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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

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Blätter & Blüthen


Anton von Perfall. (Mit Bildniß.) Der Schriftsteller, welcher in dieser Nummer mit einem neuen Werke hervortritt, ist den Lesern der „Gartenlaube“ nicht unbekannt. Haben sie auch sein leibhaftiges Konterfei noch nicht zu schauen bekommen, so haben sie doch Gelegenheit gehabt, von seiner litterarischen Persönlichkeit sich eine Vorstellung auszuprägen, und der Verfasser von „Ein verhängnißvolles Blatt“, „Der Sprung im Glase“ und „Truggeister“ ist, so hoffen wir, bei unseren Freunden in guter Erinnerung. Sie kennen ihn als einen Autor von jener kräftigen Art, die darauf hindrängt, die Bilder und Gestalten der Phantasie in knappen Strichen auf das Papier zu werfen, als einen Autor, dem ein weiter Gesichtskreis und ein sicherer Blick für die Auswahl seiner Stoffe und ihre Durchführung im einzelnen zu Gebote steht und der es gerade dadurch versteht, seinen Werken den Stempel einer geschlossenen Eigenart aufzudrücken.

Anton von Perfall ist am 11. Dezember 1853 auf dem väterlichen Schlosse Greifenberg am Ammersee geboren. Er ist, um dies hier gleich hinzuzufügen, ein Bruder des Kölner Feuilletonisten und Romandichters Karl von Perfall und ein Neffe des Münchener Hoftheaterintendanten Karl von Perfall. Auf der Universität zu München widmete er sich philosophischen, hauptsächlich geschichtlichen und volkswirthschaftlichen Studien, die aber eine jähe Unterbrechung erfuhren, als ihn, den Vierundzwanzigjährigen, eine heiße Leidenschaft für die damals am Münchener Hoftheater wirkende Tragödin Magda Irschick erfaßte.

Anton von Perfall.

Als Gatte dieser hochbegabten Schauspielerin theilte er mit ihr die ruhmreichen Künstlerfahrten durch Amerika bis nach San Francisko und Mexiko, und mancher dankbare Stoff fiel auf diesen Kreuz- und Querzügen auch für den späteren Romandichter ab. Nach Europa zurückgekehrt, führte das Paar noch eine Zeitlang ein vielgestaltiges Wanderleben, bis es sich in dem stillen schönen Erdenwinkel Schliersee niederließ. Dort lebt Anton von Perfall seit 1885 ausschließlich seiner schriftstellerischen Thätigkeit, die ihm bald einen geachteten Namen in der deutschen Lesewelt erwarb. Rasch nacheinander erschienen eine Reihe von Romanen und Novellen, und wir dürfen bei der Fruchtbarkeit des Perfallschen Talents sicher sein, daß dem Werk, mit dessen Veröffentlichung wir heute beginnen, noch viele von ähnlicher Kraft folgen werden.

Eine Hinrichtung in Granada. (Zu dem Bilde S. 465.) Vierhundert Jahre sind es her, seit die Herrschaft der Mauren in Granada zusammenbrach; jener 2. Januar 1492, an dem Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastilien einzogen in die langumstrittene Stadt, war ein Tag des Jubels in der Christenheit und er gab auch der Seele Isabellas jenen höheren Schwung, in welchem sie Kolumbus seine drei Schiffe zur Westfahrt nach Indien bewilligte. So steht der Fall von Granada mit der Entdeckung Amerikas in einem ursächlichen Zusammenhang.

Aber zu so hohem Glanze er auch das kastilische Herrscherhaus emporhob, für die Stadt selbst war er der Anfang vom Ende. Unter den Mauren war Granada ein blühendes Gemeinwesen von 400 000 Einwohnern, heute zählt es deren wenig über 70 000. Und was von der Stadt gilt, das gilt von der ganzen umliegenden Provinz.

Der Maler Theophile Lybaert führt uns in das maurische Granada, an ein Thor der Alhambra, jener herrlichen Burg hoch über der Stadt, die heute noch die Besucher in Entzücken versetzt. Aber der Akt, der auf unserem Bilde sich abspielt, steht in rauhem Gegensatz zu der künstlerisch schönen Umgebung. Es ist eine Hinrichtung. Drinnen in dem weitläuftigen Bauwerk liegt ein prächtiger Saal, der „Saal der Gerechtigkeit“. Dort, darf man annehmen, ward zu Gericht gesessen über den Verbrecher – und alsbald führt man den Verurtheilten hinaus vor das Thor, wo er durch den Strang vom Leben zum Tode gebracht wird. In grausamer Neugier drängt das Volk zu dem aufregenden Schauspiel – darin nicht besser und nicht schlechter als unsere eigenen Altvordern bis in unser Jahrhundert herein – kaum zurückgehalten durch die berittene Wache, starrt es nach dem am Boden liegenden Delinquenten. Ist’s ein gemeiner Räuber oder Dieb, oder ist’s ein gedungener Meuchelmörder, den ein vertriebener Prätendent gegen den König von Granada aussandte? Das Bild giebt uns darauf keine Antwort. Aber die Geschichte berichtet uns, daß die maurischen Herrscher in Spanien selten ihres Thrones und Lebens sicher waren.

Die Behandlung Verunglückter. Die Samariterbewegung zieht in Deutschland immer weitere Kreise – zu Nutz und Frommen des Volkes kann man sagen, denn die Befürchtung, die man anfangs hegte, die Einweihung der Laien in chirurgische Geheimnisse werde Schaden stiften, hat sich als ungerechtfertigt erwiesen. So müssen wir die von Zeit zu Zeit erscheinenden neuen Auflagen der Samariterbücher als ein erfreuliches Zeichen betrachten; denn sie beweisen, daß die Kenntniß der in den Samariterschulen gelehrten gemeinnützigen Thatsachen in immer weitere Kreise des Volkes dringt. In neuer Auflage erschien auch ein kleines Werk, das diese Belehrung der Laien bereits zu einer Zeit anstrebte, da es in Deutschland noch keine besonderen Schulen für diesen Zweck gab.

Schon vor Jahrzehn[t]en hat Dr. M. Pistor, Regierungs- und Geheimer Medizinalrath, im amtlichen Auftrage „Die Behandlung Verunglückter bis zur Ankunft des Arztes“ bearbeitet. Die kleine Schrift zeichnete sich durch außerordentliche Kürze und Klarheit der Darstellung aus; denn sie hatte die Absicht, in dringenden Fällen den Nichtarzt rasch zu belehren, wie er bei Scheintod und allen Unglücksfällen sachgemäß Hilfe leisten solle, solange ein Arzt nicht zur Stelle sei. Die neue Auflage (Verlag von Th. Ch. Fr. Enslin, Berlin) besitzt die alten Vorzüge, sie ist aber außerdem eine „vermehrte und verbesserte“, denn der Verfasser hat noch einige neue Krankheitsbilder, wie z. B. den Hitzschlag, den früher besprochenen hinzugefügt; ferner sind die Abbildungen neu und schärfer gezeichnet worden, so daß aus ihnen bei den einzelnen Hilfeleistungen jede Fingerstellung sofort und ohne Gefahr eines Mißverständnisses ersichtlich ist. Das Werkchen ist in drei Ausgaben erschienen: in Buchform, in Taschenformat und als Plakat. So fügt es sich zweckmäßig in die Hausbibliothek jedes vorsorglichen Familienvaters ein; Polizei- und Bahnbeamte, Bademeister, Schiffer, Vorarbeiter, Bergführer können es stets bei sich führen, und als Plakat sollte es überall dort zu finden sein, wo ein größeres Publikum sich ansammelt, wie in Wartesälen, öffentlichen Anstalten, Fabriken u. dergl.

Zur Anschaffung von solch billigen und dabei äußerst nützlichen Plakaten möchten wir namentlich kleinere Stadt- und Landgemeinden ermuntern, in denen die Samariterschulen noch nicht in Aufnahme gekommen sind. *      

Der Badersee. (Mit Abbildung S. 469.) Wo die höchste Zinne des Deutschen Reiches, die Zugspitze, mit ihren weißgrauen Steilwänden jäh nach dem grünen Loisachthal abstürzt, spiegeln sich ihre Schrofen in zwei kristallklaren Alpenseen, dem wildromantischen Eibsee und seinem kleineren Ebenbild, dem Badersee. Dieses Kleinod landschaftlicher Schönheit und idyllischer Waldeinsamkeit liegt zwei Wegstunden von der Station Partenkirchen entfernt, gerade so weit abseits der Kultur, um noch deren Bequemlichkeiten zu genießen, und doch weit genug, um einem Liebhaber stiller und großer Natur eine friedliche Einsamkeit zu bieten. Harzreich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_480.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2024)