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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Wenn’s Minett in der Lydeschaft
Uff d’ Noochbers Büehn spaziert
Un heimkummt von der Wanderschaft
Verropft un alteriert,
Do haw’ i schon e Butzer g’faßt,
Wyl ich der Katz nit uffgepaßt.
Wenn d’ Katze sich verfüehre lon,
Diß hat nurr d’Magd gedoon.“

Mehrere Auflagen erlebte sein „Anno 1975“, ein Werk köstlichen Humors. Das Merkwürdige ist dabei, daß Erfindungen der Technik, welche der Verfasser 1875 bei der Niederschrift seines Buches in das Jahr 1975 verlegte, schon zehn Jahre nach der Abfassung fast genau so, wie er es vorausgesagt, ans Tageslicht traten. Alphons Pick betheiligte sich auch hervorragend an der Herausgabe der „Straßburger Bilder“, die, etwa hundert an der Zahl, in den siebziger Jahren erschienen und die Straßburger Verhältnisse in Wort und Bild mit vielem Humor geißelten. Pick schrieb seine Begleitstrophen stets in Straßburger Mundart, zu deren Auslegung er in seinem „Tollen Morgen“ ein besonderes Wörterbuch herausgab.

Im politischen Leben konnte sich Pick mehr als seine beiden poetischen Freunde bemerkbar machen; Als Abgeordneter hat er vielfach mit dem verstorbenen Statthalter Feldmarschall Manteuffel, wie mit dem derzeitigen Statthalter Fürsten von Hohenlohe-Schillingsfürst verkehrt. Ein Humorist und feiner Menschenkenner, wußte er in seinen Reden immer den Nagel auf den Kopf zu treffen. Offen stellte er sich auf den Standpunkt des Frankfurter Friedens und hielt es für ein Glück seines schönen Elsaßlandes, daß es dem Deutschen Reiche einverleibt worden war, er tadelte aber, wo er nur konnte, immer und immer wieder jene deutschen Heißsporne, welche die Bewohner des Reichslandes durch Strenge dem Deutschthum zuführen wollten. Oft genug hat er es ausgesprochen, daß durch eine weise Regierung, durch ein Eingehen auf die Sonderinteressen des elsässischen und lothringischen Volkes; durch eine harmonische Mitarbeit der Eingewanderten die Herzen viel rascher und sicherer für das Deutschthum gewonnen werden könnten. Er hat recht behalten, der Erfolg hat es gelehrt.

Wenn aber wir heute des Errungenen uns freuen, wenn wir mit Befriedigung sehen, wie der Zug zum großen Vaterlande drüben zwischen Rhein und Vogesen sich durcharbeitet zur Herrschaft über die Gemüther der so lange Entfremdeten, dann dürfen wir auch der wackeren Straßburger Meistersänger nicht vergessen, welche als treue Hüter das Kleinod der Muttersprache inmitten feindlichen Andrangs bewahrt, welche die heilige Gluth deutschen Geistes herübergerettet haben in die Tage, da eine neue helle Flamme sich an ihr entzünden konnte. Darum Ehre der braven Schar, Ehre den letzten Drei, die von ihr übrig geblieben!




Elsa.“

Eine Ehestandstragödie in Briefen. Von Ernst Wichert.

(1. Fortsetzung.)


7.

Wenn wir reich wären! Wir würden das Geld so gut auszugeben wissen. So von oben her. Als regnete es Goldstücke und jeder könnte sie aufheben. Morgen könnte man’s wieder regnen lassen, und alle Tage. Man müßte sich’s gar nicht schwer verdient, sondern eine große Erbschaft gemacht haben und noch über einige Erbonkel oder Erbtanten verfügen. Aus dem Vollen leben – es muß seinen Reiz haben!

Ein einziges Mal wenigstens ...

Ich hätte meine Epistel anders anfangen sollen. Nicht mit einer allgemeinen Betrachtung, die Dir ja doch unverständlich bleiben muß. Warum erzähle ich nicht lieber ganz nach der Ordnung, daß eben, als ich meinen letzten Brief geschlossen hatte, Edwin mit einem recht vergnügt schelmischen Gesicht ins Zimmer trat und etwas versteckt in der Hand hielt. Rathe einmal, sagte er, was ich hier habe. – Wie kann ich das rathen! Hast Du eine Fliege gefangen? Du bist sonst so ungeschickt. – Er lachte. Nicht eine Fliege, aber einen allerliebsten Schmetterling, der sich mir unvermuthet auf das Tintenfaß setzte. – Zeige doch, Schätzchen! Und da war’s – ein Hundertmarkschein. Wie gefällt Dir das?

Es mußte eine besondere Bewandtniß damit haben. Und die hatte es auch. Die hundert Mark waren das Honorar für ein Gedicht, das er vor Jahren einmal zu einem Wettbewerb eingeschickt hatte. Die Entscheidung war wiederholt vertagt worden und schien dann so vergeblich auf sich warten zu lassen, daß Edwin das Warten lieber ganz aufgegeben und die Sache gründlich vergessen hatte. Nun aber hatte sie nur durch allerhand Zwischenfälle einen Aufenthalt erfahren, Edwins Gedicht – übrigens bloß fünf oder sechs kurze Verse – war als Sieger hervorgegangen, und da flatterte nun der Preis in Form des blauen Scheins mit der Zahl Hundert als Lorbeerblatt auf seine Dichterstirn.

Schön gesagt, nicht wahr? Es war eine große Freude. Ich legte ihm wirklich das Blättchen aufs Haupt und tanzte um ihn herum, bis er mich närrisch schalt und in die Sofaecke drückte. Ein so ganz unverhofftes Glück! Das ist etwas. Nicht im Schweiß seines Angesichts erschrieben, gebucht und eingezogen, sondern wirklich wie ein goldener Schmetterling zugeflogen und gefangen. Wir wären über zwanzig Mark ebenso vergnügt gewesen. Es kam gar nicht auf die Summe an. Aber es waren doch hundert! Und hundert Mark, auf die gar nicht gerechnet ist, sind für uns keine Kleinigkeit. Wir brauchten so allerlei – noch einen Teppich, Portieren an zwei Thüren, einen Kronleuchter im Salon! Wähle etwas davon, sagte Edwin, Du sollst es haben. Und wenn Dich das Hütchen noch lockt –

Nein, nein! fiel ich ihm ins Wort, das war dummes Zeug

Freilich wohl, aber ...

Und da kam mir ein ganz schnurriger Gedanke. Und er mußte auch gleich heraus. Es ist möglich, daß mir auch ein bißchen die Fragen im Kopf nachspukten, die ich Dir soeben gestellt hatte. Da war ja nun gleich eine Gelegenheit ... Das Blut schoß mir in die Wangen. – Schätzel, ich hab’s!

Nun?

Wir wollen uns einmal einen vergnügten Tag machen. Aber einen ganz außerordentlich vergnügten Tag. Wie Leute, die es dazu haben, die Goldstücke rollen zu lassen. (Ich sagte nicht regnen, das wäre eine zu arge poetische Uebertreibung gewesen. Rollen klang aber auch recht voll.) So ein Glücksfall kommt nicht wieder. Mit so gutem Gewissen kann man nicht noch einmal leichtsinnig sein, und wenn das Honorar künftig nach Tausenden zählt. Ich habe mir’s schon immer ganz reizend gedacht, sich so eine kleine Komödie spielen zu können, als hätte man Himmel und Erde zu kommandieren. Es reicht ja nur für einen Tag, aber für den reicht’s allenfalls. Mir würde die Erinnerung an ihn bleibenderen Werth haben als irgend etwas Nützliches oder auch nur Halbnützliches, das ich mir für hundert Mark kaufen könnte.

Ich glaubte, er würde wild auffahren und mich eine arge Verschwenderin schelten. Aber ich hatte mich geirrt. Er war wirklich der Dichter, der ein Verständniß für eine solche Tollheit mitbrachte. Das ist ein prächtiger Gedanke, antwortete er lachend, und ich bin ganz dabei. Es ist, als ob wir in der Lotterie gewonnen hätten, da mag’s denn heißen: wie gewonnen, so zerronnen.

Du kannst Dir denken, daß ich sehr glücklich war. Wir kauften nun doch den Hut, damit ich bei dem kleinen Ausflug, den wir planten, recht hübsch aussähe. (Das sagte er selbst so.) Und es gehörte gewissermaßen auch in das Programm. Uebrigens auch einen allerliebsten Sonnenschirm von zartrother Farbe, der den Teint sehr vortheilhaft hob. Ganz im stillen verdroß es mich ein wenig, daß er sich so leicht hatte überreden lassen; mein Vornehmen, ihn auf die Probe zu stellen, was er mir wohl zu Liebe thäte, fiel dabei ganz unter den Tisch. Um hundert Mark freilich lohnte sich’s ja kaum. Nicht wahr?

Wir setzten gleich den andern Tag fest und machten ab, es würde unter allen Umständen gefahren, was auch für Wetter sei. Wir wollten uns durch nichts, was von außen käme, stören lassen. Am Morgen war der Himmel recht trübe, aber wir kleideten uns für den herrlichsten Sonnenschein an und verschmähten sogar die Vorsicht, uns mit Regenschirmen zu versorgen. Um die ganze Wahrheit zu sagen: das war so meine Anordnung. Uns bei solchem Vergnügen fortwährend mit Regenschirmen zu tragen, war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_160.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)