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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Daß man immer mehr bestrebt ist, das Verständniß für Leben und Werke unserer klassischen Dichter in die weitesten Kreise zu tragen, ist eine erfreuliche Erscheinung. Als ein neuer Schritt in dieser Richtung ist mit Dank eine Schrift von Dr. Karl Heinemann zu begrüßen, die den Titel führt: „Goethes Mutter, ein Lebensbild nach den Quellen“ (Leipzig, Artur Seemann). Nachdem durch die Veröffentlichungen der Goethe-Gesellschaft in Weimar die köstlichen Briefe der Frau Rath bekannt geworden waren, mußte es sich als eine verlockende Aufgabe darstellen, nun im Anschluß besonders an diese neugewonnenen Quellen ein Lebensbild der Mutter Goethes zu entwerfen. Dr. Heinemann hat diese Aufgabe in anziehender Weise gelöst, er hat es verstanden, die anmuthige Gestalt der Frau Rath mit ihrem echten Herzen und ihrem klugen Geiste, mit der Regsamkeit ihrer froh bewegten Phantasie in liebenswürdiger Frische vor uns hinzustellen. Ein guter Bilderschmuck, der zum Theil bisher Unbekanntes bietet, verleiht dem Buche einen Reiz mehr. – Diesem neuen Werke schließen wir zwei andere an, die, längst eingebürgert im deutschen Volke, in neuer Auflage erschienen sind, nämlich „Goethes Leben und Werke“ von Lewes, autorisierte Übersetzung von Dr. Julius Frese, 16. Auflage, durchgesehen von Ludwig Geiger; und „Schillers Leben und Werke“ von Emil Palleske, 13. Auflage. Es ist nicht nöthig, die bekannten Vorzüge dieser beiden Biographien noch einmal hervorzuheben. Nur das sei erwähnt, daß das Buch von Lewes durch einzelne Veränderungen, die es erfahren hat, wesentlich gewonnen haben dürfte. Ludwig Geiger hat mit sachkundiger Hand Ueberflüssiges gestrichen, Uebertreibungen gemildert, zahlreiche Irrthümer verbessert, und dabei ist doch der ursprüngliche Charakter der Darstellung nicht verwischt worden.

Morgentoilette.

Auf den Tisch der Hausfrau gehört ein Buch, das zwar einen sehr nüchternen Titel führt, das aber nichts desto weniger für ein sehr ideales Gut ficht, für unsere Gesundheit als die Grundlage jedes ersprießlichen Menschendaseins. Es ist „das Buch von der gesunden und praktischen Wohnung“ von C. Falkenhorst (Leipzig, Ernst Keil’s Nachfolger). Von Plan und Anlage des Buches haben wir unseren Lesern schon früher Kenntniß gegeben (Nr. 20 d. J.). Wir empfehlen hier wiederholt diesen nützlichen Berather auf einem weiten und wichtigen Gebiete der Gesundheitspflege. – Ebenfalls ein nützlicher Berather, aber ein erheblich vielseitigerer, ist Spemanns „Schatzkästlein des guten Raths“. Für die Kenner früherer Auflagen sei bemerkt, daß die neueste (6.) Auflage in einem Kapitel über die Erziehung und in einer reichen Fülle von Illustrationen vollständig neue Zuthaten erhalten hat.


IV. Prachtwerke

Die Zahl der Erscheinungen auf dem Gebiete der illustrierten Prachtwerke ist dieses Jahr eine nicht unbedeutende. Im pietätvollen Gedächtniß an den verstorbenen großen österreichischen Dichter sei hier zunächst die vortrefflich ausgestattete Prachtausgabe von Hamerlings „König von Sion“ erwähnt, welche nunmehr vollständig vorliegt (Hamburg, Verlagsanstalt). Zwei namhafte Künstler, Adalbert von Roeßler und Hermann Dietrichs, begleiten die großartige Dichtung mit ihren malerischen Schöpfungen, welche sich des bedeutenden Vorwurfs, den sie sich genommen, vollkommen würdig erweisen.

Jenem wichtigen Gedenktag, welchen die Welt im nächsten Jahre begehen wird, ist Rudolf Cronaus „Amerika“ gewidmet (Leipzig, Abel und Müller). Diese Festschrift auf die vierhundertjährige Jubelfeier der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus schildert, wie die seit den ältesten Zeiten geahnte und prophezeite Neue Welt endlich aufgefunden und durch unermüdliches, rastloses Vorwärtsstreben, unter furchtbaren und blutigen Kämpfen Schritt für Schritt errungen wurde. Die bildliche Ausstattung, welche nicht nur sehr reichhaltig, sondern auch in hohem Grade interessant ist, stammt zu einem großen Theile ebenfalls von Rudolf Cronau, welcher ja bekanntlich mehrjährige große Reisen in Amerika gemacht und sich den Lesern der „Gartenlaube“ wiederholt als ein genauer Kenner der Neuen Welt erwiesen hat. Von dem Werke ist der erste Band erschienen, welcher bis zu der Eroberung Mexikos durch Ferdinand Cortes herabreicht. – Eine hervorragende Erscheinung aus dem Gebiet der Geschichte ist ferner die „Geschichte des preußischen Staates“ von Dr. Ernst Berner (München, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vormals Friedr. Bruckmann). Der Text ist hier nicht, wie manchmal bei derartigen Unternehmungen, bloß erläuternde Zugabe zu den Bildern, sondern hat selbständige Bedeutung; die Illustrationen sind nach Auswahl und Ausführung zum weit überwiegenden Theil vorzüglich und unterstützen durch ihre Fülle wesentlich das Bemühen des Autors, von dem Entwicklungsgang des preußischen Staates uns eine eigene Anschauung zu geben.

Die reizenden Vignetten und Vignettchen, welche in diese Weihnachtsbücherschau eingestreut sind, stammen von der Hand des unseren Lesern gewiß wohlbekannten A. Hendschel. Der Born seiner Skizzenmappen ist noch immer nicht erschöpft, obwohl der Maler bereits seit acht Jahren tot ist. Für diese Weihnachten stellte sich der zweite Band von „Allerlei aus A. Hendschels Skizzenmappen“ ein (Frankfurt a. M., M. Hendschel) und die mitgeteilten Proben aus dem Werke zeigen mehr als alle Worte, welch köstliche Ueberraschungen darin verborgen sind.

In Todesängsten.

Lose Kunstblätter, in schön ausgestatteten Mappen vereinigt, erscheinen verhältnißmäßig zahlreich auf dem Weihnachtsmarkte. Voran nennen wir hier die „Bildermappe für Kunstfreunde“, welche nicht weniger als fünfzig der vorzüglichsten Holzschnitte aus der „Gartenlaube“ in sich begreift. Man erkennt aus dieser stattlichen Sammlung erst recht, welchen Schatz von Kunstwerken man allmählich in seinen Gartenlaubebänden sich aufstapelt. – Ein sinniger Gedanke, in ein stattliches, nur für seinen zarten Charakter allzu pomphaftes Gewand gekleidet, tritt uns entgegen in den „Blumenmonden“. Es sind dies zwölf Blumenbilder, welche Carl Graf Brandis nach der Natur photographiert und welche Felix Dahn im Verein mit seiner Gattin und seiner Schwester mit dichterischen Begleitsprüchen versehen hat. Das schöne Werk (Wien, R. Lechner) wird nicht bloß eine stolze Zier für den Gabentisch bilden, es wird auch manche kunstgeübte Hand zur Nacheiferung reizen. – Eine andere Prachtmappe vereinigt eine Reihe neuerer Schöpfungen von Münchener Künstlern, Lichtdrucke nach Originalen, welche dem Prinzregenten Luitpold von Bayern als Ehrengaben zu seinem siebzigsten Geburtsfeste überreicht wurden. „Aus Münchener Ateliers“ heißt der Titel des Werkes (München, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vormals Friedrich Bruckmann), und es umfaßt Beiträge der hervorragendsten Meister aus der Isarstadt, wie Beyschlag, Defregger, Diez, Grützner, H. Kauffmann, F. A. Kaulbach, Lenbach, Max, Oberländer, Uhde u. a. Vorzüglich ist auch das äußere Mappenbild von Bruno Piglhein, welches das „Münchener Kindl“, einen köstlichen braunen, schwarzgelockten Jungen, in zärtlicher Gemeinschaft mit dem mächtigen bayerischen Löwen darstellt. – Emanuel Spitzer ist unsern Lesern ein alter Bekannter. Erst kürzlich haben wir ja ein prächtiges Bild, „Damenkapelle“, gebracht. Diese und eine ganze Anzahl weiterer ähnlich humorvoller Kompositionen finden wir beisammen in dem reizenden Emanuel Spitzer-Album (München, Photographische Union), einer wirklich herzerquickenden Sammlung. – C. W. Allers, der Humorist mit dem Zeichenstift, hat sich diesmal „Unsere Marine“ zum Gegenstand erkoren. In fünfzig Blättern (Verlag von C. T. Wiskott, Breslau) führt er uns durch alle Höhen und Tiefen des Lebens unserer Blaujacken und schildert sie unter Bevorzugung der komischen Seiten mit jener verblüffenden Realistik, die diesem Künstler eigen ist. Auch manches wohlgelungene charakteristische Porträt läuft mit unter. – Eine besonders glänzende Erscheinung auf dem Kunstmarkte ist aber ein anderes Werk desselben Künstlers, sein „Capri“ (München, Franz Hanfstängl Kunstverlag A.-G.). Nicht nur hat Allers selbst darin sein Bestes gegeben, auch die Art der Vervielfältigung und die Ausstattung stehen hier auf einer Höhe, wie sie wohl noch selten erreicht worden ist. Der ganze Zauber jenes zwanglosen Künstlerlebens auf der wunderbaren Insel liegt über dieser Schöpfung ausgebreitet – ein Hauch köstlicher unverkümmerter Naturfrische weht uns aus den prächtigen Blättern entgegen.

Mit den Wonnen des Frühlings umspielt uns das schöne Buch „Im Mai“, Frühlingslieder und Bilder von deutschen Dichtern und Künstlern (München, Bruckmann). Eine Auswahl des Schönsten, was Lenzeszauber in den Herzen deutscher Dichter geweckt und gestaltet hat, Gedichte von Goethe, Eichendorff, Geibel, Uhland, Hoffmann von Fallersleben, Leuau, Roquette, Heine, Arndt u. a. verbindet sich mit stimmungsvollen Schöpfungen moderner Künstler zu einem harmonischen Accord, der erquickend durch die Seele des Lesers und Beschauers klingt. Eine Festgabe ersten Ranges ist ferner eine neue illustrierte Prachtausgabe von Shakespeares „Sommernachtstraum“ (Leipzig, C. F. Amelang). Professor Edm. Kanoldt und W. Volz haben in ihren Kompositionen zu dem altvertrauten Dichtwerke wirklich Meisterhaftes geleistet.

Zum Schluß nach so viel Kunst und Schönheit sei noch eines Werkes gedacht, welches das Seinige dazu beitragen will, den Sinn für Kunst und Schönheit an der Hand der Geschichte zu bilden. Wir meinen die „Denkmäler der Kunst“, jenes altberühmte Sammelwerk, das schon vor einem Menschenalter entstanden, neuerdings aber durch Lübke und Lützow durchgesehen und bis auf die Gegenwart fortgeführt worden ist (6. Auflage, Stuttgart, Paul Neff). Kunstgeschichtliches Anschauungsmaterial pflegt sonst eine theure Sache zu sein; es ist deshalb ein im Interesse der allgemeinen Volksbildung freudig zu begrüßender Schritt der Verlagshandlung, daß sie den Preis der neuen Auflage wesentlich herabgesetzt hat; mancher Private und manche kleine Bibliothek wird sich jetzt dieses Werk erwerben können, welches sie bisher entbehren mußten.



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