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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Kneipe meiden, den Festschmäusen und Tafelfeiern sorgfältig ausweichen. Eine einzige Abirrung von dem Pfade der Mäßigkeit, welche hier die größte Tugend ist, hat leicht die bittersten Folgen. Es mag als Aufmunterung für schwankende Naturen hier noch die Thatsache hervorgehoben werden, daß das Auftreten von Gicht bei Personen, welche weder Wein noch Bier trinken, zu den größten Seltenheiten zählt.

Aehnlich wie der Genuß von Wein und Bier wirkt auch der von Kaffee und Thee auf den Stoffwechsel insofern ungünstig ein, als diese Getränke den Stoffverbrauch verlangsamen. Der Gichtkranke soll darum nur wenig Kaffee und Thee und dann nur in recht verdünntem Zustande trinken. Nur wo Schwächeerscheinungen auftreten, Reizmittel geboten erscheinen, wird man auch bei Gichtkranken starken Kaffee anwenden, aber nur als Arzneimittel, ebenso unter solchen Verhältnissen einen schweren Wein wie Portwein, Champagner, oder ein starkes Alkoholgetränk wie Cognak, Arrak, Rum. Doch ist es Sache des Arztes, dies zu verordnen.

Ein Getränk, vor welchem die meisten an Gicht leidenden Genußmenschen eine gewisse Scheu haben, ist ihnen besonders zuträglich, nämlich ein gutes, reines Trinkwasser. Durch vermehrtes Wassertrinken wird der Stoffumsatz im Körper beschleunigt, der Harnstoff in größeren Mengen ausgeschieden, der Verbrauch der Körperbestandtheile vermehrt und so die Bekämpfung der Gichtanlage wesentlich unterstützt. Noch bedeutsamer ist die Wirkung jener Mineralwässer, welche reich an Alkalien, besonders an kohlensaurem Natron, sind, Bestandtheilen, von denen wir wissen, daß sie die Ausscheidung der Harnsäure bedeutend fördern. Solche alkalische Säuerlinge wie das Wasser von Bilin, Fachingen, Gießhübel, Krondorf sollte der Gichtkranke jahraus jahrein trinken, um stetig und allmählich auf beschleunigte Ausscheidung der Harnsäuremassen zu wirken. Leider haben diese Tafelwässer noch immer den einen Uebelstand, daß sie zu theuer sind, als daß sich auch der minder Bemittelte ihren dauernden Gebrauch gestatten könnte.

Wem es die Verhältnisse erlauben, der wird am besten daran thun, einige Wochen des Sommers der Durchführung einer systematischen Brunnen- und Badekur an jenen Quellen zu widmen, welche sich seit langer Zeit eines berechtigten Ansehens als Heilmittel gegen Gicht, und zwar selbst gegen die schwersten Formen derselben, erfreuen, so Karlsbad, Marienbad, Kissingen, Homburg, Wiesbaden. Unter den Mineralbädern habe ich auch die Moorbäder sehr wirksam gegen die örtlichen Beschwerden und Folgezustände der Gicht gefunden. Die Kuren an den Heilquellen selbst haben den Vortheil, daß sie außer zur Verwerthung des Mineralwassers auch zu vielfacher Körperbewegung in frischer guter Luft Gelegenheit und Antrieb geben, ein Umstand, welcher für Hebung des Stoffwechsels von einschneidender Wichtigkeit ist. Denn wie träge, bequeme Lebensweise die Entwicklung der Gichtanlage fördert, so spielt fleißige Muskelübung und regelmäßige Körperbewegung eine hervorragende Rolle bei der Bekämpfung dieses Uebels, indem dadurch die Säftebewegung befördert und so verhütet wird, daß sich ein Uebermaß von Harnsäure im Körper anhäuft. Fleißiges Spazierengehen oder, wo dieses nicht möglich ist, entsprechende Muskelbewegung durch Gymnastik und Turnen sind für den Gichtkranken auch deshalb von Werth, weil dadurch bedeutende Fettleibigkeit verhindert, die Verdauungsthätigkeit gefördert und der Trägheit der Darmfunktion entgegengearbeitet wird.

Ob und wann die Massage, das jetzt so häufig gebrauchte und ebenso häufig mißbrauchte Modemittel, bei Gicht angezeigt ist, kann nur der Arzt durch die Beobachtung des jeweiligen Falles entscheiden. Dem Arzte allein steht auch die Anwendung der Mittel zu, welche im Gichtanfalle zur Linderung der Schmerzen nothwendig erscheinen. Die marktschreierisch in den Zeitungen angepriesenen „unfehlbaren“ Geheimmittel gegen Gicht aber rühre man nicht an! Denn von der Wirksamkeit dieser Mittel, wie z. B. der bekannten Gichtketten, steht nur eines fest: daß ihr Nutzen ein entschieden großer für ihre – Erfinder ist.




Vom Weihnachtsbüchertisch.

Bücher für die Jugend.

Aus „Allerlei aus Hendschels Skizzenmappen II“.

Wenn man die Erscheinungen der Jugendliteratur übersieht, welche der Büchermarkt zu Weihnachten gebracht hat, so berührt wohlthuend das Bestreben, der Jugend Gutes auch in guter Ausstattung zu geben. „Für die Kleinsten“ bietet der Verlag von W. Effenberger (Stuttgart und Leipzig) 8 lose Bildertafeln, die eine Fülle von Gegenständen wiedergeben und, da sie natürlich gezeichnet sind, zur ersten Uebnng des Anschauungsvermögens bei den Kindern sich als sehr geeignet erweisen dürften. In demselben Verlag sind in neuer und – was nicht unwesentlich ist – „unzerreißbarer“ Ausgabe die „Goldenen Reime für die Kinderstube“ herausgekommen; sie wurden schon voriges Jahr an dieser Stelle besprochen: der kindliche Ton der Verschen, die außerordentliche Frische der Farbendruckbilder zeichnen sie aus. – „Erzählungen von Chr. Löhr“ hat Cornelie Lechler in neuer Auswahl herausgegeben. Ein reicher Bilderschmuck nach E. Klimsch und Oskar Pletsch macht für die kindliche Phantasie diese einfachen ansprechenden Geschichtchen lebendig. – Aehnliche Vorzüge wie die erwähnten Schriften für die Kleinen und Kleinsten zeigt „Gustav Weises Bilderwelt“, die „aus Haus und Hof, aus Wald und Feld“ 400 getreue Abbildungen in Farben enthält; ferner „Unsrem kleinen Guck-in-die-Welt“ und „Struwwelpeter der Jüngere“ von J. Trojan, illustriert von F. Flinzer (Stuttgart, Weise). – Ein etwas höheres Alter der Kleinen setzen zwei Bücher voraus, welche der Verlag von Wiskott in Breslau ausgegeben hat: „Die Welt vom Fenster aus“, mit Gedichten von Johannes Trojan und Illustrationen von J. Kleinmichel, und „Eine Thierschule in Bildern von Fedor Flinzer und Versen von Victor Blüthgen“; namentlich die letztere, ein hübsches Seitenstück zum „Struwwelpeter“, wird durch ihren drolligen Inhalt Anklang finden. – In schönstem Gewande schließt sich die poetische Gabe an, welche Daniel Sanders „für die fröhliche Jugend“ bestimmt hat (Berlin, Lüstenöder). Hauptsächlich sind bekannte Märchen in flüssigen Reimen behandelt, ein Abschnitt aus der Thierfabel des Reineke Fuchs sogar in dramatischer Form. Die Bilder von Hans Looschen begleiten den Text aufs beste. – Von tüchtigem Sinn für das, was von gesunder Unterhaltungslektüre für die Heranwachsenden gefordert werden muß, zeugen die neuesten Veröffentlichungen der „Universalbibliothek für die Jugend“. Der Inhalt der einzelnen Bändchen ist mit Verständniß ausgewählt, die Bilder, die überall beigegeben sind – nach Zeichnungen von Lefler, Kleinmichel, Bergen, Herger – sind ansprechend. Wir heben hervor die beiden Sammlungen von Liedern, Spiel- und Neckreimen, die O. M. Seidel in „Mutter und Kind“ und „Spiel und Scherz“ zusammengetragen hat; ferner G. H. v. Schuberts „Neuen Robinson“ und eine Auswahl von Erzählungen desselben Verfassers in der Bearbeitung durch B. Schlegel; weiter die „Kindermärchen“ und „Jugendmärchen“ von Aurelie, die „Skalpjäger“ nach Mayne Reid von A. H. Fogowitz. Besonderen Werth hat die nunmehr erschienene zweite Folge von Andersens Märchen in der Auswahl und Uebersetzung von Poestioni.

Für die reifere Jugend fließt eine reiche Quelle von Unterhaltung und Belehrung in Spemanns illustrierten Zeitungen für Mädchen und Knaben, im „Kränzchen“ und im „Guten Kameraden“. Der letzte Jahrgang der beiden Jugendzeitschriften, der sich den früheren durch Mannigfaltigkeit des Stoffs und Sorgfalt der Illustrationen ebenbürtig an die Seite stellt, liegt als eine willkommene Weihnachtsgabe in zwei stattlichen Bänden vor. Anzureihen ist das „Deutsche Jugend-Album“ von Julius Lohmeyer (Hamburger Verlagsanstalt), das gute Beiträge aufweist und namentlich auf bunte Gestaltung der Bilder zu halten scheint, darin aber gelegentlich über das Ziel hinausschießt. – Diejenigen unserer jungen Freunde, welche sich gern mit der Welt der Erfinder und Entdecker beschäftigen, finden vielseitige Anregung in dem „Neuen Universum“, das sich heuer mit seinem 12. Jahrgang eingestellt hat. – Ins Reich bunter Phantasie führen die „Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“, bearbeitet von E. D. Mund, der ewig zauberkräftige „Lederstrumpf“, nach Coopers Erzählung frei bearbeitet von Oskar Höcker, und „Im wilden Westen“, 4 Erzählungen aus Nord- und Südamerika von Friedrich J. Pajeken, die sich durch besondere Anschaulichkeit auszeichnen. Diese Schriften sind im Verlag von Effenberger in Stuttgart erschienen und mit schönen Farbendruckbildern nach Franz, Offterdinger und Bergen geschmückt. – Eine Geschichte, die im Hinblick auf die Erwerbung Helgolands durch Deutschland besonderes Interesse erwecken wird, ist „Der Seekadett

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 873. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_873.jpg&oldid=- (Version vom 25.11.2023)