Seite:Die Gartenlaube (1893) 277.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Nr. 17.   1893.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf.   In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf.   In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Schwertlilie.

Roman von Sophie Junghans.
(3. Fortsetzung.)

Durch ein Wort hier und da – über Weg und Steg und dergleichen – zeigte der alle Strieger, daß er gesprächig aufgelegt sei. Da sagte Polyxene nach einer Weile: „Jene Frau in der Hütte hat die Treue gerühmt, die ihr von Euch erwiesen wird. Ist sie Euch denn blutsverwandt? Oder was bindet Euch sonst an sie?“

„Da ist nicht viel zu sagen,“ antwortete der Alte. „Nach Euerer Eltern Tod heirathete die Magdalena einen Teppichwirker aus Flandern und zog fort mit ihm – auch ein Betbruder von der besonderen Art, die den Pfaffen nicht behagt, weil sie selber die Nase in allerhand alte Schriften steckt. Nach Jahr und Tag kam sie als Witwe zurück nach Birkenfeld. Den Mann hatten sie ihr zu Tode gebracht mit Inquirieren nach seinem Glauben oder Nichtglauben. Eine garstige Geschichte; er hatte in einem feuchten Loche gesessen, in das nicht Sonne noch Mond schien, bis sie dahinter kämen, wie es mit seinem Credo bestellt sei; unterdessen ist er am Bluthusten draufgegangen. Ob nun die Magdalena das der Klerisei nachtrug oder was sonst – sie ging nicht zur Beichte und nicht zur Messe, betrieb vielmehr ein wunderliches Spintisieren und Beten und Schriftenlesen in ihren vier Wänden. Nicht lange, so waren die geistlichen Herren auch hier hinter ihr her … seht Euch vor, es ist ein schlechtes Gehen hier … denn die wollen nun einmal nicht, daß einer einen Weg zum Himmel gleichsam nebenher findet, wo sie nicht ihre Schlagbäume stehen haben. Wie dem armen Weibe von ihnen zugesetzt worden ist –“ er blieb mit einem Male stehen und warf den einen Arm mit geballter Faust gegen den Abendhimmel empor, und so unvermittelt kam die heftige Gebärde, daß Polyxene zusammenfuhr. Aber gleich stampfte er auch wieder ruhig weiter, als wäre nichts geschehen. „Sie kam damals auch unter Klausur in das Karmeliterkloster nach Nievenport; von dort hat sie die Gicht mitgebracht, an der sie jetzt lahm liegt.“

„Warum aber verfuhr man so strenge mit ihr?“ sagte Polyxene leise.

„Das mögt Ihr wohl fragen. Sie war ja still genug und sah niemand bei sich als die geistlichen Herren selber. Ja, die kamen. Einer von ihnen hing an ihrer Fährte wie ein übereifriger Hund, der mehr thut, als sein Herr will – es giebt solche Bestien; ich habe auch wohl schon so einen gehabt. Es war der Pater Klausinger; er kam von Philippsburg. Wer ihn dorten kennt“ – hier lachte der alte Waldmensch bösartig – „der weiß, daß er seitdem hinkt. Er kam eines dunklen Abends vor Magdalenens Thür schwer zu Fall über einen Holzklotz, den, wie sie sagten, der Teufel selber dem frommen Manne da zwischen die Beine geworfen habe. Das rechte Bocksbein brach ihm wie ein dürrer Stecken,“ wieder lachte der schlimme Alte in sich hinein, „und seitdem lahmt er. Aber sie ließen doch nicht ab von ihr, wie man denken kann. Und sie, sie blieb unter all dem Quälen, wie sie gewesen war. Nichts that sie

Seifenblasen.
Nach einem Gemälde von R. Hohenberg.
Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_277.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2021)