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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

derart erschlaffen, daß für diese ein ungewohnter kräftiger Reiz nur nützlich ist. Der vegetarianische Küchenzettel mit der geringen Auswahl von Gängen, mit den einfach zubereiteten Mehlspeisen, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Gemüsen und Obst thut hier sehr wohl, und nach einiger Zeit kehrt dann der so auf Fastenkost gesetzte Feinschmecker wieder gebessert zu seinen gewohnten Fleischtöpfen zurück. Jener Küchenzettel hat zwar nicht viel Verlockendes für sich, aber immerhin läßt sich mit ihm einige Wochen, wohlgemerkt nicht allzulange, auskommen, und das aus reinem ungebeutelten Weizenmehl bereitete Schrotbrot (Grahambrot), das eine große Rolle unter diesen Tafelgenüssen spielt, wird oft in die frühere Speiseordnung hinübergenommen.

Ein Vegetarianer genießt zum Frühstück Schrotmehlsuppe oder Kakao oder auch Milch, dann Weizenschrotbrot mit Obst, Obstmus, auch mit Butter oder Honig. Das Mittagessen bietet Obstsuppe, Gemüse, Hülsenfrüchte, Rüben, Spargel, Kohl, Kartoffeln, Reis, Graupen, Milch- und Mehlspeisen, Obst und Schrotbrot. Zur Abendmahlzeit kommt wieder Brot mit Obst auf die Tafel und, wenn es nicht gar zu strenge hergeht, Käse, Butter, Eierspeise. Entsprechend dem Zwecke einfacher, naturgemäßer Lebensweise ist Wein und Bier verboten und als Getränk nur reines Wasser, Himbeerwasser oder Milch gestattet. Auf solche Weise erzielen vollsaftige, an Trägheit des Blutumlaufes und Schwäche der Darmthätigkeit leidende Personen oft recht günstige Erfolge, nur darf man nicht mit der übertriebenen und ungerechtfertigten Behauptung kommen, die Vegetarianerdiät sei für den Menschen die einzig richtige und in der Enthaltung von Fleischkost beruhe das Heil der gesammten Menschheit.

Das Schloß.   Gruppe aus dem Festspiel.
Zur sechshundertjährigen Jubelfeier der Stadt Celle.
Nach einer Zeichnung von C. Grote.

Schließlich sei noch der Eiweißentziehungsdiät gedacht. Denn auch das Eiweiß, so bedeutungsvoll die Rolle desselben für den Haushalt des Körpers ist, kann unter Umständen dem Organismus mit Vortheil entzogen werden. Bis zu einem gewissen Maße findet dies bei Fiebernden statt. Von der früheren Anschauung, daß man dem Fieberkranken jegliche Nahrung verweigern müsse, um nicht Oel ins Feuer zu gießen und durch Zufuhr von Nahrungsstoffen die erhöhte Körpertemperatur noch mehr zu steigern, von dieser Anschauung ist man gegenwärtig abgekommen; aber aus mehreren, der genaueren Erkenntniß vom Wesen des Fiebers entnommenen Gründeu ist man bestrebt, dem Fiebernden das Eiweiß nur in geringer Menge und in sehr leicht verdaulicher Form zu reichen und die Kost so einzurichten, daß in derselben die stickstofflosen Nahrungsstoffe die stickstoffhaltigen überwiegen. Neben dem Wasser, dem für Fieberkranke unentbehrlichsten Nahrungsmittel, zu dessen Genusse ja schon der vermehrte Durst treibt, bilden Abkochungen, welche vorzugsweise Stärkemehl, Zucker und Leimstoffe enthalten, die zweckmäßigsten Bestandtheile in der Ernährung Fiebernder. Mehlsuppen aus Weizenmehl, Gerstenmehl, Hafermehl, Gries, Reismehl, mit Kochsalz oder Zucker versetzt, Fleischbrühen, namentlich die leimreiche aus Kalbsfüßen und etwas Kalbfleisch bereitete Brühe, leimhaltige Gelées, Milch mit Wasser verdünnt, Bouillon mit Ei sind solche Gerichte, die, mit der nöthigen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Verdauungsorgane und des Standes der allgemeinen Körperkräfte, dem Fiebernden gereicht werden und den Zweck erfüllen, eine Diät zu bieten, in welcher das Eiweiß nicht zu reichlich enthalten ist.

In der jüngsten Zeit hat man die Eiweißentziehungsdiät auch bei solchen Stoffwechselerkrankungen empfohlen, bei denen man eine übermäßige Ansammlung von Eiweißstoffen in den Säften annehmen zu müssen glaubte, so bei der Krebskrankheit. Man giebt solchen Kranken eine an Stickstoff und phosphorsauren Salzen arme Kost. Bei der Eiweißentziehungsdiät werden alle Fleischspeisen gemieden, ebenso Fische, Krebse, Austern und Muscheln,

Eier, Käse und Hülsenfrüchte, ferner Bier und schwere Weine,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_385.jpg&oldid=- (Version vom 11.11.2020)