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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

von Bayern angefertigt wurden. Hirtz erzählt: „Meister Engel gab wöchentlich ein- oder zweimal einem Bruder des Kronprinzen Unterricht in der Drechslerkunst, der eine Drehbank im königlichen Palais hatte, wo sein Lehrmeister gewöhnlich in den Abendstunden sich hinbegab und bei seiner Zurückkunft sehr die Artigkeit und das leutselige Betragen des Königssohnes rühmte.“

Nach der mir gewordenen Mittheilung des Dichters soll es der nachmalige Kaiser Wilhelm I. gewesen sein, der in seinem dreißigsten Lebensjahre noch das Drechslerhandwerk kennenlernen wollte.

Auf seiner ganzen Wanderschaft ließ Daniel Hirtz seiner Poesie freien Lauf. In Hildesheim dichtete er die Volkssage „Der Dom zu Hildesheim“, in Köln „Die Bischofswahl“, die in der „Didaskalia“ erschien. So wanderte er von Ort zu Ort, vom Norden Deutschlands hin nach Paris. Und als er endlich heimkehrte, da übernahm er die Werkstnbe seines Vaters und heirathete ein Nachbarskind. Neben der Tagesarbeit im Handwerke bildete eine rege schriftstellerische Thätigkeit seine Erholung. Er schrieb und veröffentlichte unter großem Beifall folgende Erzählungen „Der Flüchtling“ (1834), „Religion und Fanatismus“, dann „Des Drechslers Wanderschaft“ (1844), „Der Jacobstag“ (1838 und 1842, „Der Odilienberg“ (1839), „Die Kurbengasse in Straßburg“, „Der Bauernkrieg“, „Die Reichsacht“ u. a. m. Im Jahre 1849 übernahm Hirtz die Redaktion des „Hinkenden Boten am Rhein“ und führte dieselbe 37 Jahre lang. Jedes Jahr erschienen neue Gedichte von ihm, und stets ließen sie einen frischen Sinn und einen hohen Geist erkennen. Er erhielt 1849 eine Stelle im Konsistorium der Kirche Augsburger Konfession und zog sich vor einigen Jahren in sein Urgroßvaterstübchen zurück.

Die Bedeutung des eigenartigen Mannes als Dichter und Meistersänger ist allgemein anerkannt. Seine vaterländischen Gedichte legen Zeugniß ab für seine echt deutsche Gesinnung. Keines aber hat eine solche Wirkung gethan wie sein berühmtes Münsterlied. Am 24. Juni 1839 waren 400 Jahre verflossen, seit das hehre Denkmal Erwins von Steinbach, das Münster Straßburgs, vollendet wurde. 425 Jahre früher hatte Bischof Wernher I. die Wiederaufbauung des 1007 durch den Blitz zerstörten Doms anfangen lassen. Straßburgs Bürgerschaft wollte diesen 400. Jahrestag würdig feiern, und ganz in der Stille hatte sich ein Häuflein Bürger zusammengefunden und war zur Plattform des Münsters hinaufgestiegen an den Fuß des Thurmes. Aber bald waren es Hunderte, die sich bis auf die Galerien drängten. Musikstücke ertönten, Gedichte wurden aufgesagt, und unten, auf dem Münsterplatz, da schwoll die Menge an und Heilrufe tönten zu der Festversammlung empor. Die aufrichtige und herzliche Fröhlichkeit steigerte sich zur Begeisterung, als Daniel Hirtz sein Gedicht „Das Münsterjubelfest“ vorlas. Es entfesselte einen Sturm der Entrüstung in allen größeren französischen Zeitungen, und als vor wenigen Jahren sein Sohn, Daniel Hirtz, ehemaliger französischer Offizier und nachheriger deutscher Rentmeister, starb, da frohlockten wieder die französischen Zeitungen und sagten den Verfasser des Münstergedichtes tot. Aber noch lebt er und noch der Geist, der aus ihm sprach! Nur zwei Strophen seien hier wiederholt:

„Ja, du bist unser, Zeuge frommer Zeiten,
Du bleibest Straßburgs unerreichter Dom!
Des Rheinthals Riese! Dich, dich muß beneiden
Die Peterskuppel selbst im stolzen Rom.
Du bleibest unser! Zu dem Seinestrande,
Zur Königsstadt zieht dich kein Machtgebot,
Entführt dich nicht dem alten Vaterlande,
Dem treu du bleibst in Freuden und in Noth.

Du bleibest unser! Schaust als treuer Hüter
Zum Schwarzwald gern, gern zum Vogesenkranz;
Begeisternd flammt bei deinem Anblick wieder
Der deutschen Ahnen lichter Ruhmesglanz;
Der freien Väter, die voll Muth gefochten
Für Recht, für Freiheit, für den heim’schen Herd,
Die kühn des Sieges Lorbeerkränze flochten,
Mit jeder Schlacht auch Straßburgs Ruhm vermehrt.“

Eine Sammlung seiner Gedichte gab Hirtz 1846 heraus, und Professor Dr. Bruch, der erste Rektor der Kaiser Wilhelms-Universität in Straßburg, schrieb das Vorwort dazu. Wie schlicht singt der Dichter:

„Wär’ ich so ein reicher Mann,
Der aus Zinsen leben kann,
Da wollt’ ich erst dichten!
Oftmals steckt mir ’was im Kopf,
Aber ach! mich armen Tropf
Fesseln Arbeitspflichten.“

Hirtz wurde auch noch bei anderen öffentlichen Festen wie bei der 499jährigen Gutenbergfeier, bei der Einweihung des Kleberdenkmals etc. gerne von seinen Mitbürgern aufgefordert, die Prologe zu dichten, und alle diese Gedichte sind von warmer Liebe zum deutschen Vaterland durchdrungen, die nicht wenig zur Erhaltung des Deutschthums in Straßburg und im Elsaß beigetragen hat. Das letzte Gedicht verfaßte Hirtz bei der Hochzeit seiner Enkelin Marie Griesinger, der Tochter des Pfarrers in Colmar, die ihm jetzt schon vier Urenkel geschenkt hat. Er sang:

„Großvater, werde wieder jung,
Ermanne Dich zum kühnen Schwung,
Laß einen Spruch erklingen!
Willst ihn mit selbstvergnügtem Sinn
Dem Enkel und der Enkelin
Zum heitern Brautfest bringen.“

Mit Uhland, Justinus Kerner, Zschokke stand Hirtz in regem Briefwechsel, und die Genannten haben den Straßburger Meistersänger selbst in seiner Drechslerstube aufgesucht. Als im Jahre 1848 der Sohn Justinus Kerners, Theobald Kerner, als politischer Flüchtling nach Straßburg kam und sich, schwer erkrankt, in dem damals noch vorhandenen Gasthof „Zum Rheinischen Hof“ versteckt hielt, da konnte Hirtz ihm behilflich sein, sich seinen Häschern zu entziehen. Wohl wurde Theobald Kerner einige Zeit später im Württembergischen doch noch verhaftet und auf Hohenasperg eingesperrt. Justinus Kerner aber hat Hirtz die unter ganz besonders schwierigen Umständen bewirkte Unterstützung seines Sohnes nie vergessen. Er sandte dem Straßburger Dichter im Jahre 1849 sein Porträt, das noch heute das Urgroßvaterstübchen ziert.

Daniel Hirtz hat sich von jeher als ein einfacher Mann aus dem Volke gegeben. Sein ganzer Stolz liegt immer in der Thatsache, daß er, als einfacher Bürgerssohn, als ein echter Handwerker, dem Nürnberger Meistersänger Hans Sachs ähnlich, es so weit gebracht hat, mit den besten Volksdichtern des Elsaß, den gelehrten Stöber, Vater und Söhne, auf gleiche Stufe gestellt zu werden. Er sieht es gerne, wenn man seine echt deutschen Gesinnungen anerkennt, Gesinnungen, welche er in dem von ihm bis vor wenigen Jahren redigierten Kalender in Gedichten und Aufsätzen kund gab, und oft betont er, wie er sich freue, des Deutschen Reiches neue Herrlichkeit noch erlebt zu haben und in ihr das neue Morgenlicht seines engeren Vaterlandes und besonders Straßburgs erblicken zu dürfen.

In heiterer Fassung erharrt der greise Dichter seines Lebens Ende. Mögen noch manche frohe und sonnige Tage es ihm weit entrücken. In seinem Stübchen, seinem Lager gegenüber, hängt ein welker Lorbeerkranz, den Professoren von der Kaiser Wilhelms-Universität ihm vor mehreren Jahren gespendet haben.


2.

Mit Christian Hackenschmidt arbeitete Daniel Hirtz mehrfach zusammen in Zeitschriften und an Broschüren. Christian Hackenschmidt wurde am 20. Mai 1809 in der Großen Stadelgasse in Straßburg geboren. Sein Vater war Posamentier, der Großvater stammte aus Regensburg und war als Handwerksbursche nach Straßburg gekommen. Die Geburtsstätte Hackenschmidts liegt in einem der ältesten Theile der Altstadt, der damals durch die schmutzigen Fluthen eines Ill-Arms in zwei Hälften getheilt wurde und jetzt noch durch das Gewirr enger Gassen und hoher überhängender Häuser einen romantischen Eindruck macht. Aber in den sonnenlosen Winkeln wohnte damals eine Bevölkerung, die den alten biedern Straßburger Bürgersinn durch die Revolution hindurch gerettet hatte. Auch Hackenschmidt besuchte das protestantische Gymnasium, das damals noch ein ganz deutsches, freilich zugleich etwas spießbürgerliches Gepräge trug. Er war ein guter Schüler und hätte gern studiert, aber der Vater fand, es gehe nichts über ein gutes Handwerk, und that ihn zu dem Korbmachermeister Maurer in die Lehre. Das kostete den strebsamen Knaben viele Thränen! Allein er fügte sich dem Willen des Vaters und arbeitete sich bald zum geschickten Gesellen empor. Später übernahm er das Geschäft und brachte es in großen Schwung.

Des Abends tröstete ihn schon in seinen frühesten Lehrjahren die Dichtkunst über die Prosa des Geschäftslebens. Seine

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