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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Weihnachts-Büchertisch.

Gute Bücher sind wie gute Freunde – niemals sind sie willkommener als in der Muße stiller Festzeiten und langer Winterabende.

Kein Wunder, daß gerade Weihnachten ein Fest der Bücher geworden ist, für die Kleinen wie für die Großen. In erster Linie aber für unsere Kleinen! Nicht nur daß sie das tiefste Interesse, die unbefangenste Lust für ihre Bücherschätze mitbringen – es ist auch bei Schriftstellern und Verlegern das gleiche Bestreben vorhanden, vor allem der Jugend das Mannigfaltigste und das Beste zu bieten. So stellt denn auch der „Weihnachtsbüchertisch“ der „Gartenlaube“ billig in die erste Reihe die

Schriften für die Jugend.

Für die Jüngsten bringen die „Thiere aus Haus und Hof“ (Stuttgart, Effenberger) eine reiche und, was ebenfalls von Werth ist, „unzerreißbare“ Anschauungswelt, ebenso das „Leinwandbilderbuch“ „Aus der Thierwelt“ (Eßlingen, J. F. Schreiber). Der Verlag von Gustav Weise in Stuttgart bietet in der „Kleinen Feuerwehr“ von A. Baisch und F. Flinzer, in den eigenartig illustrierten Heften „Hinter dem Gitter des Thiergartens“ und „Einen Tag vor Weihnachten“ Anregendes in Wort und Bild. – „Aus Hänschens Jugendzeit“ nennt sich ein Buch, zu dem Fritz Reiß die Zeichnungen und W. Herbert die Verse geliefert hat; namentlich hübsch gelungen sind die Illustrationen. L. Meggendorfer wird mit seinen „Lustigen Zieh- und Drehbildern“ manchem unserer Kleinen ein herzliches Lachen abgewinnen; erschienen sind sie, ebenso wie „Hänschens Jugendzeit“, bei Schreiber in Eßlingen.

Ein etwas höheres Alter setzen die Bücher des Ströferschen Kunstverlags in München voraus: „Frohe kleine Gäste“, „Was braven Kindern gefällt“, „Großmütterlein“, „Was der Kuckuck ruft“, „Guck! Guck!“, „Feiertagsgeschichten“ und „In Pelz und Flaum, Prachtgestalten aus dem Thierreiche“. Hier ist durchweg ein hübscher Text durch Bilder illustriert, die mit wirklichem Geschmack ausgewählt und mit allen Hilfsmitteln namentlich auch der Farbentechnik wiedergegeben sind. Ebenbürtig schließen sich diesen Erscheinungen an das von Cornelie Lechler herausgegebene „Kunterbunt“, „Wilh. Heys fünfzig Fabeln“ und „Ludwig Bechsteins Märchenbuch für Kinder“ (Stuttgart, Effenberger). – „Der Mütter Schatzkästlein“ (Berlin, Alexander Duncker) giebt eine reiche Auswahl von Liedern und Sprüchen zum Auswendiglernen für die Kinder.

Was die „Universalbibliothek für die Jugend“ seit Jahren an gesunder geistiger Kost den Heranwachsenden bietet, ist in weite Kreise gedrungen. Heuer liegen sieben neue Bändchen in dem bekannten rothen Gewande vor. O. M. Seidel schließt seine Sammlung deutscher Reime, von der die beiden ersten Theile voriges Jahr an dieser Stelle besprochen wurden, mit dem Büchlein: „Buntes aus dem Leben. Der Verkehr des Kindes mit der Welt“; Dr. Werner Werther giebt „Parabeln von Krummacher und Herder“ sowie O. Glaubrechts Erzählung „Das Heidehaus“ in Bearbeitungen für die Jugend; Dr. K. Burmann schildert unter dem Titel „Deutsches Götterbuch“ die altdeutsche Götterwelt; ferner sind hier neu herausgegeben „Robert Reinicks Märchen“, „Am Lagerfeuer“ von Kapitän Mayne Reid und „Antinahuel“ von Gustave Aimard, zwei Erzählungen, deren Abenteuer auf amerikanischem Boden spielen. – Eine ähnliche Sammlung von Unterhaltungsschriften, nur mit begrenzterem Stoffgebiet, hat der Verlag von Carl Flemming in Glogau mit seinen „Vaterländischen Jugendschriften“ ins Leben gerufen. Wir heben daraus hervor: „Franz von Sickingen“ von Ludwig Ziemssen, „Barbarossa“, „Seydlitz“ und „Leuthen“ von Franz Kühn, „Albrecht Dürer“ von H. Berger, „Das Türkenmal“ von Ferdinand Sonnenburg und „Der neue Prophet“ von Ernst Kornrumpf.

Ein Unternehmen, das die eingehendste Beachtung der Eltern und Lehrer verdient, ist „Gustav Weises Naturgeschichte in Bildern“. Schon früher ist davon „Das Thierreich“ mit 250 Abbildungen erschienen, jetzt hat sich daran „Das Pflanzen- und Mineralreich“ mit 270 Illustrationen angereiht. Der Anschauungsunterricht findet hier Vorlagen von überraschender Treue und Mannigfaltigkeit.

Für die reifere Jugend liegen die neuesten Jahrgänge von Spemanns illustrierten Zeitungen für Knaben und Mädchen, „Der gute Kamerad“ und „Das Kränzchen“, je in einem stattlichen Bande vor. – Von Werken patriotischen Inhalts sind zu nennen „Jederzeit kampfbereit!“, ein mit vielen Abbildungen und Schlachtenplänen ausgestattetes Buch (Leipzig, Hirt und Sohn), in dem Oskar Höcker und Arnold Ludwig unter Mitwirkung militärischer Fachmänner „Geschichtliche und militärische Bilder von der Entwicklung der deutschen Wehrkraft“ in anschaulichster und belehrendster Weise entwerfen; weiter „1870 und 1871, zwei Jahre deutschen Heldenthums“, von Gustav Höcker (Glogau, Flemming). Die Phantasie besonders der Knaben liebt es, mit allen möglichen Helden, wießen, braunen und schwarzen, sich in die verwegensten Abenteuer zu stürzen, deren Schauplatz bald das Meer mit seinen Wundern und Gefahren, bald die Indianergebiete Nordamerikas, bald Afrikas heiße Steppen sind. Unter den Schriften, welche derartige Stoffkreise für die Jugend behandeln, zeichnen sich durch spannenden Inhalt und gediegene Ausstattung vor allem aus Armands „Amerikanische Jagd- und Reiseabenteuer“ und “Der blau-rothe Methusalem“ von Carl May (Stuttgart, Union). Eine afrikanische Kolonialgeschichte, die schon die neuesten Forschungsergebnisse für die sachkundige Darstellung verwerthet, erzählt C. Falkenhorst unter dem Titel „Am Viktoria-Njansa“ (Leipzig, Brockhaus); Friedrich J. Pajeken bietet zwei neue Schilderungen aus dem Westen Nordamerikas, „Ein Held der Grenze“ (Leipzig, Hirt) und „Jim, der Trapper“ (Stuttgart, Effenberger); E. von Wasmer läßt in dem Buche „Ueber den Sternen“ afrikanisches Sklavenleben den Mittelpunkt bilden, J. H. O. Kern giebt „ernste und heitere Geschichten aus dem Leben deutscher Seeleute“ unter der Ueberschrift „Unter schwarz–weiß–rother Flagge“ (Glogan, Flemming). „Die Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm haben in der „Großen Ausgabe“ (Berlin, Hertz) die 25. Auflage erlebt, hoffentlich noch lange nicht die letzte!

Junge Mädchen werden angenehm davon überrascht sein, daß bei G. Weise in Stuttgart aus dem Nachlasse von Emmy v. Rhoden, der Verfasserin des „Trotzkopf“, jetzt „Trotzkopfs Brautzeit“ herausgegeben worden ist. Das Buch weist dieselben Vorzüge auf wie das frühere, das so rasch beliebt geworden ist. – Clementine Helm zeigt in dem Bändchen „Friedas Mädchenjahre“ (Stuttgart, Krabbe), daß sie eine gemüthvolle Erzählerin ist, die auch geschichtliche Stoffe gewandt zu behandeln weiß. – Wie alljährlich so hat sich auch heuer pünktlich Ottilie Wildermuths „Jugendgarten“ eingestellt (Stuttgart, Union), auf den schon in Nr. 47 ausführlicher hingewiesen worden ist; ferner die Gaben für die weibliche Jugend, die unter Thekla von Gumperts Leitung bei Flemming in Glogau erscheinen. Es liegen vor der 37. Band von „Herzblättchens Zeitvertreib“, der 38. Band des „Töchteralbums“, der 13. und 14. Band des „Bücherschatzes für Deutschlands Töchter“. – Endlich ist in der gleichen vornehmen Ausstattung und mit einem Inhalt von ähnlichem litterarischen Werth wie der erste Jahrgang – unter anderen haben Ernst Eckstein, Martin Greif, Julius Sturm Beiträge geliefert – der zweite Band von „Maienzeit, Album für die Mädchenwelt“, herausgekommen (Stuttgart, Union).

Romane. 0 Novellen. 0 Gedichte.

Es ist für die „Gartenlaube“ eine ehrenvolle Pflicht, an der Spitze dieser Rubrik zunächst einiger Werke zu gedenken, welche in der „Gartenlaube“ zuerst das Licht der Oeffentlichkeit erblickt haben und nunmehr in Buchform sich der deutschen Lesewelt vorstellen. Es sind dies die „Truggeister“ von Anton v. Perfall, „Ein Götzenbild“ von Marie Bernhard und „Der Klosterjäger“ von Ludwig Ganghofer (die beiden ersteren bei Ernst Keils Nachfolger, das letztere bei Bonz in Stuttgart erschienen). Wir sind überzeugt, daß diese Erzählungen bei unsern Lesern noch in guter Erinnerung stehen und in ihrem veränderten Gewande noch manchen neuen Freund zu den alten sich gewinnen werden. Ganz besonders aber werden die beiden illustrierten Ausgaben der Werke von E. Marlitt und W. Heimburg auch heuer wieder vielen eine Freude machen. Die „Gesammelten Romane und Novellen“ von E. Marlitt sind bereits vollständig in 2. Auflage erschienen, die von W. Heimburg bis zum 8. Bande vorgeschritten. Auch Herman SchmidsGesammelte Schriften“ bringen wir unsern Lesern in Erinnerung. Herman Schmid ist bekanntlich einer der besten Vertreter des bayerischen Dorf- und Bauernromans.

Aus dem Vorstellungskreise der nordischen Mythologie hat Felix Dahn den Stoff zu einer kleinen Novelle geschöpft, die durch Eigenart des Konflikts wie durch märchenhaft-rührende Züge gleich sehr fesselt. (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Sie führt den Titel „Die Finnin“ und behandelt die tragische Liebe einer in einsamer Inselwildniß aufgewachsenen Finnenjungfrau zu einem „weißen Göttersohne“, der aus dem „milderen Westen“ an ihren Strand verschlagen wurde. – Karl Manno, dessen von kräftigem Humor getragene Novelle, „Ein süßer Knabe“ einst so vielen Beifall gewann, hat dem „süßen Knaben“ ein weibliches Gegenstück folgen lassen in seiner „Gräfin Gerhild“ (Stuttgart, Fr. Frommann). Freunde des Pferdesports werden in dieser an wildbewegter Handlung reichen Geschichte ausgiebig ihre Rechnung finden. Denn Roß und Reiter sind einmal die ausgesprochene Vorliebe dieses Autors. – Ernst Eckstein, der es wie wenige verstanden hat, in seinen groß angelegten Romanen aus der römischen Geschichte die ferne Vergangenheit vor uns lebendig werden zu lassen, bietet diesmal in seiner „Themis“ (Berlin, Grote) ein dramatisches Bild aus dem großstädtischen Treiben des heutigen Berlin; es ist ein mit Geschick aufgebauter Kriminalroman, der freilich an den dunklen Seiten menschlicher Leidenschaft nicht vorübergeht. – Rudolf v. Gottschall führt uns in seinem neuen Roman „Verkümmerte Existenzen“ (Breslau, Schlesische Verlagsanstalt) ebenso ergreifende wie lebenswahre Beispiele jener Unglücklichen vor, die nach einer guten Erziehung und vortrefflichen Schulbildung durch irgend ein widriges Geschick Schiffbruch gelitten haben und nun unter dem Zwiespalt ihrer Lebensgewohnheiten und ihrer Lebensbedingungen zu Grunde gehen oder langsam dahinsiechen. – Hans Arnolds „Neues Novellenbuch“ (Stuttgart, Bonz) hat bereits die zweite Auflage erlebt.

Rudolf Lindaus neuer Roman „Martha“ (Stuttgart, Cotta) trägt das Gepräge eines welt- und menschenkundigen Verfassers. Die Charaktere sind aus dem Leben gegriffen und mit sicherer Hand gezeichnet,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 835. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_835.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2024)