Seite:Die Gartenlaube (1892) 195.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)



BLÄTTER UND BLÜTHEN

Fürs Rothe Kreuz. (Zu den Bildern S. 192 u. 193.) Zu den Anziehungspunkten der Ausstellung für das Rothe Kreuz, Armeebedarf etc., welche in den Tagen vom 4. bis 12. Februar dieses Jahres in Leipzig stattfand, zählte vor allen: die Ausstellung des „Landesvereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger im Königreich Sachsen“; denn dieser Verein führte nicht nur Krankenbaracken, Krankenwagen und Lazarethgeräthschaften vor, sondern beschickte auch die Abtheilung für das Rothe Kreuz mit einer Kolonne von Felddiakonen in kriegsmäßiger Ausrüstung.

Das Felddiakonenwesen bildet eine der wichtigsten Abtheilungen in der vielgestaltigen Organisation der freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Während die Kolonnen der freiwilligen Krankenträger sich zumeist aus Mitgliedern der Kriegervereine und Feuerwehren zusammensetzen, aus ernsten verheiratheten Männern, die in der Schule der Armee Gehorsam gelernt haben, bilden die freiwilligen Krankenpfleger ein besonderes Glied des Lazarethpersonals. Diakonen der evangelischen „Brüderanstalten“, barmherzige Brüder der katholischen Krankenpflegerorden und gut empfohlene Civilkrankenwärter liefern einen berufsmäßig ausgebildeten Stamm, der jedoch für die Bedürfnisse des Krieges durchaus nicht ausreichen würde. Es haben sich darum in verschiedenen Landestheilen Deutschlands Genossenschaften für freiwillige Krankenpflege im Kriege gebildet, deren Mitglieder den Namen „Felddiakonen“ führen. Der erste Versuch mit denselben wurde im Jahre 1870/71 gemacht, und da er sich sehr gut bewährte, so wurde die Ausbildung von freiwilligen Krankenpflegern dieser Art seit dem Jahre 1886 von den deutschen Vereinen vom Rothen Kreuz zur ständigen Einrichtung erhoben. Der Eintritt in einen solchen Verein ist an gewisse Bedingungen geknüpft: der Bewerber muß christlichen Sinnes und Wandels, militärfrei und so gestellt sein, daß er ohne Entgelt den Ausbildungskursus, der mit dem Lazarethdienst etwa 10 Wochen dauert, durchmachen und dann alljährlich an einem Wiederholungskursus theilnehmen kann. Die außerordentlichen Mitglieder, die sich aus allen Ständen rekrutieren, werden im Kriege als Delegierte, Vorstände, Verwalter und Kolonnenführer verwendet; den ordentlichen Mitgliedern liegt die Ausübung der eigentlichen Krankenpflege ob, sie bestehen zumeist aus Lehrern, Handwerkern und Studenten.

Sobald das Personal der freiwilligen Krankenpflege den Kriegsschauplatz betritt, muß es eine vorschriftsmäßige Uniform anlegen. Die Orden der Johanniter, Malteser und Georgsritter erscheinen in ihrer Ordenstracht: die Delegierten, d. h. die oberen Beamten des Rothen Kreuzes, tragen schwarzen Rock mit goldenen Achseltressen, schwarzen Paletot mit Kapuze, Degen und weiße Mütze mit schwarzem rothgeränderten Randstreifen. Die Uniform der Krankenträger und Krankenpfleger wird durch unsere Abbildung auf S. 192 veranschaulicht. Sie besteht in grauer Joppe mit Nickelknöpfen, grauem Mantel mit Kapuze, grauem Beinkleid in Kniestiefeln, weißer Leinwandmütze mit schwarzem rothgeränderten Randstreifen und Sturmriemen, über der Landeskokarde ein rothes Kreuz; die durch die Genfer Konvention vorgeschriebene weiße Binde mit rothem Kreuze muß am linken Oberarm getragen werden.

Die Ausrüstung des freiwilligen Personals ist je nach dessen Bestimmung eine verschiedene: Instrumenten- oder Verbandtaschen, Reinigungstaschen, Beile, Sägen, Zangen, Hämmer, Nägel zur Herstellung improvisierter Feldbettstellen, Labeflasche und Brotbeutel, Tornister mit verschiedenen Verband- und Stärkungsmitteln – bilden die wichtigsten Bestandtheile dieser sorgfältig erwogenen Ausrüstung.

Die hier folgende Abbildung zeigt einen Theil der Uebungen, welche auf dem Ausstellungsplatz vorgenommen wurden: das Befördern einer Tragbahre in den Wagen eines Lazarethzuges. –

Aus früheren Ausstellungen für Volksernährung und Kochkunst sind die Massenspeisungen der Truppen weiteren Kreisen bekannt. Die meisten Ausstellungsbesucher stellen sich in der Nähe der gedeckten Tische auf und sehen mit Freude zu, wie das Bataillon mit gutem Appetit die vollen Schüsseln leert. Unser Zeichner führt uns auf seinem Bilde S. 193 in die Räume, in welchen die Köche schwitzen und in denen höhere Offiziere und Militärärzte sich die Feldkochapparate erklären lassen und das Essen auf seine Güte prüfen. Am lebhaftesten wird hier das Treiben, wenn unerwartet die Meldung kommt, eine Kompagnie rücke heran und solle in kürzester Frist abgespeist werden. Die Leistungen der Aussteller fielen auch diesmal bei allen Proben glänzend aus. Auf zu harte Probe wurde die Ausstellung nur einmal gestellt, als zugleich ein besonderer Kochapparat zur Verwendung vorgeschrieben wurde, der erst vorgewärmt werden mußte und beim Eintreffen der Meldung nicht vorgewärmt war; da wurde das Essen allerdings nicht zur rechten Zeit fertig.

Im großen und ganzen zählte jedoch die Gruppe für den Armeebedarf zu den bestbeschickten und bewies, daß unsere Industrie große Fortschritte gemacht hat und im Nothfalle die Truppenverpflegung von ihr aufs kräftigste gefördert werden wird.

*     

Spätgothischer Kelch aus der Kirche
von Mediasch in Siebenbürgen.

Kelch aus der Kirche von Mediasch. (Mit Abbildung.) Es ist nicht bloß landsmannschaftliche Antheilnahme, mit welcher wir Deutsche die jahrhundertelange Geschichte der Siebenbürger Sachsen betrachten. Es bleibt unter allen Umständen eine der geschichtlich merkwürdigsten Erscheinungen, wie dieser von der Heimath weit hinweg verpflanzte Volkstheil, umgeben von fremden, oft widerstrebenden Kräften, sich seine nationale Eigenart wahrt und trotz der erschwerenden Umstände in den Werken der Kultur nicht hinter den Brüdern in der alten Heimath zurückbleibt, sondern in allen Stücken mit ihnen gleichen Schritt hält.

Unsere Abbildung ist ein Beleg dafür. Sie zeigt einen durch Feinheit der Arbeit und Schönheit des Aufbaus ausgezeichneten spätgothischen Kelch aus der evangelischen Kirche zu Mediasch, Komitat Groß-Kokelburg. Das Kunstwerk ist ungefähr 29 Centimeter hoch, oben am Rande 11 Centimeter weit, aus leicht vergoldetem Silber, stellenweise mit Granaten geschmückt.

Nach den freundlichen Mittheilungen des Herrn Stadtpfarrers Johann Oberth zu Mediasch wurde dieser Kelch laut Ausweis eines alten Stiftungsverzeichnisses im Jahre 1677 von den Erben eines Andreas Seidner, welcher von 1660 bis 1666 Bürgermeister der Stadt Mediasch war, zum ehrenden Angedenken an den Verstorbenen der Kirche zum Gebrauch beim Abendmahl gewidmet. Auf der inwendigen Seite des Fußes befindet sich die Inschrift „Andr. Seid.“ Danach darf man wohl annehmen, daß niemand anders als eben jener Andreas Seidner selbst der Verfertiger des Kelches gewesen ist; denn Andreas gehörte, wie noch andere Bürgermeister vor und nach ihm, der zu jener Zeit hoch in Blüthe stehenden Zunft der Goldschmiede von Mediasch an. Wir erhalten dadurch auch eine ziemlich genaue Zeitbestimmung für das schöne Werk, und mit Wehmuth erinnern wir uns daran, daß um dieselbe Zeit im deutschen Stammland, welches eben von den Schrecken und dem Elend des Dreißigjährigen Krieges aufzuathmen begann, wohl wenig Sinn für ein derartiges Werk vorhanden sein mochte. =     

Eine Neuerung in der Glasfabrikation. In dem altehrwürdigen Gewerbe der Glasmacher spielte der mühsame und ungesunde Blasprozeß eine bedeutende Rolle. Das soll nun anders werden! Früher wurden Glasscheiben in der Weise hergestellt, daß große hohle Cylinder geblasen wurden, die man nachher aufschnitt und preßte. Der Glasfabrikant Simon hat nun ein Verfahren erfunden, nach dem das zähe Glas durch Rollen gewalzt wird und so seine flache und glatte Gestalt erhält, und zwar in jeder beliebigen Länge und Breite. Das so behandelte Glas ist gleichartig und fest, zäh und klar; seine Oberfläche besitzt einen Glanz, der an den des besten geschnittenen Glases erinnert. Der Haupttheil des neuen Systems besteht in dem Gebrauche hohler Metallwalzen, die von innen her mit Dampf oder Gas geheizt werden. Diese Walzen nehmen das flüssige Glas unmittelbar aus den Schmelzöfen heraus und dehnen es in große Tafeln aus. Durch die neue Behandlungsweise werden die Kräfte und die Gesundheit der Arbeiter viel mehr geschont und das Publikum kommt billiger in den Besitz eines vielbegehrten Artikels. F. K.     

Anton Rubinstein. (Zu dem Bilde S. 189.) Noch vor nicht allzu langer Zeit hieß es, Anton Rubinstein, wohl der berühmteste unter den gegenwärtigen Meistern des Klaviers, habe dem öffentlichen Auftreten in Konzerten ganz entsagt, um sich ausschließlich seinem Beruf als Komponist zu widmen. Nun hat er doch seinen Entschluß geändert, geändert aber in einer so hochherzigen Weise, daß ihm die Anerkennung der Besten nicht fehlen wird. Er hat nämlich nach einander in Wien und Berlin Konzerte veranstaltet, deren Ertrag ausschließlich wohlthätigen Zwecken zufloß. Das Berliner Konzert z. B. hat mit der Hauptprobe zusammen nicht weniger als 16854 Mark abgeworfen, welche bis auf 2000 Mark an Berliner gemeinnützige Anstalten aufgetheilt wurden. Jene 2000 Mark aber kamen den nothleidenden russischen Kolonien zugute.

Unsere Silhouette stammt aus Privatbesitz. Sie zeigt das kräftige Profil des Meisters vor dem Instrument, dem er den Haupttheil seines Ruhms und dem nun viele Arme und Nothleidende willkommene Hilfe verdanken.

Ein Gesundheitsbuch für Eltern und Erzieher. An Büchern über die Gesundheitspflege der Kinder von der Wiege bis in das schulpflichtige Alter haben wir in der volksthümlichen Litteratur keinen Mangel. Die Zahl derselben wird durch ein neues vermehrt, das aber mit dem gewöhnlichen Maße nicht gemessen werden darf; denn in ihm tritt als volksthümlicher Lehrer einer der berühmtesten deutschen Forscher auf. Das Buch „Wie behütet man Leben und Gesundheit seiner Kinder?“ (Wien, Braumüller) hat den ehemaligen Professor der Physiologie an der Wiener Universität, Dr. Ernst Brücke, zum Verfasser.

Man unterscheidet in der medizinischen Welt Praktiker und Theoretiker. Ernst Brücke war kein Praktiker, seine Lebensaufgabe bestand darin, im wissenschaftlichen Laboratorium die Gesetze zu erforschen, nach denen der gesunde menschliche Organismus lebt und webt. Das Werk aber, das jetzt nach seinem jüngst erfolgten Tode erscheint, verfolgt durchaus praktische Ziele. Auf den ersten Blick könnte es befremdlich erscheinen, daß ein Mann von so hohem wissenschaftlichen Rufe sein eigenstes Wissensgebiet verläßt und ein ihm ferner liegendes popularisiert.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_195.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2020)