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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

frevelhaft karikiertes preußisches Wappen aufstöbern! Als aber bei näherer Erkundigung die befriedigendsten Aufschlüsse über die scheinbar so hochverrätherischen Respektlosigkeiten gegeben werden konnten und es sich herausstellte, daß in der sich harmlos vergnügenden Künstlervereinigung nicht eine Spur von Blutdurst, Tyrannenhaß und Umsturzplänen zu finden sei, da wurde das eingereichte Gesuch nicht länger beanstandet.

In jener reizenden Parkanlage mit ihren mächtigen Baumgruppen, ihren stillanmuthigen Teichpartien, ihren lauschigen Plätzchen im Gebüsch oder am Wasserfall, in dem die muntere Düssel über Steingerölle stürzt – wie dies alles schon Goethe als Gastfreund Jacobis in „Wahrheit und Dichtung^ so begeistert geschildert – dort wurde nun ein echtes Künstlerhaus erbaut. Bald bethätigte sich natürlich auch immer lebhafter die Lust, das eigene Heim in würdiger Welse auszuschmücken. Dekorative Wandgemälde von Leutze und Ad. Schmitz, „Albrecht Dürers Huldigung“ darstellend, zierten den Speisesaal; im Laufe der Jahre kam eine ganze Reihe neuer Bilder von Kröner, Fahrbach, Simmler, von Gebhardt, Volkhart u. a. hinzu, die in harmonischem Zusammenwirken mit schweren Rüstungen, seltenen Trophäen und anderen Schmuckgegenständen dem großen Festsaal eine machtvolle Wirkung verleihen. Und hatte schon bisher der „Malkasten“ den Ruf genossen, daß er es verstehe, die heitersten, schönsten Künstlerfeste zu feiern, so wußte er von jetzt ab, da ihm ein so herrliches Eigenthum zu Gebote stand, sich in der Eigenschaft als Festgeber weit und breit einen hervorragenden Namen zu erwerben. Bei solchen Gelegenheiten werden in der Regel selbst dieses Hauses Wände zu enge, und mit Bedauern sieht sich dann der Einladende genöthigt, seiner Gastfreundschaft Grenzen zu setzen. Günstiger sind in dieser Beziehung die Sommerfeste gestellt, weil der Park räumlich eine bedeutende Ausdehnung hat, und sie gestalten sich denn auch gewöhnlich zu Festlichkeiten, wie sie so abwechslungsreich und farbenprächtig eben nur die sprudelnde Künstlerlaune ins Leben zu rufen weiß.

Der „Malkasten“ in Düsseldorf von der Parkseite.
Originalzeichnung von H. Otto.

Unter den bisherigen Veranstaltungen gebührt unstreitig die Krone dem großartigen Kaiserfest im Jahre 1877, wo der „Malkasten“ den glorreichen Gründer des Deutschen Reiches in seinem Heim begrüßen durfte, wo alle Künste sich vereinten um jenen unvergeßlichen Abend zu einer des Gastes wie des Gastgebers würdigen Huldigungsfeier zu erheben. Damals erhielt das „Achtundvierziger Kind“ seine Weihe; in der ganzen Welt wurde sein Name bewundernd genannt, und mit besonderem Stolz wurde als ehrenvollster Schmuck der anerkennende Dankesbrief des greisen Monarchen an der Wand des Hauptsaals angebracht.

Die Hauptleiter des Festes, W. Camphausen und C. Hoff, wurden dem „Malkasten“ leider zu früh entrissen; unter ihrem thatkräftigen Wirken hat er eine hohe Blüthe erreicht.

Gewissermaßen ein Familienfest, das meist nur die Mitglieder in engstem Kreise zusammenführt, bringt alljährlich der Lenz, dessen triumphierenden Einzug der „Malkasten“ durch eine Riesen-Maibowle feiert. Mitten in ein solches Frühlingsfest hinein versetzt uns der Zeichner unseres Bildes. Da lagert im Hintergrunde, den Eintretenden heiter bewillkommnend, laubumkränzt und mit dem Wahrzeichen des „Malkastens“ geschmückt, das große Vereinsfaß, unter dem sich die inhaltvolle Bowle befindet. An dieser, deren stattliches Bäuchlein eine schier unerschöpfliche Menge des edlen Rebensaftes faßt, sehen wir O. Erdmann unter der bewährten Beihilfe des behäbigen Kellermeisters noch in voller Thätigkeit, den Labetrunk für all die durstigen Kehlen in ausreichendem Maße zu brauen. Im ganzen Saale aber sprudelt unerschöpfliche Heiterkeit. Alt und jung mischt sich in buntem Durcheinander. Die ältesten Malkästner, die einst schon an der Wiege des jetzt so blühend emporgewachsenen Sprößlings gestanden haben, werden wieder jung in diesem frischen fröhlichen Kreise.

Da leuchtet vor allem der geistvolle Kopf des Führers der Düsseldorfer Landschafterschule, Andreas Achenbachs, hervor; auch um den „Malkasten“ hat er sich glänzende Verdienste erworben, denn seinem entschlossenen Eingreifen ist es in erster Linie zu danken, daß der Ankauf der Jacobischen Besitzung möglich wurde. Der Verein bewies denn auch seine Dankbarkeit gegen den edlen Wohlthäter bei Gelegenheit seines siebzigsten Geburtstages, indem er ihn zu seinem Ehrenmitgliede ernannte und ihm eine Jubelfeier veranstaltete, wie sie wohl selten einem Künstler zutheil geworden ist.

An seiner Seite erblickt man den Altmeister der Düsseldorfer Genremalerei, Benjamin Vautier, dessen liebenswürdiger Humor schon so manches Herz gefangen genommen hat. Links von ihm steht der Schlachtenmaler E. Hünten, weiterhin erkennen wir Oswald, den jüngeren Achenbach, den Meister in der packenden Darstellung italienischen Lebens; neben ihm Chr. Kröer, der den deutschen Wald und seine flinkfüßigen Bewohner verherrlicht. Ihnen reihen sich der Historienmaler Albert Baur und der Landschaftsmaler G. Oeder an, sowie die jüngeren Malkästner Carl Gehrts, Th. Rocholl, Jacobus Leisten, Joh. Gehrts, F. Montan, A. Frenz, F. Brütt, Volkhart, Jutz, H. Otto, Schnitzler, F. Vezin, A. Lins und viele andere. Ja, wer nennt die Namen all in dem malerischen Gewirr!

Am Klavier sitzt der Humorist Fritz Sonderland, dessen muntere Laune in scherzhaften musikalischen Leistungen sich ausströmt. Und hat er sein Spiel unter jubelndem Beifall geendet, so ertönen von der Veranda her die allen vertrauten Klänge des Malkastenmarsches, einer Komposition von Jul. Tausch, welche, in Liedform übertragen, von der Künstlerliedertafel unter Musikdirektor H. Willemsens sicherer Leitung zum Vortrag gebracht wird.

Da erschallt aus den Reihen der Ruf: „Op der Bühn!“, eine Zauberformel von unfehlbarer Wirkung. Der Vorhang hebt sich und eine flott improvisierte Aufführung auf der Bühne führt die Stimmung zum Gipfel der Heiterkeit. Diesen Vorgang hat schon der wackere Chronist, der verstorbene Meister Wilh. Camphausen, in seiner „Chronica de rebus Malcastaniensibus“ mit den ergötzlichen Versen geschildert.

Und sind wir des Berathens müde,
Treibt gleich die Narrheit neue Blüthe
In einem lust’gen Bummelstück.
Da lacht der Schalk aus jeder Ritze
Mit Pritschenschlag und Schellenmütze
Und lose Schelmerei im Blick.

So zeigt sich denn der „Malkasten“ als ein ergiebiger Boden für eine zwanglose, echt künstlerische Fröhlichkeit, die nach ernstem Schaffen eine anregende erfrischende Erholung bietet. Und mancher launige Funke, der uns aus Bildern der Düsseldorf Meister entgegenblitzt – er wäre wohl ungeboren geblieben ohne den „Malkasten“ und seine Feste.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 854. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_854.jpg&oldid=- (Version vom 24.10.2019)