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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

noch durch die Temperatur der Luft beeinflußt. Kalte Luft kann nur wenig Wasserdampf aufnehmen, warme mehr. Ein Kubikmeter Luft von 0° C. Wärme vermag z. B. in Gestalt unsichtbaren Dampfes eine Menge Wasser in sich aufzulösen, die etwa 5 g wiegt. Ein Kubikmeter Luft von +10° C. ist schon imstande, 9½ g Wasser aufzulösen, und in einem Kubikmeter Luft von +15° C. finden etwa 13 g Wasserdampf Raum. Die atmosphärische Luft ist aber nicht immer mit Wasser völlig gesättigt; es herrscht ja bei uns abwechselnd feuchte und trockene Witterung.

Nehmen wir nun an, daß an einem Tage die Temperatur der Luft +15° C. beträgt und daß die in einem Kubikmeter dieser Luft thatsächlich aufgelöste Wassermenge 9½ g beträgt. Gegen den Abend kühlt sich die Luft ab. Das Thermometer zeigt auf +10° C. In diesem Augenblick ist die Luft völlig mit Wasser gesättigt; sollte die Temperatur noch mehr sinken, so könnte die kühler gewordene Luft das Wasser nicht mehr in der Form von Wasserdampf festhalten; das Wasser müßte aus ihr in Gestalt von feinen Tröpfchen ausgeschieden werden, und dies geschieht in der That: kühlt sich die Luft noch weiter ab, so fällt Thau, und der Temperaturgrad, bei welchem die Luft völlig mit Wasser gesättigt erscheint, giebt uns den Thaupunkt an.

Der Thau ist somit die Folge der Abkühlung der Luft – sobald er sich aber bildet, beginnt er gegen die Abkühlung anzukämpfen; denn wenn Stoffe aus gasigem in flüssigen Zustand übergehen, so wird Wärme frei. Die Thaubildung trägt also wieder zur Erwärmung der Luft bei. Nehmen wir nun wieder an, daß an einem Frühlingsabend die Luft derart mit Wasserdampf gesättigt sei, daß die Thaubilduug bei +5° C. eintritt. Der Himmel ist klar, in der Nacht wird sich die Erde durch Strahlung abkühlen: wird dann ein Nachtfrost eintreten? Nein, denn der Thau wird bei seiner Entstehung Wärme entwickeln, und dadurch die Abkühlung bis unter 0° verhindern. Wenn aber die Luft so wenig Wasser enthält, daß die Thaubildung erst bei –1° C. beginnen kann, dann ist Nachtfrost sicher zu erwarten, denn die Abkühlung der Luft wird ungehindert solange vor sich gehen, bis der in ihr vorhandene Wasserdampf erst unter dem Gefrierpunkt in Form von Reif aus ihr ausgeschieden wird. Daraus ergiebt sich die Regel: liegt bei ruhiger klarer Witterung am Abend nach Sonnenuntergang der Thaupunkt der Luft einige Grade über dem Gefrierpunkt, so ist Nachtfrost nicht zu befürchten, wohl aber, wenn derselbe unter dem Gefrierpunkt sich befindet. Es ist also nur nöthig, nach Sonnenuntergang den Thaupunkt zu bestimmen, um sofort beurtheilen zu können, ob Nachtfrost droht oder nicht.

Der Thaupunkt wird mit Hilfe des „Psychrometers“ bestimmt. Dieser Apparat besteht aus zwei in ihrem Gange übereinstimmenden Thermometern, welche nebeneinander aufgehängt sind. Die Kugel des einen Thermometers ist mit Musselin umwickelt, welcher in ein unmittelbar darunter stehendes Gefäß mit destilliertem Wasser oder Regenwasser reicht, so daß die Kugel beständig feucht gehalten wird. Wenn nun die Luft nicht vollständig mit Wasserdampf gesättigt ist, so wird von dem feuchten Musselin Wasser verdunsten und dem Thermometer Wärme entziehen. Das feuchte Thermometer wird also niedriger stehen als das trockene. Aus den Temperaturangaben der beiden Thermometer läßt sich nun die jedesmalige Luftfeuchtigkeit und die Lage des Thaupunktes berechnen. Dazu sind allerdings kleine Tabellen nöthig, die wir hier aus Raumrücksichten nicht wiedergeben können. Wer solche Beobachtungen anstellen möchte, den verweisen wir auf eine kleine treffliche Schrift von Dr. C. Lang, Direktor der k. b. Meteorologischen Centralstation in München, „Die Vorausbestimmung des Nachtfrostes“, die im Verlag von Otto Salle in Braunschweig erschienen ist und nur 30 Pfennig kostet.

Eine durch Ermittlung des Thaupunktes am Abend gestellte Vorhersage des Nachtfrostes läßt nur in äußerst seltenen Fällen im Stiche und ist für den Landwirth und Gärtner eine hinreichend sichere.

Die Erfahrung hat indessen noch eine andre, allerdings nicht so sichere, aber doch immer noch brauchbare Methode gelehrt. Man hat beobachtet, daß die Temperatur, welche ein mit feuchtem Läppchen umwickeltes Thermometer in irgend einer Nachmittagsstunde zeigt und die niedrigste Temperatur der darauffolgenden Nacht stets in gewisser Wechselbeziehung zueinander stehen; und zwar ist das Temperaturminimum der Nacht während des ganzen Jahres 3 bis 4° C. niedriger als die am Nachmittag von einem feuchten Thermometer angegebene Temperatur. Demzufolge ist ein Nachtfrost wahrscheinlich, wenn das feuchte Thermometer nachmittags etwa 3° C. oder weniger über dem Gefrierpunkt zeigt.

Die Sicherheit dieser Vorausbestimmungen wird noch wesentlich durch die Berücksichtigung der allgemeinen Wetterlage erhöht, wie sie aus den Berichten verschiedener Meteorologischer Stationen täglich entnommen werden kann. Wer sich über diese schwierigere Kunst orientieren und die Witterungsberichte in Zeitungen mit Verständniß und Nutzen lesen will, dem können wir ein „für alle Berufsarten“ bestimmtes Buch vom Abtheilungsvorstand der Deutschen Seewarte, Prof. Dr. J. van Bebber empfehlen: „Die Wettervorhersage“, das neuerdings im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart erschienen ist. C. F.     


Die Sonnenflecken.

Von Professor Dr. A. v. Braunmühl.

Auf unserm Sonnenball war es in der letzten Zeit auffallend lebendig. Man beobachtete dort eine stark erhöhte Thätigkeit, und auf der Erde trat gleichzeitig das Schauspiel des Nordlichts mit besonderem Glanze auf. Die Sonnenflecken, jene räthselhaften Erscheinungen an unsrer Licht- und Wärmespenderin, erschienen in ungewöhnlicher Größe und beschäftigen nunmehr wie je die Gedanken der Himmelsforscher und die Aufmerksamkeit der Laien. So dürfte es nicht unangemessen sein, einmal einen Rückblick zu werfen auf die Entwicklung unserer Kenntnisse von diesem Gegenstand und die gegenwärtigen Anschauungen darüber mitzutheilen.

Soviel uns bis jetzt bekannt ist, sind die Chinesen die ersten gewesen, welche Sonnenflecken gesehen haben; in einer Encyklopädie von Ma Twan Lin finden sich nämlich fünfundvierzig den Zeitraum von 301 bis 1205 nach Christus umfassende Beobachtungen angegeben, in denen die Flecken in Bezug auf ihre Größe mit Eiern, Pflaumen etc. verglichen werden. Von Huyana Capac aber, dem Inka von Peru, der im Jahre 1525 starb, weiß der Spanier J. de Acosta zu berichten, derselbe habe mit freiem Auge Flecken in der Sonne beobachtet und deshalb an ihrer göttlichen Natur zu zweifeln begonnen.

Eine Erscheinung, die mit Sicherheit auf Sonnenflecken zurückzuführen ist, erwähnt auch der Biograph Karls des Großen, der berichtet, vom 16. April 807 an sei ein kleiner, schwarzer Flecken acht Tage lang in der Sonne gesehen worden; den Beobachter führt er nicht an, wahrscheinlich ist derselbe jedoch in der Person Eginhards, des Geheimschreibers von Karl dem Großen, zu suchen. Diese Mittheilung blieb unbeachtet, bis Kepler in seiner Optik darauf zurückkam und meinte, der beobachtete Flecken habe seinen Grund in einem sogenannten Merkurdurchgang gehabt, wobei Merkur zwischen Erde und Sonne zu stehen komme und sich folglich als ein schwarzer Punkt von der Sonnenscheibe abhebe. Diese Anschauung suchte er auch durch eine Beobachtung am 28. Mai 1607 zu bestätigen, die nach seiner Meinung dieselbe Erscheinung betraf. Jedoch schon einige Jahre später, als inzwischen die wirkliche Existenz von Sonnenflecken unzweifelhaft erwiesen worden war, zeigte Galilei, daß Kepler nicht recht habe, und er stützte diese Ansicht mit so triftigen astronomischen Gründen, daß Kepler, der stets der Wahrheit die Ehre gab, bald seinen Irrthum zugestand.

Nun hielt sich Kepler aber für den ersten Entdecker der Sonnenflecken, indem er sich mit Simon Marius verglich, der auch die Jupitermonde zuerst gesehen habe, ohne sie zu kennen; doch wird man diesen Anspruch nicht anerkennen dürfen. Der Ruhm der eigentlichen Entdeckung der Sonnenflecken gehört vielmehr Johann Fabricius (geb. 1587, gest. um 1615), dem Sohne des bekannteren friesischen Astronomen David Fabricius. Johann Fabricius entwirft in dem Werke „Narratio de maculis in sole observatis“ oder „Bericht über Flecken, die in der Sonne gesehen wurden“ (Wittenberg, 1611) eine eingehende Schilderung der Erscheinungen, die ihm im Dezember 1610 das wirkliche Vorhandensein von Sonnenflecken unzweifelhaft machten. Ja er schloß sogar in diesem Werke aus der beobachteten Bewegung der Flecken auf die Umdrehung der Sonne, welche Kepler vorher nur geahnt hatte.

Ohne von der wichtigen Entdeckung des J. Fabricius Kenntniß erhalten zu haben, sah P. Christof Scheiner, Professor für Mathematik und Hebräisch zu Ingolstadt, im März 1611 ebenfalls Flecken in der Sonne, die er in drei Briefen an seinen Freund, den Augsburger Patrizier Markus Welser, einen hochgebildeten Gönner der Wissenschaften, genau beschrieb. Interessant ist es für unsre heutige Anschauungsweise, aus dem ersten Briefe zu sehen, mit welchem Erstaunen Scheiner seine eigene Entdeckung aufnimmt; denn für die noch ganz in der Aristotelischen Ansicht von der absoluten Reinheit der Sonne befangenen Geister der damaligen Zeit war es etwas ganz Unerhörtes, in diesem Gestirn Flecken wahrzunehmen. So sehr waren diese Ansichten eingewurzelt, daß Scheiner, obgleich er die Richtigkeit seiner Beobachtungen mit den scharfsinnigsten Schlüssen zu stützen wußte, dennoch bei der von Welser 1612 besorgten Herausgabe seiner drei Briefe mit seinem Namen nicht hervorzutreten wagte, sondern als „Apelles latens post tabulam“, als „Apelles hinter dem Gemälde“ erschien.

Aber die Zeit der Aristotelischen Weltanschauung war eben vorüber, seit Galilei durch seine gewaltigen Entdeckungen die Beobachtung und die Erfahrung als oberste Grundsätze und Leitsterne der Naturwissenschaft hingestellt hatte.

An ihn, den großen Reformator, sandte auch Markus Welser, der mit den berühmtesten Gelehrten seiner Zeit in Briefwechsel stand, zwei Exemplare der drei Briefe des Apelles. Galilei

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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_208.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)