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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Und auch zu Hause waren die Schwierigkeiten groß. „Der Uebermuth und die Völlerei der Ausländer,“ berichtet Harkort in seiner „Geschichte von Wetter“, „Mangel an passenden Materialien und guten Wegen, die Unerfahrenheit der hiesigen Arbeiter – all dies führte eine Menge Uebelstände herbei, welche man heute nicht mehr kennt. Allein durch Beharrlichkeit behauptete sich die neue Industrie. Sie hat die alte feudale Burg erobert und in ihr einen bleibenden Sitz aufgeschlagen, in welchem Eisen und Stahl in die mächtigsten Waffen des Gewerbfleißes umgeschaffen werden.“

Nach siegreicher Schlacht. (Zu dem Bilde S. 73.) Dem Sieger öffentlich den Kranz zu reichen, ist der Frau des Morgenlandes untersagt, aber der Orientale legt ebenso gern als der Abendländer die erbeuteten Trophäen einer geliebten Frau zu Füßen und erzählt stolz und freudig seine Thaten. So steht hier in dem säulengetragenen reichgeschmückten Gemach der junge Mamelukenbey Ali, der Sieger über die räuberischen Nomadenstämme der Wüste. Einen Theil der erbeuteten Waffen hat er in den Harem bringen lassen, unter Fatmes Augen, die seit kurzer Zeit hier als Alleinherrscherin gebietet. Er hoffte auf einen entzückten Willkommgruß – und sieht sich getäuscht. Stumm hingestreckt ruht die Schöne auf ihrem von reichen Decken verhüllten Lager und hört mit unbewegter Miene Alis Schlachtbericht an. Ist sie selbst eine Tochter des Stammes, dessen Männer und Jünglinge er hingeschlachtet hat, oder fühlt sie überhaupt Abneigung vor dem stolzen herrischen Aegypter, der sie als Ware gekauft hat, um dann in plötzlicher Leidenschaft für sie zu entflammen? Die vertraute Sklavin wüßte das jedenfalls zu sagen – sie läßt den Arm mit dem Straußenfächer ruhen und blickt gespannt der Herrin ins Gesicht. Wird sie sich beherrschen oder verrathen? Wer weiß?

Der Künstler will offenbar den Beschauer mit dieser Frage entlassen. Das Original dieses Bildes aus nordafrikanischer Vergangenheit, eine bewundernswerthe Leistung farbengesättigter Aquarelltechnik, hat auf der Münchener Ausstellung von 1890 lebhaften Beifall gefunden.Bn.     

Die Ermordung König Gustavs III. von Schweden. (Zu dem Bilde S. 88 und 89.) Im Jahre 1771 hatte Gustav III. den Thron bestiegen, und sein ganzes Streben ging nun dahin, gestützt auf den Bürger- und Bauernstand, die in dem Reichsrath verkörperte Macht des Adels zu brechen; es gelang ihm auch, mit Hilfe des Heeres, dessen Offiziere er für sich gewonnen, 1772 den Umsturz der bestehenden Verfassung durchzuführen. Er ließ die Reichsräthe verhaften und dann eine neue Verfassung verkündigen, in welcher die Herrschaft der Stände durch eine gemäßigte Königsherrschaft ersetzt wurde. Gustav that viel für das Land, für Ackerbau, Handel und Bergbau, Kunst und Wissenschaft – er richtete sich ganz nach dem Vorbild seines Onkels Friedrich II. von Preußen. Doch französischen Einflüssen zugänglich, dem Glanz des Königthums der Bourbonen nacheifernd, richtete er seinen Hofstaat auf großem Fuße ein und führte ein verschwenderisches Leben. Seine Politik hatte einen phantastischen Zug, und zuletzt faßte er gar den abenteuerlichen Gedanken, im Bunde mit den Großmächten Europas der französischen Revolution Halt zu gebieten, den König Ludwig XVI. zu retten und in seine alte Macht und Herrlichkeit einzusetzen; doch ehe er den Kreuzzug gegen die Pariser Volksherrschaft beginnen konnte, wurde er vom Verhängniß dahingerafft: am 16. März 1792, also vor hundert Jahren, wurde er auf einem Maskenball in dem Stockholmer Theater durch einen Schuß in den Rücken schwer verletzt und erlag am 29. März seiner Wunde.

An der Verschwörung gegen den König betheiligten sich die Grafen Horn und Ribbing, die Freiherrn Bjulke und Pechlin, der Oberstlieutenant Liljehorn und endlich der Hauptmann Anckarström, der bereits früher als Führer der Unzufriedenen in Untersuchung gekommen war und den König erbittert haßte. Nach allgemeiner Annahme war er es, welcher den tödlichen Schuß abfeuerte. Doch nach einer Ueberlieferung in der Familie Anckarströms soll nicht dieser der Mörder des Königs gewesen sein, sondern Graf Ribbing, welcher dem zögernden Anckarström die Pistole aus der Hand riß und selbst auf den König feuerte. Jedenfalls wurde Anckarström als Mörder hingerichtet, nachdem er vorher in grausamer Weise mit Ruthen gezüchtigt worden war.

Das Bild von E. Brüning stellt uns die Scene auf dem Maskenball dar, welche manche unserer Leser schon auf der Bühne gesehen haben, sei’s in der Oper von Auber, „Gustav oder der Maskenball“, oder der späteren, „Ein Maskenball“ von Giuseppe Verdi. Wir sehen die Masken, die den Fürsten umdrängen, nachdem er aus einer Loge in den Saal getreten ist; wir sehen ihn zusammenbrechen, von der tödlichen Kugel getroffen; der an den feuernden Anckarström geschmiegte Verschworene ist Graf Clac Fredricks von Horn, der mit den Worten: „Gute Nacht, Maske“ dem König auf die Schulter geklopft und damit das Zeichen zur Ausführung der That gegeben hat; die schon halb zur Flucht sich wendende Gestalt mit dem Profilkopf ist Graf Adolf Ribbing. In dem prachtvollen, architektonisch schön gegliederten Festsaal, der binnen kurzem infolge Abbruchs des nunmehr hundertundneun Jahre alten Stockholmer Theaters vom Erdboden verschwinden soll, in den Logen, auf den Treppenstufen drängen sich die mannigfachsten Gruppen meist mit dem Ausdruck der größten Bestürzung; doch giebt es auch Gesichter, die theilnahmlos dem Schauspiel zusehen oder in deren Zügen sich ein geheimes Einverständniß spiegelt. Der auf der linken Seite des Bildes befindliche Herr, welcher eben im Begriff ist, seinen Platz am Tisch, an dem er mit einigen Damen gesessen, zu verlassen, um dem König beizuspringen, ist General Armfeldt, der später nach der Verwundung den König in ein Seitenkabinett begleitete, während der Maler unter der nur zum Theil sichtbaren Rückenfigur im spanischen Mantel mit dem Kreuz sich den Grafen Essen gedacht hat, der kurz vorher, ehe der König den Saal betrat, mit diesem allein in der Loge gesessen hatte. Schreck und Mitleid zeigen besonders die Frauen. Machte doch auf ganz Europa der jähe Tod des ritterlichen Fürsten einen tiefen Eindruck. †      

Das Eisschießen. (Zu dem Bilde S. 96.) Wenn bunte Plakate an den Straßenecken Münchens verkünden, daß die Eisfläche des Kleinhesseloher Sees im Englischen Garten fahrbar geworden ist, dann ziehen auch die „Eisschützen“ zu dem echt altbayerischen Vergnügen, das eigentlich mit dem „Schießen“ in landläufiger Hinsicht nichts zu thun hat. Mit Pulver und Blei wird auf der spiegelglatten Eisfläche nicht geschossen, sondern es wird der „Eisstock“, eine eisenbeschlagene hölzerne Wurfscheibe mit einem tüchtigen Stehgriff, nach dem Ziele, „Haserl“ oder „Daube“ genannt, geworfen. Die Eisschützen theilen sich in zwei Parteien, je nachdem die Spielkarten sie zusammengeben. „Herz“ aus dem Tarockspiel zieht die eine Partei, „Laub“ oder „Grasen“ die andere. Jede Partei wählt ihren Anführer, ihren „Moar“ (Mayer = Obermann, wie im Oberbayerischen der Oberknecht auch „Moar“ genannt wird), der den Eisstock zuerst der Daube möglichst nahe zu bringen sucht. Dazu gehört ein treffsicheres Auge und Gewandtheit, mit Kraft gepaart. „Taucht“ einer zu viel, d. h. giebt er dem Eisstock zu viel Schwung, dann fliegt der Stock über das Ziel hinaus, zu wenig Kraft hingegen bewirkt, daß der Stock „verkümmert“ oder „verhungert“, d. i. vor dem Haserl liegen bleibt. Ist dem „Moar“ der „Schuß“ soweit gelungen, daß sein Stock nahe der Daube liegt, dann sucht der Moar der Gegenpartei mit seinem Stock den gegnerischen Stock wegzuputzen. Stock auf Stock rutscht nun hinaus, einer sucht den andern vom Ziele abzudrängen, bis die Munition zu Ende ist und die Parteien keinen Schützen mehr haben. Wer jetzt am nächsten der Daube sitzt, ist Sieger. Dieses Kraftspiel auf dem Eise in frischer Winterluft erfordert kernige Leute, die, wie man zu sagen pflegt, einen „Puff“ aushalten können. An anzüglichen Bemerkungen und derbem Spott ist kein Mangel, wenn ein Frischling unter alte Schützen geräth. Beliebt ist dieses Wintervergnügen in ganz Altbayern, und so lange des Winters Gewalt anhält, findet man Eisschützen überall auf hartgefrorener Wasserfläche. A. A.     

Ein vornehmer Ofen. (Zu dem Bilde S. 97.) In dem Gebäude der Reichsdruckerei zu Berlin befindet sich ein Ofen, welcher nicht mit gemeinem Holze oder noch gemeineren Kohlen gespeist wird, nein, seine Hauptnahrung besteht aus lauter Werthpapieren. Nicht als ob es heute in Berlin einen Fugger gäbe, der sich ein Vergnügen daraus machte, von Zeit zu Zeit zur Ergötzung eines bedrängten Schuldners Schuldscheine in Rauch aufgehen zu lassen, sondern die Sache verhält sich folgendermaßen: Alljährlich sind eine ganze Anzahl eingezogener Kassenscheine, Reichs- und preußische Staatsschuldscheine, ferner solche Werthpapiere, welche beim Druck einen Fehler bekommen haben, zu vernichten. Vorschriftsmäßig hat dies durch Verbrennen zu geschehen. Früher kam es nun vor, daß nach solchen Verbrennungen unverbrannte Reste Gelegenheit zu allerlei Mißbrauch gaben. Um dem für die Zukunft vorzubeugen, hat man ein zwar umständliches, aber sicheres Verfahren eingeschlagen. Eine besondere Kommission, bestehend aus fünf bis sechs hohen Beamten, empfängt die zur Vernichtung bestimmten Papiere, deren Nennwerth sich oft auf Hunderte von Millionen beläuft, in kleinen verschnürten Paketen; sie überliefert dieselben dem eigens hierzu angelegten Ofen, in welchem schon vorher ein starkes Feuer entzündet worden ist – unser Bild zeigt die Herren eben bei dieser Thätigkeit. Sind die Päckchen vor den Augen der Kommission verbrannt, so wird dicht über dem Feuer ein enger Rost vorgeschoben, welcher ein Herausnehmen unverbrannter Papierreste verhindert, außerdem wird der ganze Ofen seitens der Kommission noch durch einen Deckel geschlossen. Damit aber nicht etwa ein nur angesengter Hundertmarkschein durch den Schornstein entweiche, hat man diesem einen langen Weg unter dem Hof durch, dann an einem Hinterhause empor angewiesen, und erst dort führt er vier Treppen hoch ins Freie. Und selbst hier hat man noch eine Absperrung vorgenommen; ein Rost mit feinem Maschennetz deckt die Mündung, daß auch nicht der kleinste Fetzen entwischen kann. – So ist mit allem Aufwand von Scharfsinn dafür gesorgt, daß die zum Feuertode verurtheilten Werthpapiere auch wirklich diesen Tod sterben und nicht etwa irgendwo wieder zu einem gänzlich gesetzwidrigen Leben erwachen.

Ein Kleeblatt. (Zu unserer Kunstbeilage.) Lange schon hat sie das stille geschäftige Walten des Vogelpärchens in der grünenden Hecke des Gartens beobachtet, sie hat das kleine Nestchen werden sehen und jetzt gar drei niedliche zartpunktierte Eier darin entdeckt. Voll Entzücken zeigt sie den heimlichen Schatz den besuchenden Freundinnen, um ihn dann behutsam an die alte Stelle zu setzen. Die drei Schönen, die wohl gar selten zu solchem Anblick gelangen, sie ahnen nicht, daß das Kleeblatt im Neste bereits ein tragisches Geschick ereilt hat. Denn irgend ein heimtückischer Feind, eine Katze, ein Wiesel oder dergleichen, muß das Elternpaar verscheucht haben, sonst hätte es das Gelege nicht schutzlos dem Erkalten und damit dem Verderben preisgegeben. Dem Maler aber lag vor allem daran, uns ein reizendes Mädchen-Kleeblatt zu zeigen, und das ist ihm auch vollauf gelungen. In feiner Abstufung spiegeln sich freudige Neugier, stilles Beobachten und liebevolle Theilnahme auf den Gesichtern der drei anmuthigen Freundinnen, die in die Betrachtung des Nestchens versunken sind.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

M. K. in H. Wir sind gern bereit, Ihre Novelle auf ihre Verwendbarkeit für die „Gartenlaube“ zu prüfen. Selbstverständlich erhalten Sie das Manuskript zurück, falls sich die Arbeit als ungeeignet erweisen sollte.

B. K. in S. Friedrich Albert Lange, von dessen politischer Thätigkeit in der Schweiz Sie gehört haben, ist wirklich zugleich der Verfasser der ausgezeichneten „Geschichte des Materialismus“. Eine Lebensbeschreibung des geistvollen Mannes hat jüngst O. A. Ellisen im Verlag von Julius Bädeker in Leipzig erscheinen lassen.

C. P. 2 in Greiz. Marlitts Erzählung „Die zwölf Apostel“ finden Sie im Jahrgang 1865, dagegen ist „Schulmeisters Marie“ nicht in die „Gartenlaube“, wohl aber in die illustrierte Gesammtausgabe von Marlitts Romanen und Novellen aufgenommen, welche eben lieferungsweise in neuer Auflage erscheint.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1892, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_099.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)