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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

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Vom „Malkasten“ zu Düsseldorf.

Skizze von E. Daelen.
Mit Zeichnungen von H. Otto

Der Rhein, der alte Vater Rhein! Wie mancher Wanderer hat ihn gepriesen, wie mancher Dichter ihn besungen in begeisterten Weisen! Wer ihn schaute, dem senkte sich der Reiz seiner Landschaft, der poetische Zauber seiner Burgen und Schlösser, seiner Geschichte und Sage tief ins Herz.

Aber schauen wir genauer zu, so gilt der Lobpreisungen unerschöpfliche Fluth doch meist nur einem Theile des Stromes. Jene Strecken vom Niederwalddenkmal bis zum Drachenfels sind es vornehmlich, welche die Harfen der Sänger erklingen lassen. Für den Wanderer und für den Dichter hört der Rhein auf beim Siebengebirge oder allenfalls bei der „Stadt mit dem ewigen Dom“. Was unterhalb liegt, das ist gleichsam nur ein Anhang, ein Nachwort, das man im Nothfall auch ungelesen lassen kann.

Und doch birgt auch dieser Anhang noch der Perlen genug! Da ist das malerische Kaiserswerth, das denkwürdige Xanten, da ist vor allem das liebliche Düsseldorf mit seinen grünenden Gärten, mit seinen Künstlern und ihrem prächtigen Heim, dem „Malkasten!“.

Die älteren Leser der „Gartenlaube“, die heute mit mir dem „Malkasten“ einen Besuch abstatten, sind nicht ganz unbekannt daselbst. Noch 1885 haben sie einen Blick in seine Kegelbahn geworfen, und auch früher schon haben sie sich manchmal mit ihm beschäftigt. Aber immer kommt man gern wieder. Denn wahrlich, es lohnt der Mühe! Es ist ja eine leidige Thatsache, daß von dem Nimbus, welcher für den Fernerstehenden das Künstlerdasein umwebt, so manches Stück bei näherer Betrachtung dahinschwinden muß. Aber dem idyllischen Besitzthum der Düsseldorfer Künstlerschaft droht dieses Schicksal nicht. Je näher man es kennt, desto mehr wird man es liebgewinnen.

Es war im Jahre 1848. Die nationale Bewegung hatte ihren machtvollen Aufschwung genommen, und in den edelsten und besten Männern lebte der Glaube an den Anbruch einer neuen großen Zeit für unser geeintes deutsches Vaterland.

„Damals hatte sich in Düsseldorf ein Komitee gebildet aus allen Kreisen der Bevölkerung, um der freudigen Begeisterung, die sich aller bemächtigt hatte, einen öffentlichen Ausdruck zu geben, und zwar durch ein Verbrüderungsfest am 6. August. Die Künstlerschaft wurde aufgefordert, durch ihre Theilnahme und Hilfe dem Feste einen besonderen Glanz zu verleihen. So wurde denn am Abende des 6. August auf der Alleestraße zwischen dem heutigen Theater und der Kunsthalle eine Kolossalstatue der Germania enthüllt und bei lodernden Fackeln bejubelt und besungen. Schließlich senkten sich die Fahnen aller deutschen Länder vor dem Banner mit dem Adler des neuerhofften Reiches.

Nach dieser Huldigungsfeier zogen die Künstler nach dem heute noch bestehenden Lokal zur ‚Bockhalle‘, und hier kam bei patriotischen Reden und fröhlichem Becherklang der Gedanke zum Ausdruck: gleich wie die deutschen Stämme sich einigen sollten, so möchte auch im Kreise der Künstlerschaft sich eine Vereinigung bilden, die ihre Glieder einander persönlich näher führen würde, damit sie nach des Tages ernster Arbeit Erholung und Anregung fänden in treuer Gemeinschaft. Der sofort gegründete Verein wurde nach des Altmeisters Carl Hübner geistreichem Vorschlag ‚Malkasten‘ getauft. Alle Farben sollten vertreten sein, alle Farben zur Geltung kommen, alle ein gleiches Recht haben.“ Mit diesen Worten schilderte am letztjährigen Stiftungsfest der damalige Vorsitzende O. Erdmann die Gründung des Vereins. „Im Laufe der Zeit,“ fuhr er dann fort, „sind manche Ideale, die im Jahre 1848 erträumt wurden, verloren gegangen, manche Enttäuschungen mußten verwunden werden. Der Malkasten hat alle Stürme glücklich überstanden und unerschüttert festgehalten an seinem Wahlspruch und seiner Fahne.“

So ist denn auch in seiner Entwicklungsgeschichte ein stetes Emporblühen zu immer prächtigerer Entfaltung zu beobachten. Von hervorragender Bedeutung in diesem Verlauf ist die Erwerbung seines jetzigen eigenen Hauses. In den ersten Jahren seines Bestehens hatte er ein zwar sorglos gemüthliches, aber doch ziemlich fragwürdiges Dasein geführt, indem er als Miether in verschiedenen Gastlokalen Unterkunft suchte. Da, in der Mitte der fünfziger Jahre, wurde ihm vom Schicksal die Gunst zutheil, ohne viel Mühe die bekannte ehemals Jacobische Besitzung in Pempelfort als Eigenthum erwerben zu können.

Eine Klippe, die sich anfangs noch drohend zeigte, wurde bald glücklich umsteuert. Der Verein mußte nämlich, um den Besitz antreten zu können, sich Körperschaftsrechte verschaffen. Das zu diesem Zweck eingereichte Gesuch fand aber bei der Regierung eine wenig günstige Aufnahme. War doch in den reaktionären Jahren der Demokratenriecherei die sich so ungebunden bewegende Künstlergesellschaft in den Geruch eines höchst gefährlichen Verschwörernestes gekommen! Leute von der verfänglichen Färbung eines Freiligrath hatten hier als Stammgäste verkehrt; ja man wollte sogar in dem Wappenthier des „Malkastens“, einem Adler, der in den Krallen ein Bierseidel und einen Hausschlüssel trägt, ein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 853. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_853.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2022)