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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

ein Volk, das aus hartem Felsen unvergängliche Baudenkmale schuf: es war dies das Volk der Aegypter, der Erbauer der Pyramiden, das den Nil hinauf über die heilige Insel Philä bis zu den geheimnißvollen Brunnen von Syene unter dem Wendekreise stieg, um dort den schönen rothen Granit zu brechen. Die Alterthumsforscher wissen auch, in welcher Weise die Aegypter ihre Steine bearbeiteten, denn nicht nur die Papyrusrollen erzählen davon, in den alten Steinbrüchen liegen noch begonnene und nicht vollendete Arbeiten, welche dem Zahne der Zeit getrotzt haben und uns das alte Steinhauerhandwerk in seinen Einzelheiten vor Augen führen. Von den Aegyptern lernten die Römer die schwierige Kunst und trugen sie über das von ihnen beherrschte Erdenrund, trugen sie in die Felsenmeere des Odenwaldes und hieben hier aus den unförmlichen Blöcken schlanke glatte Säulen. Und wie die Aegypter am Nil, so ließen sie am Felsberg gleichfalls unvollendete Arbeiten zurück, aus welchen wir noch heute ersehen können, wie sie mit den Syeniten des Odenwaldes verfuhren.

Das Felsenmeer bei Reichenbach im Odenwalde.

Unweit von der Riesensäule liegt z. B. zwischen Baumstämmen ein viereckiger Block, welcher der „Altarstein“ genannt wird, obwohl er niemals irgend welchem gottesdienstlichen Zwecke gedient hat. Er ist 1,80 Meter hoch, am vorderen Rande etwas über 3,50, am hinteren 4,50 Meter lang und er zeigt den Beginn und Erfolg einer Bearbeitung, durch welche man ihn in Balken von 53 bis 62 Centimeter Dicke und 3,50 bis 4,10 Meter Länge zerlegen wollte. Aus den Spuren, welche der „Altarstein“ trägt, läßt sich die Art der Sprengung wohl erkennen. Mit Sägen, die ausgezeichnet sein mußten, wurden zuerst senkrechte Schnitte in den Stein gemacht; in diese setzte man Keile und sprengte durch deren Antreiben den Balken vom hinteren Grunde ab. Die Bruchfläche nahm dabei schon von selbst eine schalige rundliche Form an, welche die Ausarbeitung der Säule aus dem abgesprengten Stück erleichterte. Auf der Abbildung des „Altarsteines“ (S. 333) sehen wir deutlich jene rinnenförmig ausgehöhlten Bruchflächen.

Die am Felsberg hergestellten Säulen wurden in verschiedene Gegenden des Rheinlandes gebracht, in welchem zur Römerzeit eine gewisse städtische Pracht aufzublühen begann. Noch heute sind viele dieser Zeugen der alten Herrlichkeit erhalten. Mannheim und Heidelberg, Köln und Aachen, Trier und andere Städte rühmen sich noch des Besitzes dieser römischen Säulen aus deutschem Stein. –

Nicht lange indessen, und die Römerherrschaft sank in Staub, ein neues Zeitalter begann, neue Völker flutheten über jene Länder. Die Syenitbrüche am Felsberg wurden verlassen, und die alte Steinindustrie gerieth derart in Vergessenheit, daß die Odenwäldler selbst nicht mehr wußten, wer jene Riesensäule auf ihrem Berge gehauen hatte!

Aber der Tag kam, wo die harten Felsen wieder zu Ehren gelangen sollten. Männer der Wissenschaft begannen sie zu studieren, und was früher oft unter einer allgemeinen Bezeichnung Stein, Fels, Wacke u. dergl. zusammengeworfen worden war, erhielt besondere Namen. Plinius, der Naturkundige des Alterthums, hatte jenen Baustein der Aegypter nach der Stadt Syene „Syenit“ genannt. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts gab der Freiberger Gottlob Werner, der Vater der Geognosie, diesen Namen einer besonderen Gesteinsart, die im Plauenschen Grunde bei Dresden vorkommt, dem Granit sehr ähnlich ist, aber in ihrer Zusammensetzung sich von ihm unterscheidet. Spätere Untersuchungen zeigten nun allerdings, daß die ägyptischen Steine zwischen Philä und Syene durchaus nicht mit denen vom Plauenschen Grunde übereinstimmen; die ägyptischen sind rother Hornblendegranit. Aber der Name „Syenit“ bürgerte sich einmal für die zuerst erwähnte Gesteinsart ein und man behielt sie im Sinne Werners bei.

Der Odenwald besitzt nun auch rothen Granit, vor allem aber tiefdunkeln, fast schwarzen Syenit, während der vom Felsberg zumeist schwarz und weiß gesprenkelt erscheint.

Allein nicht nur die Wissenschaft beschäftigte sich mit diesen Felsen; auch die Industrie wandte ihnen wieder erhöhte Aufmerksamkeit zu. Der Marmor, mit dem der Süden seine Tempel

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_332.jpg&oldid=- (Version vom 2.1.2020)