Seite:Die Gartenlaube (1893) 188.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Herr Albrecht.
Eine Ostergeschichte aus dem Ende des 12. Jahrhunderts.
Von Stefanie Keyser.
Illustriert von A. Zick.

Es waren schon ein paar Jahrhunderte verflossen, seitdem die ersten Sendboten des Christenthums das Kreuz aufgepflanzt hatten in den Bergen, die wie langgestreckte Wälle zwischen Harz und Thüringer Wald sich hinziehen.

Gleich tapferen Kriegern hatten sie dafür die gefährlichsten Stätten gewählt. Wo ein heidnisches Heiligthum stand – eine alte Eiche, mit Pferdeschädeln behangen, ein Steinaltar am rauschenden Quell – hatten die Bekehrer den Kampf mit den herrschenden Göttern aufgenommen.

Auch von dem hohen Berge, der als Wetterscheide zwischen lieblichen Thälern und waldigen Hügeln aufragt und der Verehrung Ostaras, der holden Frühlingsgöttin, geweiht war, hatten Benediktinermönche Besitz ergriffen, das heidnische Völkchen, das darum saß, in väterliche Zucht genommen und auf der höchsten Kuppe des Berges eine Kapelle gebaut zur Ehre „Unserer lieben Frau“. Da war, wie das Volk sich zuraunte, die entthronte Ostara in den Berg geschlüpft, im Schwanenhemd, um drinnen auf einem See dem Weltuntergang entgegen zu träumen.

Mit den kleinen Unholden, die Wald und Feld bevölkern sollten, machten die frommen Väter geringere Umstände. Leicht war das Nixchen zu schrecken, das im Thale nach Süden einen Bach bewohnte, den ein Espenwäldchen überwölbte und der „Bebra“ hieß. Die Mönche stifteten mitten in den zitterigen Bäumen über den quirlenden Wellen und quabbeligen Fischschwänzen St. Margarethen ein Heiligenhäuschen und bestellten einen festen Bruder zum Kampfe mit dem bräunlichen Greuel, zum Schutze für das fröhliche Fischervölkchen, das im freundlichen Dorfe dort wohnte und der Forellen und Schmerle genoß. Und gegen den Wilden Mann, der das starke schwarzhaarige Volk heimsuchen sollte, das am nördlichen Fuße des Berges über fruchtbaren aber oft voll Ueberschwemmungen heimgesuchten Boden in hochbeinig auf Stöcken stehenden Häusern wohnte; setzten sie nur einen Bildstock; denn Riesen waren dumm und leicht zu schlagen.

Zu ihrem eigenen festen Sitze erkiesten die Benediktiner die fruchtbare Südseite des Berges. Sie wandelten das Schloß, das einst ein Kaiser errichtet und zum Andenken an guten Kampf Jechaburg, das ist Siegburg, genannt hatte, in ein Kloster um und erbauten eine große Kirche, für welche sie St. Peter als Schützer wählten.

Die schmiegsame Art der Thüringer fand sich bald in die neuen Verhältnisse. Und wenn sie auch murrten, da die heiligen Misteln all den Bäumen ausgereutet wurden – als dann auf den Holzäpfel- und Feldbirnbäumen die edlen, von den frommen Vätern darauf gepfropften Reiser süßes Obst trugen, lobpreisten sie. Sie folgten dem Rufe der Glocken, lernten christliche Zucht und Sitte, thaten geforderte Arbeit und brachten geheischte Abgaben dafür, daß die Verkünder der neuen Lehre ihnen einen Platz im Himmel vorbereiteten.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_188.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2018)