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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Das Bodethal.
Originalzeichnung von Otto Strützel.

Auch unser Zeichner ließ es sich nicht nehmen, seinen Harzbildern die typisch sich wiederholende Figur einzufügen. –

Und man gedenkt des Tages, wo man auf des Hexentanzplatzes Höhe ein befreites Juchhe aus der Kehle stieß, froh, daß nun erreicht war, wonach der Blick verlangte, Berge, Wälder, Fluren und Städtchen sich näher heranzuzaubern, diente das Fernglas. Da lag Blankenburg mit seinem herrlichen Schloß, unten präsentierte einer von den „Schwarzen“. Das freilich sah das Auge nicht durch die Vergrößerung. Aber der Braunschweigische Jäger gehörte unzertrennbar zu diesem Fleck Erde, und so läßt ihn auch der Künstler vor unserem Blick aufsteigen, in der alten vertrauten Uniform, die er nun allerdings mit einer neuen vertauscht hat. Er darf so wenig fehlen wie der alte Harzführer mit dem treuherzig biederen Ausdruck in den verwetterten Zügen.

„Ist’s noch weit?“ Wie oft klang dies Wort an das Ohr des Alten.

Und wie oft hat er tröstend erwidert: „Ach, nicht allzuweit, und was Sie schauen werden, ist lohnend.“

Neben ihm steht einer, der griesgrämig die Hausthür hinter sich zugeschlossen und auch hier in Gottes unvergleichlich schöner Natur das Lachen nicht gelernt hat. Er findet’s auch nicht! Nur wenn etwa eine wandernde Gesellschaft, müde und erschöpft, von gießendem Regen überrascht, auf schlüpfrig tiefen Wegen nach Hause strebt, dann geht ein Zug stiller Schadenfreude über das Gesicht des Hypochonders, daß auch andere ein „Leid“ spüren müssen, von dem er behaftet ist oder das er zu besitzen sich einbildet. Er geht auch allem Aufregenden aus dem Wege! Wenn der biedere Harzer an der Roßtrappe die Pistolen abbrennt, um Töne heraufzubeschwören, als stürzten die Felsen mit krachendem Donner zusammen, dann hält er sich die Ohren zu, denkt an seine Nerven und entflieht. –

„Herrlich! herrlich! Unvergleichlich! Und sehen Sie dort die Felsen, die Thäler, die Wiesen! Dieses wunderklare, smaragdne Grün, diese Welt der Fruchtbarkeit und Frische! Und links den Berg und rechts das Schloß!“ so schallt’s aus den Gruppen der Ausflügler.

„Von drüben herüber, von drüben herab,
Dort jenseit des Baches, vom Hügel,
Blickt stattlich ein Schloß auf das Dörfchen im Thal,
Die Fenster wie brennende Spiegel,
Da trieb es der Junker von Falkenstein
In Hüll’ und in Füll’ und in Freude!“

So sang einst Bürger, und der Tourist wiederholt die Verse. Er steht mit den Seinigen auf der Anhöhe hinter dem Wirthshaus wie verzückt. Und nach dem Schauen geht’s hinein. Ein kühler Trunk aus einem Krug wie in alten Zeiten. Wie das mundet! Aber jetzt wieder vorwärts, wieder weiter! „Auf nach Valencia!“ citiert ein anderer, den Hut schwingend, der Jüngste, der voranschreitet und der es ablehnt, von dem Händler Ansichten vom Harz zu kaufen, da er selbst alles viel herrlicher sich eingrub in seine Seele für alle Zeiten zur Erinnerung! –g.     




Das Rechte.

Novelle von Adelheid Weber.
(Schluß.)


Es ist vier Wochen nach jenem ersten Besuch, dem der junge Trenk natürlich schon ein Stück sechs ober mehr hat nachfolgen lassen, und ich stehe zufällig am frühen Morgen neben Marianne am offenen Fenster und schaue auf die jetzt ziemlich stille Straße, als sich Pferdegetrappel von fern hören läßt. Die Marianne wird roth und beugt sich ein wenig zum Fenster hinaus, so daß mir die Ahnung kommt, sie wisse, wer so früh an unserem Hause vorbei reite. Kurt von Trenk hat sich nämlich längst ein Reitpferd und Hunde angeschafft – wogegen bei seinem Reichthum ja auch nichts einzuwenden ist – und beglückt uns oft mit seinem Anblick zu Pferde. Und schön sieht er so aus, das ist nicht zu leugnen. Heut’ aber – natürlich ist er der Reiter – als er das Pferd vor dem Fenster parieren will, um der Marianne einen Strauß köstlicher Rosen hereinzureichen, gebärdet sich das Thier so unruhig, daß ihm die Rosen aus der Hand fallen, gerade als Marianne sie fassen will, Das Pferd tritt darauf. Da wird Kurt Trenk ganz bleich, öffnet die Lippen, daß die zusammengebissenen spitzen weißen Zähne hervorblitzen – er sieht aus wie der leibhaftige Teufel – und stößt dem Pferde die Sporen in die Weichen, daß Blut in dicken Tropfen hervortritt, während er zugleich das Thier mit dem Knopf der Reitpeitsche wie besessen bearbeitet. Ich stoße einen Fluch aus vor Entrüstung; da thut die Marianne neben mir einen tiefen Seufzer und fällt um. Gerade als ich sie wieder zum Leben gebracht habe, läutet es, mit dem kurzen herrischen Laut, den wir Drei schon gar zu gut kennen. Da richtet sich die Marianne auf, schlingt ihre Hände um meinen Hals und birgt ihr Gesicht wie ein verängstigtes Kind an dem meinigen. ‚Laß ihn nicht herein, Onkel‘, flüstert sie. ‚Ich will ihn nicht sehen – nie mehr!‘

Na, ich freue mich von Herzen und will das Eisen schmieden, so lange es warm ist. So gehe ich denn, als es kurz hintereinander zum zweiten und dritten Male klingelt, zur Thür – die Betty ist mit dem Dienstmädchen auf einem Marktgang – öffne sie und sage barsch: ‚Marianne ist für Sie nicht zu sprechen, Herr von Trenk, Ihre Brutalität hat sie krank gemacht.‘

Er sieht mich an, verblüfft, erschrocken. ‚Für mich nicht zu sprechen? Krank – Marianne?‘ stammelt er.

Dann schiebt er mich mit einem Ruck zur Seite und stürmt ins Haus. Ich ihm natürlich nach. Aber er hat schon Mariannens Zimmer gefunden und wirft sich vor ihrem Bett auf die Knie und ruft: ‚Marianne – mein Lieb! Mein Lieb!‘ und nimmt ihr Gesicht, das sich ihm erblassend entgegenhält, in beide Hände und bedeckt es mit Küssen. Und ich alter Narr stehe dabei und sehe, wie ihre Wange sich unter seinen Küssen röthet und wie in die Augen wieder die scheue Glückseligkeit kommt, und ich weiß, daß die Partie für uns verloren und Marianne die Beute dieses

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_420.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)