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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

in den Rüssel hinauf, und der Wärter weiß jetzt: erst die Ware, dann das Geld. So reicht er ihm denn aus den für solche Fälle immer mit Brot gefüllten Taschen einige würfelförmige Brotstücke, und kaum sind dieselben im Elefantenmaul, so hat der Elefant auch schon den Nickel aus dem Rüsselinneren hervorgestoßen und ihn als pünktlicher Zahler dem Wärter gereicht. Die größten Triumphe feiert Antons Schlauheit, wenn er mehrere Nickel, z. B. drei hintereinander erhält; denn dann bezahlt er sie dem Wärter nicht auf einmal für die erste Brotlieferung, sondern giebt erst den einen, dann nach wiederholtem Brotempfang den anderen und ebenso schließlich den dritten hin. Es ist dabei die geschäftliche Klugheit des Thieres ebenso erstaunlich wie die Fähigkeit des gewaltigen Rüssels zu solch willkürlicher „Handhabung“ winziger Geldstücke.

Kunstsinn hat Anton trotz seiner eigenen Schönheit leider nicht, denn als ich im vorigen Jahre in stiller Nachmittagsstunde eine Studie nach ihm fertigte, da bespritzte er mich aus seinem Rüssel so unausgesetzt und sicher treffend mit Geifer, daß eine große Selbstverleugnung dazu gehörte, auszuharren, und die Reinigung von den Flecken zuletzt eine recht mühsame Arbeit war.

Da Anton sich schon seit 1871 im Hamburger Zoologischen Garten befindet, so ist er natürlich in der Stadt allbekannt. Er ist ein Geschenk der Herren Diekmann, Barkhausen u. Comp. in Rangun in Hinterindien, stammt auch von dort, wo die männlichen Elefanten meist schöne Stoßzähne haben. Begum, das erwachsene, trotz seines Namens „Prinzessin“ männliche Nashorn, ist auch bereits 1870 von einem Londoner Thierhändler für 13 380 Mark erworben worden. Die Freundschaft der beiden besteht seit dem Beziehen des 1881 eröffneten neuen Elefantenhauses, wo sie seitdem ununterbrochen nebeneinander wohnen. Zur Entwicklung des Horns ist es leider bei dem sonst tadellosen Rhinoceros nicht gekommen, weil es die Stelle fortgesetzt an Balken, am Gitter u. dgl. reibt. Sonst hätte man an ihm vielleicht auch wie an den Exemplaren des Berliner Zoologischen Gartens die Beobachtung machen können, daß diese Nashornart mitunter das Horn abwirft und daß ihr dann ein neues wächst – eine bisher wohl unbekannte Thatsache. Heinrich Leutemann.     




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Altamerikanische Kulturbilder.

Von Paul Schellhas.
II.

An einem Novembertage des Jahres 1839 stand der schon in unserem ersten Artikel erwähnte amerikanische Reisende Stephens am Ufer eines kleinen Flusses in der Nähe des Dorfes Copan an der Grenze zwischen Honduras und Guatemala, inmitten des tropischen Urwaldes, und erblickte auf der anderen Seite des Flusses eine etwa 100 Fuß hohe, zum Theil verfallene steinerne Mauer. Er setzte über den Fluß, erstieg die Mauer auf einer breiten Treppe, die hinaufführte, und befand sich plötzlich auf einer Terrasse, umgeben von den Resten einer untergegangenen Kulturwelt, von deren Vorhandensein außer den Bewohnern der nächsten Umgebung niemand etwas wußte und deren Spuren der Reisende Stephens zum ersten Male vor sich sah. Die amerikanische Alterthumskunde befand sich damals noch in den Anfängen, und Centralamerika war ein unerforschtes Gebiet. Zwar war schon im Jahre 1750 die große Ruinenstadt Palenque in der mexikanischen Provinz Chiapas von spanischen Reisenden im Urwald zufällig entdeckt worden, aber eine gedruckte Schilderung dieser Alterthümer war erst im Jahre 1822 nach Europa gelangt, und zu der Zeit, als Stephens die Ruinen von Copan auffand, gab es noch Gelehrte, die der Ansicht waren, daß eine höhere Gesittung in Amerika niemals bestanden habe, daß die Einwohner der Neuen Welt durchweg Wilde gewesen seien, und daß die Spanier daher in ihren Berichten über den Kulturzustand im alten Mexiko arg übertrieben hätten.

Das „Castillo“ zu Chichen-Itza.
Nach einer Photographie von Désiré Charnay.

Was nun der Reisende Stephens damals in Copan vor sich sah, war überraschend großartig. Unter dem Urwald begraben und von der überwuchernden tropischen Vegetation vollständig verschlungen, standen da hohe, pyramidenförmige Tempelbauten mit breiten Treppen, gewaltige steinerne Altäre und zahlreiche Bildsäulen, mit reichen Skulpturen bedeckt, und manche in kunstvoller Arbeit den schönsten Denkmälern der alten Aegypter gleich. Stephens selbst schildert in den lebhaftesten Farben den Eindruck, den die Entdeckung dieser ersten Ruinenstadt auf ihn machte, und den wunderbaren Anblick, den die Alterthümer in der tropischen Urwaldsumgebung gewährten. „Eine der Bildsäulen,“ sagt er, „war durch riesengroße Wurzeln von ihrem Postament verschoben, eine andere von den Aesten der Bäume fest umschlungen und von der Erde emporgehoben, eine andere auf den Boden geworfen und von ungeheuren Schlingpflanzen festgehalten, eine endlich stand mit ihrem Altar vor sich in einem Hain von Bäumen, der sie rings umgab, als wollte er sie beschatten und wie ein Heiligthum beschützen, und in der feierlichen Stille des Waldes erschien sie wie eine Gottheit, die über ein hingesunkenes Volk trauert. Die einzigen Laute, welche das tiefe Schweigen dieser vergrabenen Stadt störten, war der Lärm der Affen, die zwischen den Wipfeln der Bäume sich bewegten, und umgeben von den wunderbaren Denkmälern kamen sie uns vor wie die wandernden Geister des verschwundenen Volksstammes, welche die Trümmer ihrer einstigen Wohnungen behüteten … Keine Ideenverbindungen verknüpften sich mit diesem Ort, keine jener begeisternden Erinnerungen, welche Rom und Athen uns so heilig machen; und doch hatten einst in diesem überschwenglich üppigen Walde Baukunst, Skulptur, Malerei, kurz alle die Künste geblüht, die das Leben verschönen, hatten Redner, Krieger und Staatsmänner, hatten Schönheit, Ehrgeiz und Ruhm gelebt und waren dahingeschwunden … In Aegypten stehen die gigantischen Tempelskelette in dem wasserlosen Sandmeer, in der ganzen nackten Wüstenöde; hier dagegen hüllte die Ruinen eine ungeheure Waldung ein und verbarg sie vor der Menschen Blicken, wodurch der Eindruck und die moralische Wirkung erhöht und ihnen ein mächtiges und fast wildromantisches Interesse gegeben wurde … Wir fragten die Indianer, wer diese Denkmäler gebaut, und ihre dumme Antwort war: ‚Quien sabe?‘ – ‚Wer weiß?‘ …“

Nach Stephens sind viele andere Reisende in diesen Gegenden Centralamerikas gewesen, so besonders in neuester Zeit der Franzose Désiré Charnay, und die meisten der noch vorhandenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_749.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2023)