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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Einfachheit und Bescheidenheit ändern. Sie hat dies Gelöbniß gehalten. Dio Cassius giebt ihr das Zeugniß: „Und in der That führte sie während der ganzen Regierung das untadelhafteste Leben."

Es ist und bleibt eben ein wahres Wort: Weibliche Tugend, weibliche Seelengröße macht nicht halb so viel von sich reden wie die Ungebühr jener entarteten Frauen, die auf irgend einem Gebiete die Schranken, mit denen die Natur sie umgiebt, zu durchbrechen wagen. Von der besten Frau spricht man am wenigsten. Deshalb muß man sich die Belege zur Ehrenrettung der spätrömischen Frauenwelt aus Privatbriefen zusammensuchen, während die Annalen der Weltgeschichte und die Skandalchroniken der Epigrammendichter voll sind von Einzelheiten über die Ausschreitungen nicht nur entarteter Fürstinnen, sondern auch solcher Personen, von denen uns außerdem nichts übermittelt wird als ihr Name.


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Erfinder-Lose.

Alois Senefelder und die Steindruckerei.
Von Eduard Grosse.

Die Lithographie ist eine der wichtigsten Erfindungen des 18. Jahrhunderts!“ So schrieb vor mehr als achtzig Jahren der damalige Kronprinz Ludwig von Bayern mit Umdrucktinte auf ein Stück Papier, als er die Senefeldersche Steindruckerei in München besuchte. Und in der That ist die Lithographie oder Steindruckerkunst nächst dem Buchdruck das hervorragendste Vervielfältigungsverfahren; sie ergänzt diesen aufs trefflichste, da sie sich besonders zur Wiedergabe von Vorlagen eignet, die sich nur schwer dem Buchdruck fügen.

Auch die Schicksale der Erfinder beider Künste haben einige Aehnlichkeit. Gutenberg wie Alois Senefelder arbeiteten ihre Erfindungen unter aufreibender Thätigkeit und hinderlichen Geldsorgen zu einem Grade der Reife aus, welcher ihren Nachfolgern nur noch wenig zu verbessern übrig ließ; beide hatten die erhebende Genugthuung, noch zu Lebzeiten ihre Erfindung siegreich durch alle Länder schreiten zu sehen, sie als eine ruhmreiche That preisen zu hören; beide starben endlich nach einer mühevollen Laufbahn arm und unbemittelt, nachdem sie ihre letzten Lebensjahre von einer bescheidenen Altersversorgung gezehrt hatten. Aehnlich wie Gutenberg hat auch Senefelder den Undank seiner Mitmenschen kennengelernt, und seine Erfahrungen über das Los des Erfinders brachte er in seiner Münchener Mundart drastisch zum Ausdruck, indem er einem jungen Steindrucker den Rath ertheilte: „Hüten S’ sich vor dem viele Quacksalbere und Experimentiere; schaun’s, alle anderen werden reich durch meine Erfindung und ich bleib’ ein armer Lump!“

Geboren wurde Alois Senefelder am 6. November 1771 zu Prag, wo sein Vater als Schauspieler angestellt war; derselbe verzog jedoch später mit seiner Familie nach München, da er hier eine Anstellung an der kurfürstlichen Hofbühne gefunden hatte. In Alois’ Adern rollte Künstlerblut; sich gleichfalls der Bühne zu widmen, war sein Trachten. Der Vater aber wünschte, Alois solle studieren, und so fügte sich der Sohn und bezog nach vollendetem Besuch des Gymnasiums die Universität. Als bald darauf der Vater starb, zauderte Senefelder nicht länger, seinem inneren Drange zu folgen, das Studium aufzugeben und sich der Schauspielkunst zuzuwenden, um so mehr, da ihm nach dem Tode des Vaters die Mittel zur Fortsetzung seines Studiums fehlten. Er fand Anschluß an eine wandernde Schauspielertruppe und zog mit dieser in Süddeutschland umher, wobei er das Elend des fahrenden Schauspielerstandes zur Genüge kennenlernte. Nach zwei Jahren herber Enttäuschungen entschloß er sich, die Bühnenlaufbahn wieder aufzugeben; er kehrte nach München zurück und beschäftigte sich mit litterarischen Arbeiten.

Bereits früher hatte Senefelder einige Theaterstücke verfaßt, von denen „Der Mädchenkenner“ an der Münchener Hofbühne erfolgreich zur Aufführung kam und nach der Drucklegung einen Ueberschuß von 50 Gulden einbrachte. Dadurch ermuthigt, gab er ein zweites Stück auf eigene Rechnung zum Drucke; dieser wurde aber nicht rechtzeitig zur Messe fertig, infolgedessen war der Absatz gering und die Einnahme genügte kaum, um die Kosten zu decken. Ein harter Schlag für den mittellosen Senefelder! Doch das Mißgeschick vermochte ihm sein Unternehmen nicht zu verleiden, es spornte im Gegentheil seinen Unternehmungsgeist nur noch mehr an und wurde in der Folge der Anstoß zur Erfindung der Steindruckerei, mit welcher Senefelder der Welt ein ungleich werthvolleres Geschenk gemacht hat als mit seinen Theaterstücken.

Sein Mißerfolg war hauptsächlich vom Buchdrucker verschuldet, da dieser die Lieferungsfrist nicht eingehalten hatte. Um sich nun von den Buchdruckern unabhängig zu machen, faßte er den abenteuerlichen Gedanken, selbst eine Druckerei einzurichten und seine Geisteskinder eigenhändig mit Schrift und Schwärze zu verewigen. Dieses kühne Vorhaben scheiterte indessen an der Armseligkeit seiner Kasse, die nicht entfernt zur Beschaffung der nöthigen Geräthschaften zureichte. Dessenungeachtet gab er die Idee nicht wieder auf und versuchte, auf einem anderen Wege als dem des gewöhnlichen Buchdrucks zum Ziele zu gelangen.

Zunächst hielt er sich noch an die Technik des Buchdruckes und bemühte sich, eine Art von Stereotypplatten herzustellen, doch ohne Erfolg. Hierauf machte er Versuche mit einer Kupferplatte; er schrieb die Schrift in Aetzgrund, mit welchem er die Platte überzogen hatte, um später die in den Aetzgrund radierten Schriftzüge mit Säuren vertieft zu ätzen. Dabei war es nöthig, die Schrift im Spiegelbild, also verkehrt, auf die Platte zu bringen, da sie beim Abdruck von dieser auf das Papier ebenso umgekehrt zum Vorschein kommt, wie die Buchstaben beim Abdruck eines Petschaftes in Siegellack. Dieses Verkehrtschreiben bereitete ihm große Schwierigkeiten, und um die theure Kupferplatte bei den vielen Schreibübungen nicht zu verderben, benutzte er hierzu einen Kehlheimer Sandstein, den er sonst zum Verreiben der Farben verwendete. Diesen Stein überzog er ebenso wie die Kupferplatte mit Aetzgrund und übte sich, in diesen die Buchstaben im Spiegelbild zu ritzen.

Als er eines Tages wieder mit derartigen Uebungen beschäftigt war und eben im Begriff stand, flüssigen Aetzgrund über den gereinigten Stein zu gießen, störte ihn seine Mutter mit der Bitte, ihr schnell einen Wäschezettel zu schreiben. Senefelder wollte dem Wunsche nachkommen, suchte jedoch vergebens nach einem Stück Papier, fand auch, daß die Tinte eingetrocknet war, da er in der letzten Zeit die Schriftstellerei über seinen Druckversuchen gänzlich vernachlässigt hatte. Die Wäscherin wartete, die Mutter drängte zur Eile, und so schrieb Senefelder den Wäschezettel kurz entschlossen mit seinem flüssigen Aetzgrund auf den gereinigten Stein. Als er später den Wäschezettel auf Papier abgeschrieben hatte und eben die Schrift wieder vom Stein entfernen wollte, kam ihm der Gedanke, zu versuchen, wie sich der mit Aetzgrund beschriebene Stein gegen aufgegossenes verdünntes Scheidewasser verhalten würde. Der Aetzgrund bestand aus Wachs, Seife und Kienruß, wurde also vom Scheidewasser nicht angegriffen, und so folgerte Senefelder, daß möglicherweise die Steinplatte rings um die mit Aetzgrund bedeckten Schriftzüge vom fressenden Scheidewasser vertieft würde, wogegen die Schriftzüge selbst erhöht stehen bleiben würden. Er faßte den Stein mit einem Wachsrande ein, goß das Scheidewasser darauf und ließ ihn fünf Minuten lang unter der Einwirkung der Säure stehen. Nachdem er diese abgegossen hatte, fand er seine Voraussetzung bestätigt. Alle nicht mit Aetzgrund bedeckten Stellen waren um die Stärke eines Kartenblattes vertieft geätzt, die Schriftzüge dagegen in ursprünglicher Höhe stehen geblieben. Nun schwärzte er die erhabenen Schriftzüge mit Buchdruckfarbe ein, versuchte, Abdrücke auf Papier zu machen — und siehe da, sie gelangen ganz leidlich.

Damit hatte Senefelder zwar noch nicht die eigentliche Lithographie, immerhin aber ein brauchbares Vervielfältigungsverfahren gefunden. Er setzte seine Versuche noch einige Zeit fort und vervollkommnete das Verfahren so weit, daß er vollständig reine und saubere Abdrücke herzustellen vermochte.

Es mußte nun sein erstes Bestreben sein, die Erfindung geschäftlich auszunutzen und darauf womöglich ein Privilegium zu erhalten. Dazu aber war vor allen Dingen Geld nöthig, das Senefelder leider nicht besaß! Vergeblich bemühte er sich, eine kleine Anleihe zu machen; vergebens griff er zu dem verzweifelten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_528.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)