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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

denn sein Samen ist beflügelt, und so strebt die Pflanze danach, ihn dem Winde möglichst günstig darzubieten, damit er dann weit über Aecker und Felder verbreitet werde.

Wie einst die Mongolenschwärme den Drang nach dem Westen verspürten, so wandert ferner ein älteres gelbes Unkraut von Osten gen Westen. Es ist das „Frühlingskreuzkraut“ (Senecio vernalis), das in unseren östlichen Provinzen auf Sandfeldern und Schonungen besonders zahlreich verbreitet und bereits bis nach Brandenburg vorgedrungen ist. Es blüht zweimal im Jahre, im Mai bis Juni und im September bis November, sein befiederter Samen wird wie der des Huflattichs vom Winde verweht.

Auch die Wiesen haben ihre gefährlichen Feinde. An den Ufern der Flüsse und Bäche, an Grabenrändern wächst die „gebräuchliche Pestwurz“ (Petasites officinalis), die mit außerordentlich großen Blättern ausgestattet ist; erreichen doch diese sogar 40 cm im Querdurchmesser. Wo sich die Pestwurz ausgebreitet hat, da wächst kein Gras.

Der Landwirth kennt diese seine Feinde, und verschiedene Regierungen haben Verordnungen erlassen, laut welchen die Grundbesitzer verpflichtet sind, die genannten Arten von Unkraut auf ihren Feldern zu vernichten. Es genügt aber dabei nicht, diese Feinde der Felder vom Acker zu entfernen und abseits zu werfen, sondern man muß sie wirklich vernichten, was am einfachsten durch Verbrennen geschieht.

Um nun die Landwirthschaft im Kampfe gegen das Unkraut zu unterstützen, hat der Realgymnasiallehrer B. Farwick die geschilderten Schädlinge in naturgetreuen farbigen Abbildungen auf sechs Tafeln zusammengestellt (Verlag von Fr. Wolfrum, Düsseldorf). Dieselben eignen sich vorzüglich als Lehrmittel fär den Anschauungsunterricht in den Schulen. Der Kampf des Menschen gegen das Unkraut ist an sich ein fesselndes Thema, die Vorführung und Besprechung jener gefährlichen Pflanzen bietet außerdem mehrere pädagogische Vortheile. Der Schüler lernt nicht nur die Pflanzengestalten kennen, er wird auch in merkwürdige Geheimnisse des Pflanzenlebens eingeführt, und zugleich wird in ihm durch den Hinweis auf die Verpflichtung, die Schädlinge auszurotten, der gemeinnützige Sinn wachgerufen oder gestärkt.

Aus diesem Grunde möchten wir die Farbendrucktafeln „Wucher- und Schmarotzerpflanzen, deren Vertilgung behördlich angeordnet ist,“ als Bildungsmittel für die Jugend den Schulen zur Beachtung empfehlen.

Es wird gut sein, den Winter zum sorgfältigen Studium der Tafeln zu benutzen, damit die bösen Feinde im kommenden Frühjahr die Vertheidiger des heimathlichen Bodens wohl gerüstet finden. J.      


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Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts.

Dr. Salomon Morgenstern.
Von Rudolf v. Gottschall.

Es gab unter den deutschen Gelehrten in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sehr sonderbare Käuze, und namentlich die Gewaltherrschaft des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen brachte es zuwege, daß Universitätsprofessoren sich in Hofnarren verwandelten und dabei mit den höchsten Ehren und Titeln ausgezeichnet wurden. Es gab gelehrte „Spottgeburten“, welche dazu besonders veranlagt waren und sich in diesem trüben Fahrwasser mit großem Behagen bewegten, ohne daß man deshalb berechtigt wäre, ihrer Gelehrsamkeit zu nahe zu treten. Zu diesen Zwitternaturen, deren Nachruhm in einem zwiespältigen Lichte schillert, gehört auch Dr. Salomon Morgenstern, der zu zwei preußischen Königen in nahen Beziehungen stand, zu Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., und als ein Erbstück des gestrengen Vaters auf den genialen Sohn überging, welcher sonst von dem Hofinventar des Soldatenkönigs wenig genug herübernahm.

Salomon Morgenstern war am 8. April 1706 zu Pegau im Kursächsischen geboren, besuchte das Gymnasium zu Altenburg und ging in seinem zwanzigsten Jahre auf die Universität Jena, um sich der Gottesgelahrtheit zu widmen. Nach beendigtem Studium wurde er in Leipzig Magister der Theologie und bald darauf Professor in Halle, wo er indeß seine theologischen Studien, wie es scheint, an den Nagel hing und vorzüglich über Geographie und Geschichte las.

Schon in jungen Jahren hatte er Tüchtiges geleistet und sich einen Namen gemacht. Im Jahre 1734 war seine „Staatsgeographie von Rußland“ erschienen, durch welche er der Kaiserin Elisabeth bekannt wurde, die ihn mit einem Gehalt von 1000 Thalern nach Petersburg berief. Das war ein schöner Erfolg für einen Gelehrten von 28 Jahren; man darf daher die wissenschaftlichen Verdienste des kleinen Morgenstern nicht unterschätzen.

Seine Persönlichkeit aber war sehr seltsamer Art, und gerade das Auffallende seiner äußeren Erscheinung, wie es auch auf dem von uns gebrachten alten Porträt hervortritt, sollte für sein Schicksal entscheidend werden. Der kleine possierliche Mann, etwas verwachsen, drollig in Haltung und Bewegungen, erlebte bei seiner Durchreise nach Petersburg in Berlin ein merkwürdiges Abenteuer.

Der wachhabende Offizier am Thore zu Potsdam habe, so wird erzählt, den Gelehrten wegen seiner komischen Persönlichkeit dem König gemeldet, dieser habe das Original zur Audienz befohlen und, da er allen seinen Anforderungen an einen Hofgelehrten entsprach, ihm erklärt, er dürfe nicht weiter reisen. Morgenstern erwähnte seine günstigen Aussichten in Rußland, entschloß sich indessen, zu bleiben, als ihm die Stelle eines Königlichen Hofraths mit 500 Thalern Gehalt und freier Wohnung in Potsdam angeboten wurde. Er trat sogleich ins Tabakskollegium ein; denn darauf kam es dem König in erster Linie an, einen Ersatzmann für den seligen Gundling zu haben, der in diesem Kollegium die Zeitungen vorgelesen und erklärt hatte und nebenbei die Zielscheibe der rohesten Soldatenwitze gewesen war.

Es gehörte Muth dazu, im Tabakskollegium die Wissenschaft zu vertreten, da die tapferen Haudegen, die dort zechten, dieselbe für eitel Narretei hielten. Die Schicksale Gundlings mußten allen zur Warnung gereichen, welche nach ihm so gefährliche Pfade wandeln wollten. Gundling war Professor an der Ritterakademie und Rath bei dem Oberheroldsamt gewesen. König Friedrich Wilhelm I. hatte diese Aemter bei seinem Regierungsantritt aufgehoben und Gundling dafür zum Hofrath und Zeitungsberichterstatter im Tabakskollegium ernannt. Gundling war von da an der ständige Begleiter des Königs; er wurde Oberceremonienmeister und Nachfolger des großen Leibniz in der Stellung eines Präsidenten der Berliner Akademie. Aber damit war es der vom Könige ironisch gemeinten Ehren noch nicht genug. Der Gelehrte des Tabakskollegiums wurde in den Freiherrnstand erhoben, mit sechzehn Ahnen väterlicher und mütterlicher Seite, und zum Kammerherrn ernannt. Das alles mochte für einen jungen Mann wie Morgenstern etwas Verlockendes haben, und doch konnte er sich wohl nicht darüber täuschen, daß diese Würden keineswegs vor dem Hohne des Königs und seiner Umgebung schützen konnten. Pflegte man doch dem Herrn von Gundling allerlei Figuren von Eseln, Affen und Ochsen an sein Staatskleid zu heften, zwang man ihn doch, aus den Zeitungen über seine eigene Person die boshaftesten Artikel vorzulesen, welche der König selbst an die Redaktionen hatte schicken lassen; man setzte ihm einen Affen zur Seite, der ganz so wie er selbst gekleidet und mit dem Kammerherrnschlüssel geschmückt war. In Wusterhausen, wo stets einige junge Bären im Schloßhof herumliefen, legte man dem armen Gundliug ein paar davon ins Bett, und obschon ihre Vorderfüße verstümmelt waren, so hätten sie ihn doch fast totgedrückt. Ein andermal schrieb Gundlings Nebenbuhler im Tabakskollegium, Faßmann, eine derbe Satyre gegen diesen unter dem Titel „Der gelehrte Narr“ und mußte sie Gundling im Kollegium überreichen. Dieser, hochroth vor Zorn, ergriff eine zum Pfeifenanbrennen mit glühendem Torfe gefüllte kleine Pfanne und warf sie Faßmann ins Gesicht. Sofort bearbeitete der Angegriffene, nach den nöthigen Vorbereitungen, vor den Augen des Königs Gundling derart mit der Pfanne, daß derselbe vier Wochen lang nicht zu sitzen vermochte. Seitbem kam es öfters zum Faustkampf zwischen den gelehrten Herren. Sogar eine Leichenfeier ins Lächerliche zu ziehen, scheute sich der König nicht: er ließ Gundling, als dieser starb, in einem mächtigen Weinfaß begraben, trotz aller Einsprüche der Geistlichkeit! Und jene Züchtigung mit der Rauchpfanne, das Begräbniß im Weinfaß waren „Auszeichnungen“ für den Nachfolger von Leibniz, für den Präsidenten der Berliner Akademie! Die Gelehrten waren dem König nur „Pedanten, Tintenkleckser, Schmierer“, und er behandelte sie demgemäß.

Wenn Morgenstern sich durch das alles nicht irremachen ließ und nach Gundlings Ehren trachtete, so glaubte er vielleicht, das Mißgeschick seines Vorgängers vermeiden zu können. Gundling hatte alle Würde dadurch eingebüßt, daß er ein Säufer geworden war. Auch kam es Morgenstern zu statten, daß er nicht der einzige war, der die Rolle eines Hofprofessors und Hofnarren, welche

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