracken unter, die längs des Schloßgrabens im Zwinger standen und 1789 abgebrochen wurden. Als Gefängnisse waren die Thürme der Pleißenburg noch immer in Gebrauch. Der Siebenjährige Krieg führte den Berliner Juden Ephraim Levi als königlich preußischen Münzpächter in die Pleißenburg, wo er die berüchtigten minderwerthigen Acht- und Viergroschenstücke prägte, welche unter dem Namen „Ephraimiten“ noch lange in Deutschland grassierten. Um diese Zeit begann die Entfestigung auch des Schlosses, nachdem man mit derjenigen der Stadt bereits weit fortgeschritten war. Die Holzbrücken und Aufzugbrücken über den Schloßgraben wichen 1774 festen Erddämmen, nach der Stadtseite wurde die „Platte“ beseitigt, auf der Bastion der flankierende Thurm abgetragen und mit Rasierung der Brustwehren aus den Wällen begonnen. Der Thurm, dessen Kuppel bei der schwedischen Belagerung von 1642 zerschossen und nachher wiederhergestellt worden war, verlor 1787 seine Haube und wurde mit ebensoviel Geld als Arbeit bis 1790 in eine Sternwarte umgewandelt, was er bis 1864, wo ein neues Observatorium im Johannisthale entstand, geblieben ist. Die Einrichtung des Schloßthurmes zur Sternwarte kostete 11 000 Thaler, ungerechnet die 2000 Thaler; welche der Kurfürst zum Ankaufe der nothwendigen Instrumente, und der 3500 Thaler, die er zum Baue der Wohnungen für die dabei angestellten Personen aus seinen Mitteln hergab. Der 1803 in London gestorbene sächsische Gesandte Graf Brühl schenkte der Sternwarte seine Sammlung astronomischer Instrumente nebst bedeutender Bibliothek, nachdem Landkammerrath Kregel von Sternbach ihr schon 1764 ein Legat von 2000 Thalern angewiesen hatte. Ferner wurde die Pleißenburg für die Proviantverwalterei, die Hauptsalzniederlage und die 1764 gegründete Maler-, Zeichner- und Bauakademie benutzt, auch kamen das chemische Laboratorium und ein Gerichtsamt hinein. Der berühmte Maler Adam Friedrich Oeser lebte hier von 1763 bis zu seinem 1799 erfolgten Tode als Akademiedirektor, und ebenso wohnte und starb als solcher in der Pleißenburg der Maler Veit Hans Schnorr von Carolsfeld, dessen berühmter Sohn Julius hier geboren wurde. Zu erwähnen ist auch, daß 1757 der Dichter „des Frühlings“, Major Ewald von Kleist, mit seinen Truppen in der Pleißenburg einquartiert war, welcher übrigens die Stadtkasse in ebenso kräftiger Weise beanspruchte wie seine nicht poetischen Kameraden. Zur eigentlichen Kaserne richtete man das Schloß erst seit der Volksbewegung von 1830 ein. Das erste Kasernengebäude wurde im Jahre 1839 auf der äußeren Bastion erbaut, das letzte 1874 auf der Front nach der Stadtseite und dabei auch die vielbesprochenen und -beurtheilten gewaltigen Getreidethürme, in welchen viele ängstliche Gemüther ein gegen den Trotz der Leipziger errichtetes „Zwinguri“ zu erkennen vermeintem .

Wann der Akt der Niederlegung beginnen wird, ist noch nicht festgestellt, aber lange wird es wohl nicht mehr anstehen. Wenn aber einmal neue Straßenzüge hinwegführen über den denkwürdigen Platz, darauf einst die Pleißenburg stand, dann werden unsere Bildchen manchem alten Leipziger eine liebe Erinnerung sein an das alte Wahrzeichen seiner Vaterstadt.

Otto Moser.






Splitter im Auge. In ärztlichen Vereinen wurde neuerdings hervorgehoben, daß die Verletzungen durch Eindringen von Fremdkörpern ins Auge häufiger vorkommen als früher, da die Arbeiter trotz aller Warnungen und Vorschriften die Schutzbrillen nicht tragen wollen. Oft dringen diese Fremdkörper, namentlich Eisensplitter, tief in das Innere des Auges hinein und bleiben eine Zeitlang darin, ohne Beschwerden zu verursachen. Der Verunglückte weiß gar nicht, daß sein Auge verletzt ist; erst wenn das Auge sich zu trüben beginnt und die Sehkraft abnimmt, wendet er sich an den Arzt, der die Ursache des Leidens entdeckt. In solchen Fällen pflegen Schwierigkeiten wegen Bewilligung der Unfallsrente zu entstehen, da es nicht möglich ist, festzustellen, wann und wo der Unfall sich ereignete. Und doch können derartig tief ins Auge eingedrungene Splitter oft den völligen Verlust des Sehorgans herbeiführen! Wir sollten meinen, daß dies genüge, die Arbeiter zum Tragen von Schutzbrillen zu veranlassen, und es würde wohl am Platze sein, in ihren Kreisen mehr Belehrung über die schweren Folgen von Augenverletzungen zu verbreiten.

Es giebt aber auch eine Spielerei, die schon viele Menschen im Kindesalter ums Augenlicht gebracht hat. Wir meinen das Spielen mit Zündhütchen, welche die liebe Jugend so leidenschaftlich gern knallen läßt. Der verstorbene Professor Nußbaum hat wiederholt und dringend vor dieser Art voll Belustigung gewarnt, denn und zu oft gerathen dabei Splitter ins Auge. Jetzt, wo man die Arbeiter daran erinnern muß, das edelste Sinnesorgan zu behüten möchten wir auch an die Eltern die Mahnung richten, ihren Kindern das Spielen mit den Zündhütchen aufs strengste zu verbieten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_448.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2017)