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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Gedichte erschienen in dem erwähnten „Dannbacher Wochenblatt“ gleichzeitig mit den Gedichten von Daniel Hirtz, Otte, Hartmann, Leser u. a. Fast alle zeichnen sich durch Frömmigkeit und Gottergebenheit, aber viele auch durch einen kernigen Humor aus. So besingt er die Freude am Dasein:

„O wie ist’s schön auf Gottes Erde!
Unglücklich, wer dies nicht erkennt,
Der seine Laufbahn nur Beschwerde,
Sein Dasein Last und Mühe nennt,
Der, der mit unzufried’nem Blicke
Sich mehr und immermehr begehrt,
Bleibt ewig fern vom wahren Glücke
Und wird auch dessen niemals werth.“

Im Jahre 1834 schrieb er das reizende Gedicht „Mein Stübchen“:

„Ich weiß ein Plätzchen in der Welt,
Ein einziges von allen,
Wo es mir frommt und mehr gefällt
Denn in Palastes Hallen.
Und dieses Plätzchen, eng und klein,
Bist, liebes Stübchen, Du allein!

Bereitet fürstlich euer Haus,
Ihr Reichen, ladet Gäste
Und ruht in Prunkgemächern aus
Vom Taumel froher Feste!
Mein Stübchen ist mein Alles mir,
Empfangssaal, Prunk- und Schlafquartier!“ u. s. w.

Dann ist es das liebe elsässische Heimathland, das ihn zu Gedichten begeistert. Mit Daniel Hirtz zusammen machte er Goethes Wort wahr, daß „die Straßburger leidenschaftliche Spaziergänger“ seien. Meist zogen die beiden zu Fuß in die Berge, mit einer Wurst und einem Stück Brot in der Tasche, und unterwegs wurden dann um die Wette Gedichte improvisiert. An trauten Winterabenden aber wurden die elsässischen Chroniken, besonders Königshoven und Herzog, eifrig studiert und mancher Zug poetisch verwerthet.

Wiederum gemeinsam mit Hirtz gab Hackenschmidt 1841 ein kleines Heftchen Gedichte zum Besten einer Erziehungsanstalt für arme Kinder heraus, das eine große Anzahl hübscher Leistungen enthielt, Hackenschmidt wurde später einer der Hauptleiter dieser segensreich wirkenden Anstalt, deren Verwaltungsrath er schon seit 1842 angehörte, wie er überhaupt durch einen schönen Wohlthätigkeitssinn hervorragt.

Daneben war er unermüdlich in seinem Geschäfte thätig. Das Hinterstübchen und der Laden waren Vereinigungsorte für alle Freunde der Dichtkunst; der alte Hackenschmidt saß da, im Schurz, mit einer Flechtarbeit beschäftigt, und um ihn und Daniel Hirtz sammelten sich Professoren, Pfarrer, hohe Beamte. Sein Geschäft wurde allmählich zur Fabrik erweitert; vor acht Jahren übertrug er es seinem Sohne.

Gerne erzählt Hackenschmidt aus alten Zeiten und in den letzten Jahrgängen verschiedener Straßburger Kalender sind reizende und anmuthige Jugenderinnerungen von ihm zu lesen. Wie Daniel Hirtz schrieb auch er Volkserzählungen, immer in deutscher Sprache; so „Die Judengasse in Straßburg“, „Die Waldenser in Straßburg“, „Die Reformation in Straßburg“. Eine von ihm verfaßte Biographie der Louise Scheppler, der treuen Gehilfin Oberlins im Steinthal, der Begründerin der Kleinkinderschulen, wurde in Basel mit einem Preise gekrönt. Verschiedene Gedichte in Straßburger Mundart sind im „Elsässischen Schatzkästelein^ gesammelt.

Bemerkenswerth dürfte noch sein, daß das Haus, in welchem Hackenschmidt wohnt und sein Geschäft betreibt, nach Ueberlieferungen aus Volksmund dasjenige ist, in welchem Goethe seinen Mittagstisch hatte. Es soll hier unerörtert bleiben, ob es dieses Haus oder, wie andere behaupten, ein solches in der Knoblauchgasse war; Hackenschmidt jedenfalls nahm an, sein Haus sei das richtige, und er errichtete dem Andenken Goethes in dem Hofe des Hauses einen hohen und geschmackvollen Denkstein, welchem er folgende Inschrift gab:

„Der große Meister Goethe ist
Allhier zu Tisch gewesen
Und hat wie jeder andere Christ
Supp’, Fleisch, Gemüs’ gegessen.
Wie fröhlich klapperten Gabel und Messer!
Das Essen war gut, der Witz war besser.

Er hat uns Straßburger werth gehalten,
Drum ehre wir ihn auch, den Alten.“

Auch Hackenschmidt hat durch seine Wirksamkeit ein gut Theil dazu beigetragen, daß die deutsche Sprache im Elsaß nicht unterging, und so sang er mit voller Ueberzeugung:

„Deutsch singen wir:
Es ist die Sprache,
Die unsre Mutter uns gelehrt.
Wir kennen deren hohen Werth,
Der wichtiger mit jedem Tage,
Wir wollen’s unsern Kindern lehren
Mag auch der Zeitengeist es wehren.“

Dies schrieb er 1845. Der „Zeitengeist“ hat ein Einsehen gehabt und das Bestreben der elsässischen Dichter mit Erfolg gekrönt. Hackenschmidt hat sich denn auch nach 1870 sofort mit ganzer Ueberzeugung auf die deutsche Seite gestellt, ohne indessen mit seiner Person weiter hervorzutreten.


3.

Der dritte der noch lebenden elsässische Dichter aus alter Zeit ist der ehemalige Abgeordnete Alphons Pick, ein Mann, der nach einem Leben voll treuer Pflichterfüllung sich in die Stille zurückgezogen hat und nur noch durch seine Wohlthätigkeit hervortritt. Ab und zu läßt er aber doch noch seiner Reimkunst freien Lauf und vor wenigen Wochen erst übergab er mir einige kurze Gedichte, die letzten, die er gefertigt hat.

Alphons Pick wurde zu Straßburg am 4. Juni 1808 geboren. Auch er besuchte das protestantische Gymnasium und später die oberen Klassen des damaligen Collège royal. Er wollte Jura studieren, sattelte aber üm und widmete sich der damals rasch aufblühenden Eisenindustrie. Er gründete mit seinem Schwager, dem ehemaligen Reichstagsabgeordneten Alfred Goldenberg, in Zabern eine Werkzeugfabrik, die er jahrelang leitete, die jetzt noch blüht und an der er zur Zeit noch betheiligt ist. Seine Straßburger Mitbürger wählten den allgemein beliebten und geachteten Mann zuerst in den Bezirkstag und nachher in den Landesausschuß, dessen Alterspräsident er jahrelang war. Im Jahre 1887 zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück.

In allen seinen im Laufe der Jahre erschienenen Dichtungen wird man durch einen gesunden, wenn auch hie und da etwas derben Humor angeheimelt, ohne daß es doch an sinnigen Zügen fehlte. Dafür zur Probe eines jener jüngst entstandenen kurzen Gedichte in elsässer Mundart:

„Wie thuet doch vor der Sternepracht
Der Mensch so klein do stehn,
Der schwachi Mensch, där allewyl
Vor Hochmueth will vergehn.

Un wenn in der Unendlikeit
Unzähl’ge Wese leve
So-n-isch d’ hoechst Herrschaft uff der Erd
E-n-Anleis nur derneve.“

Eine große Anzahl Gedichte ließ er im Elsässer Wochenblatt erscheinen, so seine Ballade „Walther von der Vogelweide“, „Die Glieder und der Magen“, „S’ Klaaulied (Klagelied) von ere Gans“. Hübsch sind auch seine Uebertragungen und freien Bearbeitungen von Longfellowschen Gedichten, die er in Straßburger Mundart umgoß. Das im Jahre 1865 in Badenweiler verfaßte Lied „An eine Koblenzer Dame“ ist weithin bekannt geworden. Auch das Lied „Menschenfrieden“ wurde vielfach in Kalendern nachgedruckt. Die beiden ersten Strophen mögen hier zur Charakterisierung der Art des Gedichtes Raum finden!

„Sicher hast du schon empfunden
Jene flücht’ge Seligkeit,
Wenn, von jeder Last entbunden,
Sich dein Herz des Lebens freut.

Leichter ist’s dir im Gemüthe,
Alles scheint in heit’rem Licht,
Wonne weht dich an und Friede,
Und warum? Du weißt es nicht!“

Sein Lustspiel „Der tolle Morgen“, wiederum in elsässischer Mundart, ist nach Arnolds „Pfingstmontag“ das verbreitetste und bekannteste im Elsaß. Das der Dienstmagd „Selmel“ in den Mund gelegte Klagelied ist so lustig, so echt dem Leben abgelauscht, daß wenigstens einige Strophen daraus hier wiedergegeben werden sollen:

„Jo wayer, isch’s ken Kleinikeit,
E-n-armi Magd ze sinn.
Viel Müeih un Aerwet, wenni Freud
Un boower (pauvre) der Gewinn.
Un wenn ebbs Dumm’s zuem Vorschyn kummt,
So-n-isch’s glych d’Magd, un d’Madam brummt:
Ihr könne-n-euch ganz druff verlon,
Diß het nurr d’Magd gedoon.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_159.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2020)