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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

und ihre Erzeugnisse gingen bald weit über die Grenzen des Landes hinaus. Längere Zeit wußte man freilich die Petroleumlampe lediglich mit Flachbrennern auszurüsten – dann entstanden Rundbrenner noch ziemlich unpraktischer Bauart und mit schwer zu behandelnden Dochten, bis etwa im Jahre 1865 die im wesentlichen jetzt noch gültige Grundform der Rundbrenner mit flachem Docht zur Annahme gelangte. Auf dieser Grundlage sind sämmtliche neueren Systeme der Petroleumbeleuchtung aufgebaut, und der Firma Wild und Wessel gebührt unzweifelhaft der Ruhm, in ihrem damals eingeführten Kosmosbrenner die erste Konstruktion solcher Art geschaffen zu haben. Die einfachen Flachbrenner sind im Laufe der Jahre völlig aus der Berliner Fabrikation ausgeschieden; auf ganz billige Lampen für die Ausfuhr beschränkt, machen sie nicht mehr die größeren Anfertigungskosten dieses Platzes bezahlt und werden nur noch an einigen anderen Orten Deutschlands hergestellt.

Mit seinen Rundbrennern aber beherrscht Berlin den Weltmarkt, ganz Europa ist ihm tributpflichtig. Trotz Paris und Wien hat es selbst in Frankreich und Oesterreich seine Eroberungen gemacht; in Rußland aber, in Skandinavien, England, im ganzen Süden und im Orient herrscht es unumschränkt, und die Berliner Lampe leuchtet in Hammerfest wie in den Gemächern des türkischen Paschas. Südamerika, Afrika, China und Australien sind besonders günstige Absatzgebiete, und man versichert, daß von der Wiege der Petroleumlampe, von den Vereinigten Staaten, nur der Schutzzoll den deutschen Wettbewerb einigermaßen fernhält.

Wie entsteht nun eine solche Lampe?

Eine Petroleumlampe? Eigentlich gar nicht; sie kommt stets mit einer großen Anzahl Schwestern zugleich zur Welt, und auf welche Weise eine so zahlreiche Gesellschaft ins Leben gerufen und für ihren Beruf tüchtig gemacht wird, wollen wir in großen Zügen dem Leser zu zeigen versuchen.

Sehen wir uns zunächst die Fabrik von außen an: wer da geglaubt hat, eine stolze Ritterburg der Industrie zu finden, wie sie an des Rheines kühlem Strome oder sonst im Lande sich aufbauen, der wird enttäuscht sein. Kein von Mauern umschlossenes Viereck in Ziegelbau, hoch überragt von emporstrebenden Wartthürmen, den mächtigen Schloten, die schwarzes Gewölk ausathmen! Die Berliner Lampenfabrik, wie sie sich gerade in ihren bedeutendsten Anwesen darstellt, steht ganz bürgerlich in Reihe und Glied der Straßenhäuser, und ihr Vorderhaus deutet auf Wohnräume. Im Erdgeschoß befindet sich wohl das Musterlager, da ist die Buchhalterei, das Komptoir, und die gewölbten Kellereien sind von dem viel Platz in Anspruch nehmenden Glaslager gefüllt; der Schornstein aber, das auch hier nothwendige Uebel, ist soweit als möglich nach hinten verbannt. Er verbirgt sich schämig und hat ganz und gar nicht die Aufgabe, Reklame zu rauchen. Drei Höfe mit Quergebäuden: das ist der Typus der Berliner Lampenfabriken, und in diesen Baulichkeiten dehnen sich die Arbeitssäle und thürmen sich bis zum vierten Stock.

Die Lampe besteht in ihren wesentlichsten Theilen aus Zink und Kupfer, und der Urstoff kommt in Barren oder in der Gestalt von Messingblech aus den Hütten. Wir betreten zuerst die Gießerei, wo die „Füße“, die Vasenbehälter und sonstige Untertheile hergestellt werden. Die Zinkgießer haben leichtes Werk; ihr Material läßt sich bequem schmelzen und mit dem Löffel direkt in die Form bringen. Geschwind füllen sich die Körbe mit dem Ergebniß, welches zu den Metalldrehern wandert, um sich an der Drehbank die Ecken und Kanten abschleifen zu lassen.

Der Saal für die Brennerfabrikation.

Mühseligere Arbeit erheischt der „Bronzeguß“. Das hier zur Verarbeitung kommende Metall besteht im allgemeinen aus Kupfer und Zink im Verhältniß von 3 zu 2. Die Erfahrung läßt kleine Zusätze von Zinn oder sonstigem Metall räthlich, für bestimmte Farbenabstufungen auch eine andere Zusammensetzung des Schmelzgutes angebracht erscheinen. Die Modelle hat ein Künstler entworfen und in Thon geformt, der Modelleur in Gips oder Holz nachgebildet; sie sind alsdann in der Fabrik selbst gegossen und sorgfältig ciseliert worden. Sie häufen sich im Laufe der Jahre und zieren, sauber registriert, die Wände als überaus theurer Zimmerschmuck, vor dem nur ein sehr kleiner Theil durch fortlaufenden Gebrauch die Lagerkosten verdient. Die Bronzegießer sind größtentheils auch Former. In schweren eisernen Kästen wird dem schwarzen Formsand das Modell eingedrückt, die so gebildete Form im Trockenofen gehärtet und im Gießofen die Metallmasse in Graphitgefäßen bis zu leichter Flüssigkeit erhitzt. Drei starke Männer nehmen aus der weißen Gluth den gewichtigen Behälter, und rauschend ergießt sich das siedende Metall durch die offen gelassenen Wege bis an die gesteckten Ziele. Die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_028.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2024)