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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

dadurch unschädlich zu machen. Während dieses Verfahren aber sonst vielfach von Erfolg begleitet war, sind an der urwüchsigen Gestalt des Knechtes Ruprecht alle Umwandlungsversuche gescheitert. Er ist der alte rauhe Geselle geblieben, der er seit Jahrhunderten gewesen war, und überragt an Bedeutung heute sogar den Weihnachtsmann, als dessen Diener er eigentlich gelten soll.

Der Klapperbock.

Aber der Knecht Ruprecht ist bei weitem nicht der einzige Rest heidnischer Bräuche, wenn er auch derjenige ist, welcher sich der größten Verbreitung erfreut. Neben ihm steht noch eine ziemliche Anzahl anderer Gestalten, welche natürlich mit ihm verwandt sind und in denen bald dieser bald jener Zug des gemeinsamen Urbildes erhalten geblieben ist. Das Volk hat den Ursprung dieses Mummenschanzes längst vergessen und eine ganze Reihe örtlicher Sagen geschaffen, welche Namen und Wesen der Spukgestalt bald so bald anders erklären. Für die Erklärung der Sache sind diese ohne Bedeutung. Um so sorgfältiger aber hat man auf alle die kleinen Züge zu achten, welche den Spukgestalten anhaften. Denn diese sind die Steinchen, aus denen man sich das Mosaikbild des germanischen Himmelsgottes wieder einigermaßen zusammensetzen kann.

Erscheinen von diesem Gesichtspunkte aus all die Formen des Mummenschanzes der Weihnacht höchst bedeutungsvoll für die Wissenschaft der germanischen Mythologie, so ist doch ihre Bedeutung damit noch nicht erschöpft. Wo ein jahrhundertelanger, lebendiger Verkehr mit einem Stamme anderer Mundart alle Eigenthümlichkeiten der Sprache verwischt hat, wo fremdes Recht, fremde Tracht, fremde Anlage der Häuser und Höfe eingedrungen sind, wo selbst die alten Kinderlieder durch neue verdrängt wurden, da geben diese Gestalten und ihre Namen dem Ethnologen oft die einzigen Fingerzeige, in welcher Richtung er nach der Herkunft einer kleinen Gemeinschaft zu suchen hat.

Im Elsaß geht das Christkind herum und kündigt seine Gegenwart schon von weitem durch den Klang einer Glocke an. Es wird meist durch ein erwachsenes Mädchen dargestellt, das in langem weißem Gewande und wallendem blondem Haar auftritt. Das Gesicht ist weiß geschminkt, und auf dem Kopfe trägt es eine goldene Krone, auf der mehrere Wachslichter brennen. Es hat einen Korb mit Zuckerwerk am Arme, in der andern Hand die erwähnte Glocke. Freundlich spricht es die Kinder an, und schon kommen, gelockt von den süßen Gaben, die Kleinen herbei, die sich erst vor Verlegenheit hinter der Mutter zu verbergen suchten – da tönt vor dem Fenster Kettengerassel, die Fensterflügel thun sich auf, und herein steigt die bis über die Ohren vermummte Gestalt des „Hans Trapp“. Er ist in ein Bärenfell gehüllt, hat das Gesicht mit Ruß geschwärzt und trägt einen langen schwarzen Bart, der ihm bis auf den Gürtel niederwallt. In der Hand führt er ein Geräth, das mehr einem Besen als einer Ruthe ähnelt. Mit diesem droht er der Kinderschar, die sich ängstlich verkrochen hat. Mit Grabesstimme fragt er, wer nicht artig gewesen sei, und geht auf die Unartigen los, die zitternd und zagend in den Rockfalten der Mutter ihre Zuflucht suchen. Doch das Christkind bittet für sie: die Kinder versprechen Besserung und erhalten aus dem Korbe Zuckerwerk zum Geschenke.

In Schwaben tritt das Christkind als weißgekleideter Engel auf, prüft und beschenkt die Kinder. Sein Begleiter ist der „Pelzmärtel“, der auch „Pelzmichel“, „Grale“ oder „Butzegrale“ heißt. Er ist vermummt, oft ganz in Erbsenstroh gehüllt, sein Gesicht ist rußig, sein Leib mit einer Kette umwunden und sein Rücken trägt einen Korb, während die Rechte einen Stock führt. Bisweilen trägt er noch eine Pelzmütze, an der Schellen klingen. Auch in Schlesien erscheint das Christkind im weiten weißen Schleier, eine Krone auf dem Haupte, eine Laterne in der Hand, und singt mit seinem langbärtigen, sacktragenden Begleiter ein Weihnachtliedchen. In der ehemaligen Grafschaft Ruppin heißt der Heilige Christ „Christmann“ oder „Christpuppe“. Er ist weiß gekleidet, mit Bändern geschmückt und führt eine große Tasche. Neben ihm reitet ein vermummter Knecht einen künstlichen Schimmel, und beide sind von „Feien“ d. h. von als Weiber verkleideten Gestalten mit geschwärzten Gesichtern, umgeben.

Der Habersack.

Im Erzgebirge ist der Heilige Christ stellenweise durch Petrus verdrängt worden, der mit „Ruprecht“, „Rupperich“ oder „Semper“ umherzieht. Petrus tritt zuerst ins Zimmer, fragt die Kinder nach ihren Kenntnissen und ruft dann dem Genossen. Dieser tritt herein und spricht: poem>Ich komme geschritten, Hätt’ ich ein Pferdlein, so käm’ ich geritten. Ich hab’ wohl eins im Stalle stehn, Aber es kann nicht über die Schwelle gehn.</poem>

Auf niederdeutschem Boden heißt der Knecht Ruprecht selbst oft „de hèle Christ“, in Mecklenburg nennt man ihn „rù Clas“ (rauher Nikolas); ähnliche Namen trägt er in der Altmark, in Braunschweig, Hannover, Holstein. Zuweilen führt er einen langen Stab und einen Aschenbeutel und hat Glocken oder Schellen am Kleide. Mit dem Aschenbeutel schlägt er die Kinder, welche nicht beten können, und heißt deshalb auch „Aschenclas“.

Im Niederlande Böhmens erscheint der „Rumpanz“ im Gefolge des Heiligen Christ; in einzelnen Dörfern Niederösterreichs die „Budelfrau“. Im südwestlichen Theile Niederösterreichs tritt der heilige „Niglo“ auf und neben ihm „Krampus“ als Schreckmann. Betend harren die Kinder der beiden. Jetzt tönt das Glöcklein, und sie fangen an zu singen:

Hearei, hearei, Hear Niglo,
goar gua’de Kinder sain jo do,
de beden gearn, de lernen gearn,
de biden ’n halig’n Niglo,
er soll earna was beschearn.

Die Thür geht auf und der heilige Niglo mit Stab und hoher Mütze tritt herein und spricht:

G’lobt sei Jesas Christas,
'n Himlssögn bringt mit hear do
da Godasstab und Ring dös halich’n Niglo.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 850. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_850.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)