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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

viel sagen will; ja, unmittelbar nach dem Tode soll dieser Geruch oft so stark werden, daß der weiße Jäger kaum imstande ist, das erlegte Wild abzuhäuten und sich des Gehörns als Jagdtrophäe zu versichern.

Die schöne Farbe des Wasserbocks wird durch eine einfache, aber ansprechende Zeichnung noch gehoben. Die Schnauzenspitze mit Ausnahme der nackten schwarzen Nase, ein Ring um die Augen, ein halbmondförmiges Halsband, welches, sich verschmälernd, bis zu den Ohren hinaufreicht, die Innenseite der Ohren selbst, die Gegend zu beiden Seiten des Schwanzes bis gegen die Ferse herab und schließlich ein ganz schmaler Streif gerade über den schwarzen Hufen sind weiß gefärbt, während die Beine in einiger Entfernung vom Rumpfe ganz schwarz werden. Der schönste Schmuck des Wasserbocks, der allerdings nur dem Männchen zukommt, ist unstreitig das Gehörn; es macht ihn erst zu einer so eindrucksvollen Erscheinung. Dick und stark, an der Wurzel etwa von dem Durchmesser eines mäßigen Ochsenhornes, erheben sich die Hörner etwa zwei Fuß über den Kopf, indem sie sich sanft erst nach außen und hinten, dann wieder nach vorn biegen; die Vorderseite ist hell und mit wulstigen Halbringen versehen, die Hinterseite schwarz und glatt. Das Weibchen entbehrt, wie gesagt, der Hörner, ist überhaupt kleiner und unscheinbarer, indeß durch die Farbe und das lebhafte, aufgeweckte Wesen immerhin ein eigenthümlich schönes Thier.

Der Wasserbock lebt in kleinen Rudeln, indem ein alter Bock mehrere Weibchen um sich vereinigt; außerdem halten sich stets einige junge Böcke zu dem Trupp, wohl meist die Söhne des alten, die dieser aber sicher nur solange duldet, als sie ihm keinen Anlaß zur Eifersucht geben. Einen erheblichen Nutzen für den Menschen gewährt der Wasserbock nicht, da Fell und Hörner keine besondere Verwerthung erfahren, und nur ganz junge Thiere ein einigermaßen schmackhaftes Fleisch liefern; ebensowenig thut er aber bei seinem eigenthümlichen Aufenthaltsort irgend welchen Schaden, und seine Jagd wird daher auch nicht um materieller Zwecke willen betrieben, sondern „aus bloßer Leidenschaftlichkeit,“ wie ein namhafter. älterer Systematiker mit unvergleichlicher Trockenheit von der Antilopenjagd im allgemeinen sagt.

In Gefangenschaft ist der Wasserbock in den letzten Jahren mehrfach gekommen und hat sich hier auch wiederholt fortgeplanzt. Doch blieb es mir vorbehalten, ihn in unseren deutschen Zoologischen Gärten bekannt zu machen. Nachdem ich das prächtige Thier einmal in Antwerpen gesehen, ließ es mir keine Ruhe, bis ich nach vielen Umfragen und Bitten glücklich auch ein Paar erobert hatte. Dieses bildet heute noch eine Hauptzierde des Kölner Zoologischen Gartens und ist dadurch noch ganz besonders interessant, daß es meines Wissens den ersten gelungenen Versuch vollständiger Acclimatisation einer Antilope in einem deutschen Thiergarten darstellt. Ermuthigt durch bedeutsame Erfolge auf diesem Gebiet, die mir besonders aus Holland bekannt waren, brachte ich nämlich in Köln meine Wasserböcke zusammen mit einem Paare Nilgauantilopen in den gerade fertig gewordenen neuen Hirschgehegen unter, wo sie Sommer und Winter im Freien leben und nur in einem hölzernen Stalle mit offener Thür vor den schlimmsten Unbilden der Witterung einigen Schutz finden.

Daß so großen kräftigen Thieren, die doch in ihrer Heimath die mitunter gewaltigen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht aushalten müssen, die reine, feuchte, wenn auch kalte Freiluft unseres Winters schaden oder auch nur schädlicher sein sollte als die unreine trockene Heizungsluft unserer Thierhäuser, wollte mir, der ich kaum in die Zunft der deutschen Thiergärtner eingetreten war, nicht recht in den Kopf: so schlug ich denn als junger Wagehals über die Stränge und – der Erfolg gab mir recht. Die Thiere überstanden den Winter prächtig, und als ich nach Berlin übersiedelte, konnte ich schon meinem Nachfolger das Versprechen abnehmen, mir das erste, damals gerade geborene Junge des Wasserbockpaares nachzuschicken, sobald es versandtfähig sei. Dieser mittlerweile stattlich herangewachsene Bock ist jetzt eines der schönsten Stücke des Berliner Antilopenbestandes, und ich sehe ihn jeden Tag auf meinem Rundgang mit besonderer Liebe an.

Das Buschböckchen ist – um einen Vergleich zu gebrauchen – der Zaunkönig unter den Antilopen, nur daß es nicht wie dieser kleine Spektakelmacher unseres heimischen Waldes sich stets durch auffallendes, lautes Benehmen zu verrathen pflegt. Im Gegentheil, die Afrikajäger können es gar nicht drastisch genug schildern, wie es ihnen anfangs trotz aller Zurufe und Fingerzeige ihrer eingeborenen Führer ganz unmöglich war, das Zwergwild in dem Zweig- und Laubgewirr des halbdunklen Buschwaldes zu entdecken. Das Buschböckchen ist so klein – es erreicht nicht einen Fuß Höhe und Rumpflänge, eine für ein Hufthier fast unglaubliche Winzigkeit! – daß es von vornherein leicht übersehen wird, zumal es auch in der Farbe seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, dem dichten Unterholz, ganz vortrefflich angepaßt ist. Die Hauptfarbe ist ein Mausgrau mit zart bläulichem Anflug, das an Kopf und Gliedern in ein lichtes Fuchsroth, auf der Unterseite des Körpers in Weiß übergeht. Der kurze, jedoch nicht stummelhafte Schwanz ist auf der oberen Fläche dunkel, an den Seiten weiß und zwar lang zweizeilig behaart nach Art des Eichhornschwanzes. Die kleinen spitzen Hörnchen, die für gewöhnlich nur der Bock tragen soll – bei allen Pärchen, die ich bis jetzt gesehen habe, besaßen sie beide Geschlechter – gleichen in Form und Größe den Akazien- oder Mimosendornen und werden von einem Haarschopf, der sich zwischen den Ohren erhebt, halb verdeckt; sie sind schwarz gefärbt, ebenso wie die unbeschreiblich niedlichen Hufe. In Figur und Haltung zeigen die Zwergantilopen wie alle kleinen Wiederkäuer, sogar der verhältnißmäßig noch sehr große Schweinshirsch, eine gewisse Annäherung an die Nagetiere, insbesondere an die südamerikanischen Hufpfötler, z. B. das Aguti, und zwar durch den im Vergleich mit den Beinen massig und schwer erscheinenden Körper sowie den etwas gekrümmt getragenen Rücken und die im Zusammenhang damit besonders stark geknickten Hinterläufe. Ob dies wohl daraus zu erklären ist, daß alle diese Thiere bei ihrer Ortsbewegung vielfach auf Hochsprünge angewiesen sind, zumal die Zwergantilopen, für die ein kräftiger Grasbüschel schon ein ansehnliches Hinderniß zu nennen ist? Abgesehen von den sehr großen Thränengruben, die öfters in ihrer ganzen Länge mit vertrockneter Absonderung gefüllt sind, erinnert auch der Kopf der Zwergantilope einigermaßen an die genannten Nager, und zwar besonders durch die großen Augen und die gebogene Linie des Profils; in der Vorderansicht dagegen erweist die schmale, nackte, dunkel fleischfarbene Muffel unzweifelhaft die Wiederkäuernatur.

Das Freileben der Zwergantilope hat uns Brehm geschildert mit der ganzen klassischen Anschaulichkeit, die diesem großen Thiermaler in Worten eigen ist. Er führt uns in das eigentliche Wohngebiet des Thierchens, den afrikanischen „Busch“ ein, jene kreuz und quer von einer Unzahl von Schlingpflanzen durchrankten, für jeden größeren Körper undurchdringlichen Dickichte von Baum- und strauchartigen Gewächsen, wie sie sich besonders an den Betten der Wildbäche entlang ziehen. Hier, wo der Tisch mit zarten Mimosenblättern, mit saftigen Gräsern und allerhand grünen Trieben und Knospen stets reichlich gedeckt ist, führt das Buschböckchen mit seinem Weibchen ein stillvergnügtes Gnomendasein. Es lebt stets paarweise, niemals in Rudeln, und auch das Junge bleibt nur so lange bei den Alten, bis es selbständig ist. Wenn nur die bösen Feinde nicht wären! Aber deren hat unser Antilopenzwerg, wie alle die Kleinen im Thierreich, eine ganze Schar. Obenan steht natürlich der Mensch. Der Farbige zwar, der Abessinier oder der Kaffer, stellt ihm nicht allzu heftig nach, für seinen Appetit ist der kleine Schelm kein Gegenstand; den weißen Jäger dagegen, den weidwerkskundigen Afrikareisenden, reizt die Schwierigkeit der Jagd und die mit der Jagd verbundene Beobachtung des klugen, niedlichen Thierchens, die in der That ein köstliches Vergnügen, eine wahre Augenweide sein muß. Wiederum unseren Brehm, den weidgerechten Forscher, in Gedanken auf den Pirschgang begleitend, sehen wir den schlauen Bock, der uns natürlich schon eher gewahrt hat als wir ihn, erst eine Weile regungslos im Dickicht stehen und dann ganz sachte im Dunkel des „Busches“ verschwinden, gefolgt von der getreuen Ehehälfte; wir hören den scharf schneuzenden Warnungston in dem Augenblick, ehe das Pärchen in pfeilgeschwinden Sätzen über die nächste Lichtung flüchtet, und das Jagdfieber ergreift uns fast bei dem schwierigen Schusse auf das kleine Wild, das bei der unglaublich

raschen Bewegung kaum zu erkennen ist. Selbst mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_534.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)