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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Blätter und Blüthen

Lola Beeth. (Zu dem Bilde S. 357.) Es war im Jahre 1882, am Tage nach Lola Beeths erstem Auftreten in Berlin, als ich die junge Sängerin im Hause einer Berliner kunstsinnigen Familie kennenlernte. Alle diejenigen waren bekehrt, welche zweifelnd und tadelsüchtig das Wagestück des damaligen Theaterintendanten Herrn von Hülsen belächelt hatten, eine völlig unbekannte Sängerin, die noch nie auf den Brettern gestanden, zum ersten Mal in einer großen Rolle auftreten zu lassen. Die „Elsa“, die noch am Tage vor der Aufführung als eine künstlerische Unmöglichkeit, als eine Intendantenlaune, als ein gewagter Scherz betrachtet worden war, erstand an jenem Abende in hinreißender, lieblicher Wirklichkeit. Lola Beeth war über Nacht eine Berühmtheit geworden, und die Oper der Reichshauptstadt hatte einen Namen gewonnen, dessen Klang dem kunstliebenden Publikum nicht wieder entschwand. In allen musikalischen Kreisen Berlins besprach man dieses Ereigniß, und ich war wirklich neugierig, die Heldin desselben kennenzulernen, und nicht wenig erstaunt, ein ganz blutjunges, schüchternes, blondes Wesen vor mir zu sehen, das nur durch seine hohe, imposante Gestalt vor der Gefahr bewahrt blieb, für einen guten, lieben Backfisch gehalten zu werden. Das holde, jugendfrische Geschöpf schien von der Tragweite seines Erfolges keine recht klare Vorstellung zu haben und nahm die ihm gezollte Anerkennung so bescheiden und lieblich erröthend hin wie ein junges Mädchen seine ersten Cotillonsträußchen. Es hatte etwas ungemein Rührendes, die kaum Zwanzigjährige mit schlichter Einfachheit und fast kindlicher Freude von dem Beifallssturm, mit dem das Publikum sie ausgezeichnet hatte, sprechen zu hören. Diese Naivetät gewann ihr damals mein ganzes Herz, und noch Jahre nachher, wenn wir im Gedankenaustausch auf die hohen und ernsten Aufgaben der Kunst zu sprechen kamen, als sie begriffen, was das Wort „Künstlerin“ umfasse, als sie in Glück und Leid die Bedeutung von „Künstlers Erdenwallen“ verstehen gelernt hatte, da erinnerte ich mich noch oft jener köstlichen glücklichen Unbefangenheit, mit der das reizende Mädchen damals in die Welt und ganz besonders in jene Welt des schönen Scheins geblickt hatte, die nachher so bedeutungsvoll für sie geworden ist. Denn von jenem Abende an schreibt sich eine Künstlerlaufbahn, die eigentlich nur zwei Etappen hat, allerdings die beiden größten, welche eine deutsche Künstlerin zurücklegen kann: Berlin und Wien.

Lola Beeth wurde sofort nach ihrem Auftreten als „Elsa“ für das Berliner Opernhaus gewonnen, wo sie in einem Zeitraum von sechs Jahren zu jener künstlerischen Höhe emporstieg, die nur hervorragende Begabung im Verein mit unermüdlichem Streben und zielbewußtem Eifer erklimmen kann. Lola Beeth lernte immerfort. Der Erfolg blendete sie nicht, sondern spornte sie nur zu neuem Schaffen an, – und noch heute, wo sie am erreichten Ziele steht, ruht sie nicht etwa auf ihren Lorbeeren aus, sondern arbeitet nimmermüde und studiert mit höchstem Eifer, keinen Stillstand sich gönnend, der – wie sie wohl weiß – Rückschritt bedeutet.

Sie ist heute ein „Stern“ der Wiener Hofoper und hat so in ihrem Vaterlande die höchste Ruhmesstaffel erreicht, denn Oesterreich ist ihr Heimathland, da sie im Jahre 1862 zu Krakau geboren ist. Lola war ein musikalisches Wunderkind, das schon mit sechs Jahren sang und Klavier spielte, und zwar dies so gut, daß sie zunächst zur Klaviervirtuosin ausgebildet werden sollte. Sie hatte auch bereits eine vollkommene künstlerische Fertigkeit auf dem Klavier erlangt, als die übliche Fürstin die Stimme des Kindes entdeckte und sie der Bühne rettete, indem sie das junge Mädchen Frau Professor Dustmann in Wien zum Gesangsunterricht übergab. Eine solche „Fürstin“ fehlt ja in den wenigsten Künstlerbiographien; aber diesmal leibte und lebte sie thatsächlich. Es war die kunstsinnige Fürstin Sapieha, welche die Vorsehung Lolas wurde und ihre nicht unvermögenden Eltern, die das Theater mit dem Vorurtheil bürgerlicher Kreise betrachteten, dazu bewog, ihr Kind dem gefährlichen Künstlerleben auszuliefern. Und Lola bewährte sich. Tadellos und lauter blieb ihr Charakter, vornehm und edel ihr Wesen, sie blieb in Wirklichkeit ein Geschöpf wie die liebliche Maria im „Trompeter von Säkkingen“. In dieser Rolle möge sie denn auch den Lesern der „Gartenlaube“ vorgeführt werden! Ulrich Frank.     

Der Oheim als Brautführer. (Zu dem Bilde S. 360 u. 361.) Großes Ereigniß im Städtchen! – Bürgermeisters Luise heirathet, und zwar nicht den vom gestrengen Papa so eifrig unterstützten Bewerber, den dicken reichen und ältlichen Fabrikbesitzer, sondern ganz im Gegentheil ihre stille Jugendliebe, den armen Pfarrerssohn, welchem sie nicht zu geben derselbe Papa viele hundertmal zornig geschworen hat. Aber treue Liebe besiegt alle Hindernisse: die beiden hielten fest zusammen, und heute sind sie am Ziel. Pfarrers Fritz, der arme Student, ist als Arzt im Städtchen ansässig, und die Brautkutsche steht bereit, um ihn und sein Luischen zur Trauung zu fahren.

Freilich, ob alles ebenso glücklich abgelaufen wäre ohne den kleinen Mann, der still lächelnd dem Bräutchen die Hand zum Einsteigen reicht, das fragt sich doch noch sehr. Er war der Schutzgeist ihrer Liebe, der gute Onkel Doktor, er hielt den väterlichen Zornesausbrüchen ruhig stand, und er hat dann dem Pathen Fritz, von dessen großer Tüchtigkeit er überzeugt ist, den Eintritt in den ärztlichen Beruf erleichtert. Und jetzt – spricht er nicht bereits davon, sich selbst allmählich von der Praxis zurückzuziehen und seinen jungen Freund sachte einrücken zu lassen? O, er ist ein Engel in Menschengestalt, der gute Onkel Doktor, wenn auch die letztere, wie in solchen Fällen öfter, recht unscheinbar ausgefallen ist. Aber das stört niemand – das ganze Städtchen kennt und liebt ihn, und so sieht jetzt alles mit freudiger Theilnahme zu, wie er seines Amtes als Brautführer waltet. Luise hat es sich so ausgebeten, und alle finden es richtig – und freuen sich: die Alten droben am Fenster, die theilnehmenden Nachbarn, die kleinen Schwestern, welche, ganz Würde und Hochgefühl, die Brautschleppe tragen, die behäbige Mama und vor allem der glückliche Bräutigam, dessen Ehrentag die ganze Kleinstadt so recht von Herzen mitfeiert.

Jetzt aber dröhnt mit Donnergewalt der Musikantentusch aus der „Goldenen Laterne“, ein vielstimmiges Vivat! mischt sich darein und mit lautem Gerassel fährt die altehrwürdige Kutsche samt ihrem glückseligen Inhalt zur Kirche. Bn.     

Aus Anzengrubers Nachlaß ist im Cotta’schen Verlag in Stuttgart ein Volksstück mit Gesang, „Brave Leut’ vom Grund“, erschienen, welches schon mehrfach mit Erfolg zur Aufführung gekommen ist. Anzengruber war seinerzeit am Theater an der Wien Dramaturg und hatte die Verpflichtung, jährlich zwei Stücke zu schreiben. So schrieb er das Volksstück „Brave Leut’ vom Grund“ für Marie Geistinger; doch diese kam nicht dazu, die Rolle zu spielen. Das Stück blieb im Theaterarchiv liegen; jetzt, nach dem Tode des Dichters, wurde es herausgegeben. Es spielt in den Kreisen des kleinen Bürgerstandes; die Heldin ist eine fesche brave Wienerin, die anfangs als Tochter, später als Frau, zuletzt als Mutter auftritt und immer alles, was aus den Fugen zu gehen droht, ins rechte Geleise bringt. Das Stück beschäftigt sich nicht mit tieferen gesellschaftlichen Fragen wie die späteren Werke des Dichters, aber es enthält Bilder aus dem Volksleben, denen es nicht an voller Wahrheit und markiger Ausführung fehlt, und Scenen, die durch ihre ungezwungene Heiterkeit fesseln. †      

Elefantenjagd am Kongo. (Zu dem Bilde S. 369.) Der Dunkle Welttheil ist nicht so arm an Elefanten, wie man früher behauptet hat. Am unteren Kongo, der vorwiegend von Savannenlandschaften eingeschlossen wird, ist das Thier allerdings selten; am oberen Laufe des Riesenstromes aber, wo an seinen und seiner Nebenflüsse Ufern weite Urwaldstrecken bessere Schlupfwinkel bieten, begegnet man nicht nur vereinzelten Stücken, sondern auch ganzen Herden von Elefanten, die zwanzig Köpfe und darüber stark sind.

Für den Europäer ist die Elefantenjagd zumeist ein Werk des Zufalls. Begegnet er auf seinen Zügen den riesigen Dickhäutern, so geht die Knallerei los, und sie ist zumeist mit keiner besonderen Gefahr verbunden, da der Elefant trotz seiner Größe scheu und furchtsam ist und am liebsten das Weite sucht, selbst wenn er verwundet ist. Nur äußerst selten wendet er sich gegen den Angreifer. Der Neger, der das Gelände kennt, pflegt sich alsdann sicher zu retten; die Europäer sind dagegen öfters der Wuth des afrikanischen Hochwildes zum Opfer gefallen. Im übrigen sind die neuen Gewehre mit ihrer großen Durchschlagskraft auch dem Elefanten gegenüber eine furchtbare Waffe und sie werden neuerdings von europäischen Faktoreien auch unter die eingeborenen Elefantenjäger vertheilt, die das erbeutete Elfenbein an die Europäer abliefern.

Eigenartiger sind die alten Jagdmethoden, mit welchen die Neger seit undenklichen Zeiten dem Hochwild Afrikas nachstellen. Da werden Fallen und Gruben angelegt, Elefanten in Rohrhorste getrieben und durch Feuer vernichtet, ja die Jäger greifen die Kolosse unmittelbar an, indem sie nur Schwert und Speer schwingen. Berühmt seit dem Alterthum sind die Schwertjäger der nordostafrikanischen Steppe, welche den Elefanten umzingeln und ihm von hinten die Achillessehne am Fußgelenk mit einem Schwerthieb durchschneiden. Die Neger am oberen Kongo kennen gleichfalls ähnliche Verfahren. Mit einem breiten Speer bewaffnet, schleichen sie sich an die Elefanten heran und suchen ihnen die Fersensehnen zu durchschneiden, wodurch die Thiere kampfunfähig gemacht werden. Im Hinterlande von Kamerun benutzte man früher vergiftete Speere zur Jagd, indem man sie gegen den Elefanten stieß; heute steckt man die Giftwaffen in das Gewehrrohr und feuert sie auf das Wild ab.

Die Jagd im Urwalde ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden; Meister in derselben sind eigentlich nur die Zwergvölker der Watua oder Akka-Akka; sie verstehen es, selbst mit ihren kleinen vergifteten Pfeilen die Elefanten zu erlegen, und sie hätten wohl längst das Hochwild des Urwaldes ausgerottet, wenn sie in größerer Zahl vorhanden wären; aber diese geborenen Jäger des centralafrikanischen Urwaldes sind selbst im Aussterben begriffen; die Zwerge des Waldes schwinden vielleicht noch rascher dahin als die Riesen unter den Thieren Afrikas. *      


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

A. W. in Hamburg. Ueber die Thätigkeit und die Ziele der Arbeiterkolonien finden Sie Aufschluß in dem anregend und frisch geschriebenen Schriftchen von W. Paul „Unsere Heimathlosen und ihre Pflegestätten“ (Leipzig, Kommissionsverlag von H. G. Wallmann).

Neográd! 1. Ja!0 2. Nähere Angabe der Adresse nicht nothwendig.

K. Str. in Krefeld. Die Heilanstalt für bed[ü]rftige Lungenkranke zu St. Andreasberg im Harz wird von Dr. A. Ladendorf geleitet und ist im wesentlichen auf wohlthätige Stiftungen gegründet, erhebt aber auch von den Verpflegten kleine Beiträge. Mit Krankenkassen steht sie unseres Wissens nicht in Verbindung.


Inhalt: [ Verzeichnis der Beiträge in Heft 22/1893. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_372.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2023)