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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Schauspieler entwarf und einem Ziele nachstrebte, welches neuerdings die Deutsche Bühnengenossenschaft glücklich erreicht hat. Nachdem er lange krank gewesen, starb er am 16. Juni 1778. Schon am Tage darauf veranstaltete die Gothasche Hofbühne eine Trauerfeierlichkeit zu seinen Ehren.

Widerspruchsvoll sind die Urtheile über den bedeutenden Künstler auch von berufener Seite; aber die Thatsache, daß er seinerzeit der berühmteste deutsche Schauspieler war, steht unwidersprechlich fest. Der erste Eindruck, den seine Erscheinung außerhalb der Bühne machte, war eine Enttäuschung – und das war selbst in seinen besten Jahren der Fall. Auch Ackermanns Stiefsohn, der berühmte Schröder, war zuerst der Ansicht, daß Ekhof schwerlich den Erwartungen entsprechen werde, die sein Ruf erweckte; doch er wurde rasch bekehrt und einer seiner wärmsten Verehrer. In späteren Lebensjahren vernachlässigte Ekhof sein Aeußeres noch mehr; er ließ sich hängen und hatte einen watschelnden Gang. Kotzebue erzählt, in einem schlichten Rocke, einer ungekämmten Perücke und höchst anspruchslosen Ganges sei der unbegreifliche Mann vormittags um 10 Uhr nach den Proben gewandert, der abends, wenn er als König oder Minister auf die Bühne trat, zum Herrscher geboren schien. Oft mochten unter der ungekämmten Perücke wohl auch die eigenen kurz abgeschnittenen Haare struppig hervorschauen; „die ungeheuren Ballen seiner Füße zu verdecken, fiel ihm selbst auf der Bühne nicht ein“. Und doch bedurfte er, um als Künstler zu wirken, nicht der Masken und Kostüme und des Glanzes der Theaterlampen. Als die Berliner Buchhändler Nicolai und Mylius, deren Zeit in Weimar kurz gemessen war und die Ekhof nur in der einen Rolle des „Odoardo“ gesehen hatten, sich gern an weiteren Proben seiner Kunst erfreuen wollten, machten sie ihm in Begleitung des Märchendichters Musäus in früher Morgenstunde einen Besuch. Ekhof empfing sie in Schlafrock und Nachtmütze, und sie erschraken über den tiefen Ausdruck des Kummers auf seinem Gesicht, auf dem der Gram über den Irrsinn seiner Gattin lag. Er setzte seine Brille auf und trug einen schwunghaften Monolog aus Cronegks „Codrus“ vor, und zwar so schön, daß die Hörer Nachtmütze und Schlafrock vergaßen. Dann ließ Ekhof die Scene des Wiedersehens des greisen Lusignan mit seinen Kindern folgen. Statt der Kinder standen zwei alte Stühle da, die Ekhof umarmte; den Hörern liefen die Thränen über die Wangen. Da sprang Ekhof auf, warf den Schlafrock ab und spielte eine Scene aus dem plattdeutschen „Bauern mit der Erbschaft“, welche die heiterste Wirkung ausübte. Nicolai schied als Ekhofs begeisterter Verehrer.

Ekhofs Hauptvorzug bestand in einer Stimme voll unnachahmlichen Wohllauts, der nie ein Herz widerstanden hat; Schröder rühmt seine unübertreffliche Meisterschaft auf dem ihm eigenthümlichen Gebiete vollendeter Deklamation. „Ekhofs Redegewalt,“ sagt Iffland, „trug ein Organ von donnernder Kraft, das bis heute ohnegleichen ist auf der Bühne“. Sein Mienen- und Gebärdenspiel war ausgezeichnet. Lessing feiert seine Leistungen, und glänzend ertönt Ifflands Lob, obschon dieser nur noch „schöne Reste“ von dem Künstler sah; er rühmt ihm nach „allmächtige Wahrheit in edlem Gewande, tiefste Wirkung durch die einfachsten Mittel“. „Er konnte immer Thränen fließen machen, wenn er wollte“. Er sei ein „vortrefflicher Redner“ gewesen, nicht nur ein guter Deklamator. Jener müsse mehr sein als dieser, müsse selbst überzeugt sein, auf seinem Angesicht müsse die Gedankenfolge vor dem Hörer entstehen, sein lebendiger Athem den Geist der Sache der Ueberzeugung des Hörers wohlgefällig machen. „Ein Redner dieser Art war Ekhof, und das konnte er nicht ohne Genie, ohne Bildung und Feinheitssinn; nie erkältete leere Pracht des Redners den Hörer. Prosaischem Dialog gab er das Leben der guten Gesellschaft.“ Sein Richard III. in Weißes Stück, sein Kanut, sein Essex waren glänzende Rollen, am glänzendsten sein Odoardo in „Emilia Galotti“. Kotzebue, Nicolai, Schink, Engel waren von dieser Leistung begeistert, die eine wunderbare Wirkung ausübte. „Was auf Odoardo-Ekhofs Stirn wühlte,“ sagt Schink, „was in seinen Augen rollte, auf seinen Wangen glühte, in allen Bewegungen seines Körpers zitterte – das kann kein Pinsel, kann der feurige Ausdruck nicht malen. Seine Töne des erstickten Zorns, der knirschenden Wuth, des zusammengebissenen Schmerzes, sein Lachen der Verzweiflung – wer kann es malen! Sein ‚Doch, doch, meine Tochter!‘ – nie ist es wieder in eines Schauspielers Seele, in eines Schauspielers Mund gekommen.“

Wohl haftete dem Künstlerbild Ekhofs auch manche Schatten an, Schatten, wie sie allerdings vielen großen Künstlern eigen sind. Er konnte nie genug spielen. Als Komiker trug er die Farben oft zu grell auf und erniedrigte sich im Niedrig-komischen zum Pickelhering, entstellte oft sein Angesicht zur scheußlichsten Fratze und schuf Zerrbilder. Die Kunst, sich selbst zu belustigen und andere zur Fröhlichkeit fortzureißen, die sprudelnde Laune war ihm versagt. Im Alter, wo er ein ausgezeichneter Darsteller von Väterrollen war, wollte er noch immer junge Liebhaber und Lebemänner spielen, und man neckte immer den alten steifen Mann. Auch sein Tellheim war verfehlt. Selbst vor den sogenannten Schauspielerkunststücken scheute er nicht zurück; in Voltaires „Zaire“ leistete er das Unglaubliche, zugleich den Vater der Heldin, den achtzigjährigen Lusignan, und ihren jungen Geliebten Orosman zu spielen. Im Alter ließ ihn bisweilen das Gedächtniß im Stich. Einmal blieb er in der Väterrolle des „Zweikampfes“ so stecken, daß er ganz den Kopf verlor und den Souffleur auf offener Bühue ausschalt zur größten Bestürzung der Mitspieler und des Publikums. Gleich darauf riß er wieder durch sein Spiel alle zu Thränen hin.

Aber trotz alledem bleibt Ekhof ein großer Künstler und Förderer deutscher Bühnenkunst, dem dauernder Nachruhm gebührt.




Das neue Haus des deutschen Reichstages.


Vor dem geschichtlich und künstlerisch denkwürdigen Brandenburger Thore zu Berlin, etwas zur Seite liegend, breitet sich der größte und vornehmste Platz der Reichshauptstadt aus, der Königsplatz. Wundervoll ist seine Lage. Wald umgiebt ihn von zwei Seiten, die Häuserreihe der Stadt von einer dritten, und die vierte Seite öffnet sich breit auf einen Ausblick, in dem sich monumentale Bauten und Quais mit einer großartigen Brückenanlage zusammenschließen.

So bevorzugt die natürliche Lage dieses Platzes ist, so wenig hatte bis vor kurzem die Kunst gethan, ihn zu schmücken. Architektur, Bildnerei, Gartenbau waren wie geflissentlich an diesem herrlichen Stückchen Freiland mitten in der Häuserwüste der Großstadt vorübergegangen. Es war, als ob sie fürchteten, daß dieser Platz zu große Aufgaben an sie stellen könnte. Von alters her lag an der Westgrenze ein Theater- und Gartenanwesen von bescheidener Ausdehnung, ein Wahrzeichen des alten Berlins, das Krollsche Theater. Ehemals galt es als eine Zierde dieser entfernten Gegend, die braven Berliner pilgerten hinaus zu ihm, an Sonn- und Feiertagen, wie nach einem grün umhegten Bierdorf der Umgegend. Heute, da längst die Riesenstadt sich kilometerweit über diesen Punkt hinausgeschoben hat, steht das „Krollsche“ noch da in all seiner Kleinheit, seiner ehemals klassisch, heute ärmlich genannten Schlichtheit, erdrückt von den Bauten neben und hinter sich, erdrückt von den Bäumen, und auf dem großen Platz sich ausnehmend wie eine steingewordene Erinnerung an die Bescheidenheit vergangener Zeiten.

Dem Krollschen Theater gegenüber, an der Ostgrenze des Königsplatzes, stand ein Bau, der jenem völlig entsprach. Das war das Raczinskische Palais, das in den Fremdenführern immer mit einer gewissen Hochachtung genannt wurde, nicht wegen seiner dürftigen Architektur, sondern wegen der darin aufbewahrten recht ansehnlichen Gemäldesammlnug des Grafen Raczinski.

Nach dem siebziger Kriege fing man an, den Königsplatz mehr zu berücksichtigen. Aber die Versuche, ihn zu schmücken, fielen kläglich genug aus. Das Generalstabsgebäude, ein formloser Backsteinbau, der auf der Nordwestecke aufgestellt wurde, hob die westliche Einfassung um keine Linie über den seitherigen unkünstlerischen Eindruck. An der Nordseite erlaubte man, daß sich die Straßen mit ihren stillosen Privatbauten ungehindert bis in den Platz hineindrängten, und so ließ man es geschehen, daß für unabsehbare Zeit die einheitliche künstlerische Gestaltung des Ausblicks nach Norden verdorben wurde. Und das Schlimmste

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_139.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2022)