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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

hinschreiben soll, aber ich schreibe es hin – und herzlos. Wenn sie wohlthut, bedenkt sie nur sich. Ich kenne sie aus dem Verhältniß zu den Untergebenen ihres Mannes. Da hätte die reiche Frau vollauf Gelegenheit, Sorgen zu verscheuchen, Thränen zu trocknen. Aber wer sieht das als der liebe Gott! Und für den strengt sie sich nicht an. Es geschieht in dieser Richtung nichts. Ich darf sagen: weniger als nichts, und das wird wieder ein positives Etwas, das in die Wagschale fällt.

Sie hat es verstanden, ihren Mann zu bewegen, ihr einen bestimmenden Einfluß auf das Geschäft einzuräumen. Es spielen da die niedrigsten Rücksichten mit. Der Chef hat zwei Eigenschaften, die einen reichen Mann leicht hindern können, noch reicher zu werden. Er besitzt gewisse idealistische Neigungen, die sich seinem Unternehmen zuwenden, sobald dessen künstlerische Ausstattung in Frage kommt, und er ist gutmüthig. Das nennt er seine Schwäche, nach Ansicht der Frau mit Recht. Es ist ihr gelungen, ihn zu überzeugen, daß er gut dabei fährt, wenn er ihr die Entscheidung in Fällen überläßt, wo sein Kunsteifer und sein gutes Herz zu Ausschreitungen geneigt sein könnten. Sie urtheilt da so kühl, daß sie nicht leicht über das Nothwendige, den Umständen nach Anständige hinausgehen wird. Er korrigiert sie mitunter, aber doch in nun schon engen Grenzen. Läßt er’s auch nicht bis zu geizigem Versagen kommen, so verschanzt er sich doch bei dringenderen Anforderungen gern hinter seiner Frau. Und was ist die Folge? Die tüchtigeren Arbeiter darben, die gewissenlosen schweifwedeln. Die gnädige Frau hat sich mit der Zeit einen kleinen Hofstaat herangezogen. Da sind Weiber, die ihr geschäftig zum Munde reden, allerhand Klatsch hinterbringen, beständig die Hände lecken – ah! es ist ein widerwärtiges Schauspiel.

Und dem allen wird ein Mäntelchen übergehängt, das die schiefe Figur verdecken soll, für die meisten auch wirklich verdeckt. Ich habe leider scharfe Augen. – U. s. w.!




6.

Neulich habe ich, wie mir einfällt, die Hauptsache gerade vergessen. Ich mag recht viel unnützes Zeug geschwatzt haben – wie wir, mein Mann und ich, zu der bedenklichen Dame stehen, hast Du doch nicht erfahren. Mein Mann freilich, der ist einer von den Begnadeten, die ewig im Stande der Unschuld wandeln; er könnte durch ein Jammerthal hinschreiten, auf dessen dürrem Boden sich die Nattern ringeln, und würde doch nur über sich nach dem blauen Himmel sehen. So etwas ficht ihn gar nicht an, er geht gerade durch und ärgert sich wohl gar, wenn man ihn warnt. Gott, er ist so ... ich finde keinen Ausdruck. Denn vertrausam ist nicht genug. Na, kurzum – er gehörte auch einmal zu denen, die ausgesucht wurden. Ich weiß nicht, ob Frau Hermia seine Gedichte gelesen hat, aber sie lagen in Goldschnitt auf ihrem Tischchen, neben der Chaiselongue, und von Edwin sprach alle Welt. Er wurde daher mit Aufmerksamkeiten überhäuft, bis er als neuer Stern auch in ihrem Salon aufging. Er war so leicht zu fangen! Und seine ungewöhnliche Art, aus seiner Person gar nichts zu machen (obgleich er, unter uns gesagt, nicht nur schöne Augen hat!) – ich vermute, gerade diese himmlische Unbefangenheit reizte sie, sich liebevoll seiner anzunehmen. Ich habe sie im Verdacht, in ihn verliebt gewesen zu sein – zu der Zeit, Toni, wo ich in seinen Band Gedichte verliebt war, und vermuthlich noch darüber hinaus. Das ist auch der Grund, weshalb sie zu seiner bürgerlichen Versorgung so willig die Hand bot und nicht einmal wegen des Gehalts feilschte. Ich rühmte damals ihre noble Gesinnung: Sehr bald sind mir die Augen aufgegangen.

Bilde Dir doch nur nicht ein, daß ich eifersüchtig bin! Kein Gedanke daran. Du kennst eben Edwin nicht. Wie kalt ihn diese Flamme ließ, beweist doch am besten die Thatsache, daß er sich mit mir verlobte, und nie hätte er eine Stellung in diesem Geschäftshause angenommen, wenn er sich bewußt gewesen wäre, sie der persönlichen Gunst dieser Dame zu verdanken. Was mich wundern, aber noch lange nicht beunruhigen kann, ist nur, daß ich ihn fast blind gegen ihre – Schwächen (ich brauche den mildesten Ausdruck) sehe, und daß es ihm ein offenbares Unbehagen verursacht, wenn ich ihn aufzuklären bemüht bin. Das ist doch meine Schuldigkeit, nicht wahr? Es ist, als ob er nicht sehen wollte. Er meint – wenn er sich überhaupt einmal herabläßt, in Bezug hierauf etwas zu meinen - in seinem Verhältniß zu den Leuten tue er am besten, sich nicht den Geschmack an ihnen zu verderben; sei er’s einmal eingegangen, so habe er nun auch die Pflicht, es sich und ihnen nicht zu verleiden. Was man nicht ändern wolle, müsse man auch in den Grundlagen unangetastet lassen.

Er hat gut reden, der liebe Mann. Ihn beehrt Frau Hermia auch jetzt mit ihrer freundschaftlichen Neigung. Mich aber ... Siehst Du, da kommen wir nun auf den eigentlichen Punkt! Ich bin doch Edwins Frau und abgesehen davon eine Dame, die sich neben jede ihres Umgangskreises stellen kann. Es ist aber, als ob sie mich nicht für voll ansieht, weil ich ... nun eben weil ich Edwins Frau bin, ich weiß sonst keinen Grund. Er gilt ihr noch heute als der gefeierte Schriftsteller, der zufällig auch der Redakteur eines von ihrem Manne herausgegebenen Blattes ist; ich aber bin nur die Frau dieses Redakteurs, eines Untergebenen, eines abhängigen Menschen. Mein Himmel, sie kann ja nicht umhin, mich einzuladen und wie eine Dame der Gesellschaft zu behandeln. Mit welcher gnädigen Herablassung das aber geschieht, wie sie mich immer in gemesselner Entfernung zu halten bemüht ist, wie sie, wenn sie uns begegnet, über mich hinwegzusehen versteht, um Edwin vertraulich zu grüßen, wie sie mir Geschenke macht, die ich nicht abweisen kann, obgleich sie eigentlich ihm gelten – es gehört nicht einmal mein Feingefühl dazu, in alledem den verletzenden Ausdruck stolzer Ueberhebung zu sehen. Sie verbraucht ja freilich für ihre Handschuhe jährlich mehr als ich für meine ganze Garderobe, sie spricht mit mir besonders gern von ihren Pariser Hüten und Brüsseler Spitzen und gemalten Fächern, und das in einem Ton: wer da nicht mithalten kann, ist ja eigentlich ein Lump und gehört nicht in meine Salons; du wirst ja auch nur gelitten, weil du als Frau deines Mannes nicht übergangen werden kannst, aber klüger wär’s, du bliebest zu Hause! Ich habe mir anfangs wirklich redliche Mühe gegeben, meine Abneigung zu überwinden und einen geselligen Verkehr ungefähr auf gleichem Fuß herzustellen. Aber gerade das hat sie, wie ich glaube, gegen mich aufgebracht. Sie weiß sehr gut, worin ich ihr überlegen bin, und will mir keine Gelegenheit zu einer Ausgleichung geben. Ich soll nichts als ihre gehorsame Dienerin sein. Aber sie irrt. Ich werde lieber ...

Diese drei Punkte mögen hier an Stelle einer hellen Lache stehen, die ich unwillkürlich ansschlug, als ich mich irgend eine schreckliche Drohung niederzuschreiben anschickte. Manchmal bin ich wirklich innerlich so aufgebracht, daß ich mir allerhand Fürchterliches zusammendeute, was ich eher thun könnte, als dieser Frau die Schleppe tragen. Wie man ja auch unsinniges Zeug träumt! Es kommt vor, daß ich mit ihr in Gedanken lange Zwiegespräche ganz theatralisch wie etwa Maria Stuart mit Elisabeth, und ich glaube sogar, auch in fünffüßigen Jamben über Frauenrecht und verwandte Materien halte und sie mit Worten in den Staub donnere. Gewiß ein sehr unschuldiges Vergnügen. Ich lache mich dann auch ganz tapfer selbst aus. Mein Mann will nichts davon hören. Die gute Frau fühle sich beklommen mir gegenüber, behauptet er, und suche sich durch ein bißchen Steifnackigkeit, Hochmuth und Protzenthum Luft zu schaffen; man dürfe sie gar nicht ernst nehmen. Ich wollte, ich dürfte sie auch nicht spaßhaft nehmen. Das kostet immer so viel Anstrengung, und es ist wohl um nichts. Sie ist mir nun einmal zuwider wie eine Spinne oder sonst ein garstiges Thier; es bewegt sich etwas in mir, wenn ich nur an sie denke. Und das Lachen vorhin, wo die drei Punkte stehen, kam auch gar nicht so recht aus dem Herzen. Dir kann ich es ja anvertrauen.

Noch eine wichtige Frage vor Thoresschluß! Giebst Du mir nicht recht, daß ein Mann, der seine Frau liebt – aber wirklich liebt in der verwegensten Bedeutung des Worts! – daß der seiner Frau eine Bitte, auf der sie besteht, unter keinen Umständen abschlagen darf? Ich sage: eine Bitte, auf der sie besteht! Darf sie behaupten: Du liebst mich nicht, wenn Du nicht dieses eine Mal gegen mich schwach bist? Ueberhaupt, wenn Du nicht gegen mich auch schwach sein kannst? Macht es irgend einen Unterschied, ob die Bitte in solchem Falle gescheit oder dumm ist? Ist nicht gerade die unklügste der beste Probestein? Und sagt er damit irgend etwas, wenn er antwortet: Versuch’s lieber nicht? Wie stellst Du Dich dazu?



(Fortsetzung folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_147.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2016)