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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Soubise mit seinen Generalen und Offizieren, seinen Schauspielerinnen und Freundinnen, in deren Kleidern und Reifröcken sehr bald die preußischen Soldaten satirische Stücklein aufführten, nachdem sie am 5. November 1757 etwa anderthalb Meilen südwestlich von Merseburg die Franzosen bei Roßbach geschlagen und Soubisens Lager, Munition und – Schminktöpfchen erbeutet! Am 8. November abends zog dann der glorreiche Sieger von Roßbach, Friedrich der Große, in Merseburg ein und am folgenden Vormittag besichtigte er die im innern Schloßhof aufgestellten eroberten Kanonen und sonstigen französischen Beutestücke.

Die nächsten vierzig Jahre waren für Merseburg endlich einmal eine Friedenszeit. Aber 1806 brach die französische Hochfluth noch einmal über die Stadt herein, und das alte Schloß mußte am 18. Oktober den korsischen Eroberer selber in seinen Mauern aufnehmen – ihn und seine 13 Köche! Als zehn Jahre später Merseburg im Wiener Kongreß mit einem Theile Sachsens an Preußen abgetreten worden war, sah das Schloß den neuen Landesherrn, König Friedrich Wilhelm III., einziehen. Und nun endlich blieb es auch Frieden rings um den ehemaligen Bischofssitz, Frieden, so gewaltige Kämpfe Deutschland auch noch auszufechten hatte, bevor es zu seiner jetzigen Einheit, Macht und Größe gelangte.

Das Schloß ist nunmehr Sitz der Regierung des Bezirks Merseburg. Umgeben von einem ausgedehnten, herrlichen Schloßgarten, der sich an der rauschenden Saale entlang zieht, stellt es sich uns in seiner Gesammtheit dar als eines der schönsten Denkmäler der mitteldeutschen Renaissance, in welchem Reichthum der künstlerischen Gestaltung und guter Geschmack sich vereinigen. Namentlich sind die Fassaden des innern Schloßhofes bewundernswerth in der geschmackvollen Verwerthung einer wahren Fülle von architektonischen und rein ornamentalen Motiven. Ein Beispiel dafür giebt das Hauptportal des nördlichen Flügels, die beiden flankierenden Säulen, zwischen denen sich das sächsische Wappen von 1605 befindet, werden bekrönt von den Gestalten der beiden Schutzheiligen des Stiftes: auf der einen Seite Sankt Johannes mit dem Lamm, auf der andern der heilige Laurentius, mit der Linken auf den Rost gestützt. Derselbe Flügel des Schlosses weist auch noch den wunderschönen Erker auf, den unsre Abbildung Seite 223 wiedergiebt.

Im innern Schloßhof, in dessen Nordostecke sich der „Treppenthurm“ mit einer prächtigen Wendeltreppe erhebt, spendet sein Wasser der reich gestaltete Schloßbrunnen, ein auf dreieckiger Basis aufgebauter Neptunsbrunnen; im mächtigen äußern Schloßhof aber ist außer der Hauptwache noch der neue Rabenkäfig untergebracht, der, eben seines „historischen“ Bewohners wegen, für die Mehrzahl der Schloßbesucher einen der Hauptanziehungspunkte abgiebt.

Ueberragt ist das Schloss von drei Thürmen: dem Treppenthurm innen an der Nordostseite, dem „Pagen“- oder „Trabantenthurm“ außen vor dem Westflügel und dem „Konditorthurm“ an der Außenseite des Nordflügels, der seinen Namen davon hat, daß er vor dem ehemaligen Küchenanbau des Bischofs von Schleinitz steht; der vierte auf unsrer Abbildung sichtbare Thurm gehört zu dem Dome, der dicht an das Schloßgebäude stößt und unmittelbar von ihm aus durch das Portal der sogenannten Bischofskapelle betreten werden kann. Außen vor dem Schlosse zieht sich an der Nord- und Ostseite der schon erwähnte schöne Schloßgarten entlang, der mit großartigen Pavillons, herrlichen Aussichtspunkten und Rondellen geschmückt und von alten, schattigen Alleen durchzogen ist. Und an dem ehrwürdigen Bau vorüber zieht der Fluß mit seinem trauten Wellengeflüster – und in die Seele klingt ein fröhliches Studentenlied:

  „An der Saale hellem Strande
  Stehen Burgen stolz und kühn!“



Blätter und Blüthen.



Großherzog Ludwig IV. von Hessen. (Mit Bildniß.) Wieder ist einer jener Fürsten hingegangen, die in dem entscheidenden Kriege von 1870/71 die deutsche Einheit, die Größe des Vaterlandes miterrungen haben – am 13. März verschied Großherzog Ludwig von Hessen an den Folgen eines Schlaganfalls, der seiner thatkräftigen Natur ein frühes Ziel setzte. Ein offenes Herz für das Wohl seines Landes und darüber hinaus für die Größe Deutschlands, ein reger Sinn für die Forderungen einer neuen Zeit zeichnete ihn aus; leutselig und wohlwollend im Umgang, wußte er sich das Vertrauen seines Volkes zu gewinnen. Was unter seinem Kommando die braven Hessen besonders bei Gravelotte und in den Kämpfen an der Loire leisteten, wird unvergessen bleiben.

Großherzog Ludwig IV. von Hessen †.
Nach einer Photographie von C. Backofen, Hofphotograph in Darmstadt.

Nicht ganz fünfzehn Jahre war es dem Fürsten vergönnt, die Regierung zu führen. Sein Oheim, Großherzog Ludwig III., starb kinderlos am 13. September 1877, ihm folgte der am 12. September 1837 geborene Prinz auf dem Throne. Schon das nächste Jahr brachte ihm einen herben Verlust, den mit ihm das ganze Land schwer empfand – seine Gemahlin Alice, die edle Tochter der Königin Viktoria von England, wurde plötzlich von der Diphtherie hinweggerafft. Aus der Ehe mit dieser englischen Prinzessin entstammt der Erbgroßherzog Ernst Ludwig, der jetzt im jugendlichen Alter von 23 Jahren den väterlichen Thron bestiegen hat. Mit ihm und seinem Lande betrauert das deutsche Volk den Heimgang eines Fürsten, der es ernst nahm mit der Aufgabe, durch Verbesserungen auf allen Gebieten das Wohl seiner Unterthanen zu fördern.

Der Kilimandscharo. (Zu dem Bilde S. 200 und 201.) Unsere Leser wissen, daß der Kilimandscharo, jene gewaltige Gebirgsmasse in Deutsch-Ostafrika, aus zwei Bergen besteht – der höhere, der in die Kaiser Wilhelm-Spitze ausläuft, heißt der Kibo, der niedrigere der Mawensi. Der Kibo, dessen Kraternatur sich noch ganz deutlich erkennen läßt, ist mit Gletschern ausgefüllt. Er bietet in seiner majestätischen Einfachheit ein Bild von ergreifender Größe. Mit seiner funkelnden Schnee- und Eishaube ist er jetzt der Hauptberg, und der zerklüftete zernagte Mawensi, den unser Bild wiedergiebt, tritt gegen seinen Bruder zurück. Aber das war nicht immer so; einst überragte der Mawensi hoch den Kibo, ja er sah den jetzt so stolzen zu seinen Füßen entstehen und emporwachsen, denn der Mawensi ist der ältere Bruder.

Es gab einst eine Zeit, wo der Kibo und alle die kleinen Bergkegel rings um ihn noch nicht da waren und aus der Ebene nur ein Berg sich erhob, der Mawensi. Er war der ursprüngliche Vulkan. Er arbeitete ruhig und stetig; schreckend gewaltige Ausbrüche, durch welche ganze Berge in die Luft geblasen und ganze Länderstrecken in die geschmolzene Lavafluth getaucht werden, fanden hier nicht statt. Allmählich quoll und floß das flüssige Innere über die Mündung des Vulkans und erhöhte immer mehr und mehr seinen Rand, bis der aus Lavaschichten, Geröll und Tuffsteinmassen gebildete Schlund eine solche Höhe erreichte, daß die unterirdischen Kräfte zu schwach waren, das Gewicht der Lavasäule bis zu der Oeffnung zu heben. Von Zeit zu Zeit fand hier noch ein Ausbruch statt, bis der Vulkan gezwungen wurde, zu erlöschen oder sich eine andere Krateröffnung zu bilden.

Letzteres geschah westlich vom Mawensi, der, nachdem er seine Thätigkeit eingestellt hatte, nach und nach sein Haupt in Eis und Schnee hüllte. Der neue Krater, der heutige Kibo, wetteiferte im Verlauf der Zeit bald mit seinem Nachbar an Höhe, thürmte sich dann noch höher hinauf, zermalmte das eisgraue Haupt des Mawensi mit einem Regen von Felsblöcken und drohte ihn unter seinen vulkanischen Ausbrüchen zu begraben.

Inzwischen hatten auch andere Kräfte an dem Mawensi ihr Zerstörungswerk begonnen. Regen, Frost und Schnee arbeiteten an seinem Verderben, indem sie allmählich die lose Asche wegspülten, welche einst den Krater gebildet hatte, die fester gefügten Lavafelder unterwühlten und bergabwärts spülten, bis endlich der feste Kern als ein zerfressener, vom Wetter zerzauster Gipfel herausragte; nur eine leichte Einsenkung verräth die Linien des ursprünglichen Kraters. Die schöne Hohlkurve, welche so charakteristisch ist für große Vulkane, ist nur noch von Osten her zu erkennen. Das Schicksal des Mawensi ereilte auch bald nachher den Kibo. Eine Höhe wurde erreicht, welche allen Versuchen des Vulkans spottete, die Lava bis zur Oberfläche zu heben, und so löschte auch er aus wie jener. –

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_225.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2021)