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lassen. Davon sei, wie gesagt, zu seiner Zeit keine Rede mehr, denn man ziehe es vor, das Haus mit Bildwerken ausländischer Größen in Gold, Silber und Erz zu schmücken, die Wände aus Marmor oder Granit herzustellen und das Gestein mit eingelegter musivischer Arbeit zu verzieren.

Zu Plinius’ Zeiten war also das Porträtieren, wenigstens in Rom und Italien, aus der Mode gekommen, und nur wenigen lag es am Herzen, die alte Sitte zu wahren und die feiernden Künstler zu beschäftigen, und wo dies noch geschah, spielte gewöhnlich der Hochmuth seine Rolle, wie es beispielsweise dem berüchtigten Kaiser Nero einmal beliebte, sich in ganzer Gestalt und in einer Höhe von 120 Fuß auf Leinwand malen zu lassen, etwas bis dahin vollständig Unbekanntes, da man die Bilder sonst nur auf Holz zu malen pflegte.

Demselben Plinius verdanken wir sehr ausführliche, wenn auch bisweilen ziemlich unkritische Nachrichten über die Geschichte der ältesten Malerei, deren Anfänge er bis in das 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung hinaufrückt. Nach seinen Ausführungen bediente man sich damals nur einer Farbe bei den Malereien, und erst später sah man sich nach Mitteln um, die Zeichnungen mit mehreren Farben auszufüllen. Der berühmteste Maler des Alterthums, Apelles, ein Zeitgenosse Alexanders des Großen, wandte bereits vier Farben (Weiß, Gelb, Roth und Schwarz) an, um seine herrlichen Werke zu schaffen, die an vortrefflicher Zeichnung, Perspektive, richtiger Vertheilung von Licht und Schatten, Durchgeistigung und Anmuth den Preis davontrugen und als unerreichte Muster für die Zeitgenossen und alle nachfolgenden Künstler gepriesen wurden.

Als Malstoffe benutzten die Alten die sogenannten Wachsfarben, d. h. mit Wachs oder außerdem mit einem Zusatz von Oel verbundene Farbstoffe hauptsächlich aus dem Pflanzen- und Mineralreich. Die von Plinius und anderen Schriftstellern überlieferte und als „enkaustisch“ bezeichnete, d. h. auf dem Wege des Einbrennens verfahrende Manier bei der Uebertragung der Farbstoffe auf eine Holztafel, wobei ein heiß gemachter Metallstichel seine Dienste leistete, bedarf immer noch einer genaueren Erklärung. Daneben machte man von der sogenannten Temperamanier einen häufigen Gebrauch; in diesem Falle übertrug der Pinsel die Farbe auf den eigentlichen Malstoff.

Zwei Mumienporträts aus Hawara.

Leider haben uns erhaltene Reste aus den Zeiten des Alterthums nur wenige Proben der antiken Malerei geliefert. Mit Ausnahme der Wandmalereien in den verschütteten Städten Pompeji und Herculanum, auch an einzelnen anderen Stellen wie z. B. in Rom, ist bis jetzt so gut wie nichts ans Tageslicht getreten.

Um so überraschender wirkte vor mehreren Jahren die Kunde, daß fern von Griechenland und Italien, und zwar auf ägyptischem Boden, eine Reihe von beinahe hundert Porträtbildern antiken Ursprunges entdeckt worden sei. Arabische Ausgräber hatten an einer einsamen Stelle der Wüste, welche in Gestalt eines Höhenzuges, nördlich vom Josephskanal, zwischen Mittelägypten und der Provinz des Fayum den Kulturboden unterbricht, eine Totenstadt in der Nähe des Dorfes El-Rubaijat entdeckt; dort lagen die Bilder theils frei unter einer dünnen Sandschicht, theils auf den einbalsamierten und in ihren Särgen ruhenden Leichen selber. Durch Vermittlung eines mir befreundeten Beduinenscheichs ging die Sammlung durch Ankauf in den Besitz eines Wiener Kaufmannes, des Herrn Theodor Graf, über, der es sich angelegen sein ließ, die merkwürdigen Funde in den Hauptstädten Europas öffentlich auszustellen und durch photographische Aufnahme derselben für eine möglichst weite Verbreitung der Bilder zu sorgen.

Die Porträts von Männern, Weibern und Kindern, welche etwa vor 2000 Jahren im Lichte der Sonne auf ägyptischer Erde gewandelt hatten, traten in den lebendigsten Farben und in wohl gelungenster Ausführung den Blicken der modernen Beschauer gegenüber und gaben den reichsten Stoff zu zahlreichen Besprechungen und Betrachtungen in den öffentlichen Blättern. Sie überraschten nicht nur durch ihre vollständige Erhaltung, die sogar manchen Zweifeln in Bezug auf moderne Uebermalung und Restaurationen begegnete, sondern noch vielmehr durch die gewonnene Ueberzeugung, daß die Menschen von damals gerade so aussahen wie das heutige Geschlecht. Man konnte sich in der That nur schwer des Eindruckes erwehren, daß die Bilder nicht unter den Händen antiker Künstler entstanden seien. Die genauesten Prüfungen ergaben indes den alten Ursprung sämmtlicher ausgestellten Porträtbilder, und die Kritik mußte sich vor der unbestreitbaren Thatsache beugen, daß für die Geschichte der Malerei im Alterthum ein kostbares Material gefunden war.

Die Köpfe waren in Vorderansicht auf dünnen Holztafeln in Lebensgröße gemalt, das Kolorit ließ alle uns bekannten Farbentöne erkennen, die Zeichnung war dabei vortrefflich, der Ausdruck meist voller Lebenswärme und Charakter. Selbst die Bekleidung, soweit diese unterhalb der Halsgegend hervortrat, sammt den Schmuckgegenständen weiblicher Personen, Ohrringen und Halsketten, erinnerte durchaus nicht an unsere landläufigen Vorstellungen vom Antiken. Im Gegentheil riefen sie das einfach Bürgerliche in unserer eigenen Zeit ins Gedächtniß zurück, und man legte sich unwillkürlich die Frage vor, ob seit der Entstehung jener Bilder wirklich 2000 Jahre verflossen seien. Sie trugen weder den Namen der dargestellten Personen noch den des Künstlers, welcher das Werk in enkaustischer oder in Temperamanier geschaffen hatte. Waren es auch keine Künstler ersten Ranges, bisweilen sogar sehr mittelmäßige Meister, welche auf Bestellung die Porträts angefertigt hatten, so wäre es immerhin

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_629.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2024)