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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Neuzeit ausgestatteten Schießstand hält. Ein fast ununterbrochenes Schießen ist darum auch das schon von fernher hörbare Wahrzeichen Suhls. Im übrigen steht auf Grund eines Reichsgesetzes vom 1. April 1892 ab die Haltbarkeit der Gewehrläufe und Verschlüsse noch außerdem unter Staatskontrolle, so daß dem Jäger volle Gewähr für unbedingt sichere Waffen geboten wird.

Auf dem Schießstand.

Es bleibt uns zum Schlusse nur noch übrig, einen Blick auf das Lager fertiger Schußwaffen zu werfen, wobei wir uns ungefähr einen Begriff von dem Reichthum an Gewehrarten machen können. Neben den zahlreichen Jagdflinten mit den mannigfaltigsten Verschlußsystemen fallen uns zunächst Doppelgewehre mit verschiedenem Kaliber auf. Es sind dies sogenannte Büchsflinten, für deren Schrotlauf man die alte weite Bohrung beibehalten hat, während der gezogene Kugellauf den Ansprüchen der Neuzeit Rechnung trägt und für kleinkalibrige Geschosse eingerichtet ist. Hat man auch bei unseren inländischen Jagdgewehren das Repetiersystem noch nicht eingeführt, so nähern sich ihm doch die dreiläufigen Gewehre, die sogenannten „Drillinge.“ Der dritte Lauf befindet sich unter den beiden oberen Läufen, an der Stelle, wo bei den alten Vorderladern der Ladestock steckte, und eine besondre Einrichtung des Schlosses ermöglicht es, daß zum Abfeuern der drei Läufe nur zwei Hähne nöthig sind. Je nach Wunsch und Bestellung sind entweder die beiden oberen Läufe weit und glatt gebohrte Schrothläufe, während der untere ein kleinkalibriger Büchsenlauf ist, oder sind umgekehrt die beiden oberen Läufe gezogen und der untere ein Schrotlauf. Diese Konstruktionen sind ganz neu und noch wenig bekannt.

Besondere Ansprüche stellen ferner unsere afrikanischen Kolonien, und man hat sich in Suhl beeilt, denselben gerecht zu werden. Noch vor wenigen Jahren hat wohl kein Mensch daran gedacht, daß unsere immerhin beschränkten Jagdverhältnisse sich derartig ändern würden, daß man auf „deutschem“ Gebiet Löwen, Elefanten, Rhinocerosse und andres Edelwild zur Strecke bringen würde. Für diese Löwenjagden nun sowie für die Erlegung der Dickhäuter sind besonders stark und schwer gebaute Gewehre erforderlich, da sie eine sehr kräftige Pulverladung aufnehmen müssen. So ein Elefanten-Doppelgewehr wiegt sechzehn Pfund, und das Geschoß sieht aus wie eine kleine Granate; es ist ein Stahlgeschoß mit Bleimantel und sitzt auf einer Pulverladung von fünfzehn bis zwanzig Gramm. Es ist selbstverständlich, daß man ein solches Monstrum von Gewehr nicht wie eine gewöhnliche Büchse handhaben kann, da der Rückstoß beim Abfeuern so stark ist, daß der Schütze selbst in Gefahr geräth; deshalb wird auch der Kolben in der Regel mit einer Guttaperchapolsterung versehen, welche diesen Rückstoß mildern soll. Uebrigens führt Suhl auch schnellfeuernde Präcisionswaffen für die ostafrikanische Schutztruppe.

Wir stehen am Schlusse unserer Wanderung.

Für alle, welche der geschilderten Industrie fern stehen, ist ein derartiger Besuch nicht nur höchst belehrend, sondern er wirkt auch erzieherisch auf uns ein. Zweierlei Empfindungen haben wir aus Suhl mit hinweggenommen: Respect vor der deutschen Arbeit und Achtung vor dem einfachen Arbeiter in der blauen Bluse, der da mit rauher, aber geschickter Hand so bewundernswerthe Dinge vollbringt. Möchte der Leser und das nachempfinden!


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_275.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)