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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


den älteren Gästen und dieser ziemlich grünen Jugend. Vorhin hörte ich Walters ältesten Jungen mit Doktor Seiler ein Gespräch über die Aussichten im Kolonialdienst führen, und der gab ihm wirklich Antwort, als wenn er einen Erwachsenen vor sich hätte. Das ist ja doch wahrhaft komisch. – Nein, ich muß sagen, ich bin enttäuscht. Man hat mir von den reizenden Abenden hier im Hause soviel erzählt, aber dies ist ja nur – wie soll ich sagen? – ein erweitertes Familienleben; dafür zieht man sich doch nicht an und geht abends aus. Wer nicht wirkliche Gesellschaften geben kann, der soll es bleiben lassen und nicht mit solchen Halbheiten dergleichen thun. Das ist meine positive Ansicht von der Sache."

Und die Sprecherin hob ihr stattliches Doppelkinn würdevoll aus der Spitzenumrahmung ihres Halsausschnittes hervor. Frau Malchen sah sie betroffen an. Für sie hatten Ansichten etwas unbedingt Imponierendes, auch wenn, wie eben jetzt, ihr eigenes unsicheres Empfinden nach einer andern Richtung steuerte. Sie war immer sehr gern hier, ihr Mann ebenfalls, und Walters gaben ja auch andere Gesellschaften, warme Soupers, und recht gut gekocht. Sie hatten es ja jetzt dazu, vollends seit noch die Erbschaft von Frau Walters Eltern dazu kam. Aber diese Abende, die gaben sie absichtlich so einfach, es war eben ihre Ansicht so.

Und im Eifer dieser anstrengenden prinzipiellen Entwicklung hätte sich Frau Malchen beinahe zu einer ausdrücklichen Billigung letztgenannter Ansicht aufgeschwungen.

Das Gespräch der beiden Damen hatte einen unbemerkten Zuhörer gehabt. Leise durchschritt der alte Professor Mayer, der dem Geburtstag zuliebe auch auf eine Stunde anwesend war, das Zimmer, in dem sie auf dem Sofa plauderten, und hörte den Schluß ihrer Unterhaltung. Er lächelte still vor sich hin, trat dann in den großen Salon zurück und ließ sich von Elsbeth ein Glas Bowle geben. Damit trat er dann einen Schritt vor und begann, mit seinen ruhig-heiteren Augen Walter und Emmy im Kreise ihrer Gäste fixierend:

„Meine Freunde! Wenn man einen glucklich preist, wie es heute unserem Walter mit Fug und Recht geschehen ist, so denkt man dabei zunächst an alles, was ihm ein günstiges Geschick beschert hat: Ehre und Erfolg, Gesundheit und Gedeihen in der Familie. Aber das ist nur die Hälfte eines vollen Menschenglückes und die andre Hälfte ist das Wohlgefühl, welches man sich verschafft in sittlicher Arbeit an sich selbst, in unablässiger Uebung jeder Pflicht von der größten bis zur kleinsten herab. Dieses Glück brauchen wir nicht von außen zu erwarten, wir haben es ganz in unserer eigenen Hand! Daß nun unsere Freunde es verstanden haben, es in ihrer Mitte anzupflanzen und zu pflegen, bis es fest und unerschütterlich gewurzelt ist, dafür möchte ich sie heute glücklich vor vielen preisen. Unsere Zeitgenossen in ihrem hastigen Ringen nach Effekt und Auszeichnung vergessen so leicht, daß die innere Zufriedenheit auch dabei sein muß und daß diese nur aus tiefen, ins Gemüth reichenden Wurzeln erwächst! Wohl der Familie, welche den schlimmen Zeitgeistern zum Trotze die Einfachheit hochhält und im Streben nach edlen Zielen jedes Streberthum nach leerem Scheine entbehren kann! Ihre Kinder werden das ganz sein, was sie nach ihrer Anlage werden können, und sich über das Unerreichbare, das andere unglücklich macht, ruhig bescheiden. Und wenn dann die Freunde zur schönsten Form der Geselligkeit, zur erweiterten Familie“ – er sprach diese Worte mit besonderem Nachdruck – „zusammentreten, so fühlen auch sie sich von dem guten Geiste des Hauses angeweht und froh im Gedanken, daß es in der Oede unserer konventionellen Geselligkeit noch solche Mittelpunkte des unverfälschten Menschenthums giebt. Ihnen gilt mein Spruch! Möge die deutsche Familie ihre höchste Ehre darein setzen, Hüterin unserer besten Güter zu sein, möge sie uns zurückführen aus der Trockenheit einer selbstsüchtigen Verstandesbildung zu dem Reichthum des Gemüthslebens, welcher der ewige Jungbrunnen unseres deutschen Volkes ist. Alles wirklich Große, alles wahrhaft Beglückende entstammt dem Gemüth – wie arm müßten wir werden, wenn wir dauernd den personlichen Vortheil, den nervösen Ehrgeiz, die Uebersättigung mit Vergnügen dem einfachen Glücke der Liebe, des Vertrauens, der harmonischen Lebensführung vorziehen wollten! .. Wir sind weit gekommen seit zwanzig Jahren in praktischen Fähigkeiten, im Gewinn äußerer Güter, wir müssen weiter kommen und die inneren wieder finden. Wir müssen den neuen anspruchsvollen Zeitgeist durch den alten guten Familiengeist unseres deutschen Volkes überwinden, der uns getröstet hat in Zeiten der Trübsal, der uns nicht verloren gehen darf in Glanz und Besitz, denn wahrlich! diese wären damit zu theuer erkauft.

Auf ihn also hebe ich mein Glas, auf den wohlbekannten idealen Schutzgeist. Möge er ein zeitgemäßes neues Gewand anlegen und als verjüngter und bester Zeitgeist uns ins kommende Jahrhundert führen!“




Franz Drake.


Es war im September des Jahres 1513. Ein Zug bewaffneter Spanier, von Bluthunden begleitet, von Indianern geführt, klomm die Pässe der Anden hinauf. Sie waren von der Küste des Atlantischen Oceans aufgebrochen und wollten die Landenge von Panama durchqueren, um das große Meer jenseit Amerikas zu erreichen, das bis Tahiti noch keines Europäers Auge geschaut hatte und das den Spaniern nur aus den Berichten der Eingeborenen bekannt war.

Am 25. September um 10 Uhr morgens traten die indianischen Führer an den Befehlshaber der Spanier, den kühnen Ritter Vasco Nuñez de Balboa, heran und theilten ihm mit, daß er von der nächsten Anhöhe das andre Meer erblicken werde. Ein denkwürdiger Augenblick in der Geschichte der Eroberung der Erde nahte.

Balboa fühlte es, und so befahl er seinen Begleitern, zurückzubleiben, und ging allein auf die Spitze der waldentblößten Anhöhe. Von hier erblickte er einen gliederreichen Golf, der sich nach dem andern Weltmeer öffnete. Da warf sich der Entdecker auf die Kniee, jauchzte mit erhobenen Armen den australischen Gewässern zu und dankte inbrünstig Gott für die Gnade, die er ihm erwiesen. Bald darauf standen die Spanier an der Mündung des kleinen Savanasflusses, und als die Fluth herankam und das halbentleerte Bett sich füllte, da sprang Balboa in voller Rüstung, die Fahne mit dem Bilde der Jungfrau in der Linken, das gezückte Schwert in der Rechten, bis an die Kniee in das brandende Meer und ergriff für die Krone von Kastilien Besitz „von diesen australischen Meeren, Ländern, Gestaden, Häfen und Inseln, mit ihren Reichen und Marken vom Nordpol bis zum Südpol!“

So wurde im Jahre 1513 der Große Ocean entdeckt. Aber den Namen erhielt er damals noch nicht; die Spanier, die von Norden gekommen waren, nannten ihn die „Südsee“, und sie hatten keine Ahnung von seiner wirklichen Größe.

Sieben Jahre später segelte ein Portugiese in spanischen Diensten durch die von ihm entdeckte Straße im Süden Amerikas vom Atlantischen Ocean in die Südsee hinein. Es war Magalhães, der erste Weltumsegler; er trat die Heldenfahrt durch das unbekannte Meer an, welches nunmehr in seiner wahren Größe erkannt wurde – „als ein ungeheueres Meer, das größer ist, als man fassen kann“, wie einer seiner Begleiter schrieb.

Magalhães fiel am 27. April 1521 im Kampfe mit den Eingeborenen auf der Insel Matan, aber sein Steuermann Sebastian del Cano vollendete die Erdumseglung, und am 6. September 1522 lief die „Victoria“, von Würmern zerfressen, geflickt, mit gebrochenen Masten und zerrissenen Segeln, in den Hafen von San Lucar ein, den sie vor drei Jahren verlassen hatte.

Der Große Ocean war erschlossen; aber er blieb ein spanisches Meer. Spanische Schiffe befuhren ihn; sie brachten die Schätze Perus nach Panama, von wo sie nach der Küste des Atlantischen Oceans befördert wurden. Man scheute die mühselige Fahrt durch die Magellanstraße. Ja, wenige Jahrzehnte nach Magalhães’ Tode schrieb ein Spanier, „die Straße sei den spanischen Piloten jetzt verloren gegangen, entweder weil man ihre richtige Lage nicht mehr wisse, oder vielleicht, weil eine von dem stürmischen Meere und wüthenden Winden losgerissene Insel sie verstopft habe."

Erst als Spaniens Stern zu sinken und England nach der Herrschaft der Meere zu trachten begann, erstand ein Nachfolger

Magalhães’ in dem englischen Seehelden Franz Drake; erst im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_220.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2020)