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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Berliner Gesellschaft geworden, in deren gastlichem Hause die ersten geistigen Größen unserer Zeit, Staatsmänner, Gelehrte, Meister aller Künste, als Freunde verkehrten, Kaiser und Kaiserin Friedrich in den Zeiten ihres ungetrübten Glücks und ihr Sohn und Erbe, der heutige deutsche Kaiser, wiederholt als Gäste erschienen.

Aus Rom sandte Begas wieder eine neue plastische Schöpfung, welche bei ihrer Ausstellung in Berlin einen stürmischeren Meinungskampf als jedes seiner bisherigen Werke erregte: die Gruppe der Venus, die den von der Biene in den Arm gestochenen Amor mütterlich zärtlich tröstet, ein Bildwerk in fast Rubensschem Stil voll warm pulsierenden Lebens in den prangenden Gestalten der schönen Göttin und des neben ihr stehenden Flügelbübchens.

Nach Berlin Anfang 1866 zurückgekehrt, erhaute sich Begas auf einem von ihm angekauften Grundstück am südlichen Saum des westlichen Thiergartentheils eine große Werkstatt, wie er sie für die Ausführung der Modelle seines Schillerdenkmals bedurfte. Einige Jahre später errichtete er unmittelbar daneben an der Westseite des großen Vorgartens ein Wohnhaus nach eigenem Geschmacke für sich und seine Familie, an welchem heute die „Stülerstraße“ vorüberführt. Der nur aus einem Keller- und Erdgeschoß und erstem Stockwerk bestehende einfache Bau mit einem Balkon, der die Veranda an seiner Gartenseite beschattet, erregt die Aufmerksamkeit jedes Vorübergehenden durch einen ganz eigenartigen reizenden künstlerischen Schmuck: einen Relieffries, welcher sich über die Straßenfront hinzieht und an der dem Garten zugekehrten Seite des Hauses fortsetzt. Der Hausherr selbst hat ihn modelliert.

Kleine nackte Buben von köstlich naiver Naturwahrheit in den Formen und Bewegungen sieht man dort alle Lieblingsbeschäftigungen des Meisters ausüben und seinen eigenen Passionen sich hingeben: Modellieren, Meißeln, Zeichnen und Malen, Musizieren, Jagen, Fischen etc.

Der ganze Relieffries gehört zu seinen liebenswürdigsten und sinnigsten Schöpfungen.

In dieser Werkstatt an der Stülerstraße sind Bildwerke der mannigfachsten Art und Größe, Erzeugnisse großer, schöpferischer Kraft in stattlicher Zahl entstanden.

Der Sarkophag Kaiser Friedrichs.

Während der Arbeit an der Modell- und der Marmorausführung des Schillerdenkmals bildete er die kleine Gruppe des Pan, welcher ein nacktes Bübchen auf seinem Schoß die Flöte blasen lehrt; ferner die nackte weibliche Gestalt, welche sich seitlich herabbeugend das Bein nach dem Bade trocknet, die junge Mutter, welche ihr nacktes Kind glückselig auf den Händen emporhält, die beiden Medaillonreliefs: Venus, ihrem Knaben die Tauben ihres Gespanns hinhaltend, und Ganymed, einen Amoretten tränkend, das große Halbrundrelief, Tanz und Musik durch Gruppen von Idealgestalten darstellend. Nach der Vollendung des Schillerdenkmals, welches dann auf seinem Platz vor dem Schauspielhause noch so manches Jahr in seinem Bretterhause der Enthüllung entgegen zu harren hatte, setzte sich diese bildnerische Thätigkeit in immer großartigerer Ausdehnung fort.

Begas sah sich in der glücklichen Lage, nicht erst Aufträge abwarten zu müssen, wenn es ihm auch nie an bedeutenden öffentlichen und privaten Bestellungen fehlte. Seine Hauptwerke waren und sind doch immer diejenigen, zu welchen ihn die eigene freie Phantasie anspornte. Zu diesen zählen vor allem die wunderschöne Gestalt der sitzenden nackten, sich erschreckt den Rücken verhüllenden Frau; dann Psyche, von Merkur getragen, der sich zum Fluge aufschwingen will (in Marmor ausgeführt in der Nationalgalerie); der Raub einer leidenschaftlich sich sträubenden Sabinerin durch einen römischen Krieger; die Nymphe, welche der zärtliche Centaur auf seinen Rücken hebt, indem er die eine Hand zum Steigbügel für ihren Fuß macht; die große Kandelabergruppe, welche die Entstehung des elektrischen Funkens im heißen Kusse einer schwebenden Tochter der Luft und eines erdgeborenen, vom Boden zu ihr aufstrebenden heroischen Jünglings versinnlicht; vor allem das Modell des vielgenannten kolossalen Schloßbrunnens, dessen Erzguß die Stadt Berlin Kaiser Wilhelm II. als Ehrengabe der Bürgerschaft dargeboten hat, und der, dem kaiserlichen Wunsche entsprechend, in der Mitte des Schloßplatzes errichtet worden ist.

Dieser Schloßbrunnen ist eine gewaltige Komposition. Auf hohem Felsensitz, der sich aus weitem Bassin erhebt, thront die bärtige nackte Riesengestalt des Meerbeherrschers, von Putten umklettert. Vier See-Centauren mit fischförmigen Hinterleibern, Gestalten von grandios phantastischer Bildung, bäumen sich, große Muschelbecken über ihren zottigen glotzäugigen Häuptern tragend, an den Ecken dieses Felsenthrones aus dem Wasser des Beckens empor. Nackte Putten entleeren herbeigetragene Urnen in diese Muschelschalen, über deren zackige Ränder das Wasser zum großen Bassin herabströmt. Andere Putten fliehen angstvoll am Felsen hinauf vor den riesigen Hummern und Polypen, welche herankriechen und Scheren und Fangarme nach ihnen ausstrecken, während in weiterer Entfernung Schlange, Seehund, Schildkröte und Krokodil auftauchen und sich hoch aus dem Wasser recken. Auf der vierpaßförmigen Schranke aber, welche das große untere Becken umgiebt, lagern in gleichen Abständen voneinander vier herrliche Nymphengestalten, die Sinnbilder der vier Hauptströme Preußens, auf ihre Urnen gestützt. Der Brunnen ist am 1. November feierlich enthüllt worden.

Von den für öffentliche Bestimmungen von Begas ausgeführten Werken nennen wir die folgenden: die beiden Gruppen von je einem mächtigen Stier, der von einem kraftvollen Mann, Hirt oder Metzger, geleitet wird, auf den Portalpfeilern des Vieh- und Schlachthofes zu Budapest; die weniger als seine andern Bildwerke befriedigende Marmorstatue Alexanders von Humboldt mit ihrem Postament vor der Berliner Universität; die schöne stolze und üppige symbolische Frauengestalt „der Reichthum“ für den Sitzungssaal der deutschen Reichsbank; die beiden sitzenden römischen Krieger für die untern Geländerpfosten der Marmortreppe im Lichthofe des Berliner Zeughauses; ebendort die symbolischen Flachreliefs an der Treppenwand, Armee und Marine versinnlichend; die Marmorstatuen der „Stärke“ und der „Weisheit“ oben in der Feldherrnhalle desselben Gebäudes und die prächtige, in schwungvoll bewegter Haltung dastehende marmorne Riesenstatue der behelmten, auf das Schwert gestützten Borussia in der Mitte des Zeughauslichthofes; den Sarkophag Kaiser Friedrichs III. für dessen Mausoleum mit der im Todesschlaf zurückgesunkenen, mit dem Herrschermantel überbreiteten, rührenden und doch so majestätischen Gestalt des edlen Dulders.

Unter den Arbeiten unseres Künstlers ist auch noch die lange Reihe der Bildnißbüsten zu erwähnen. In der Ausführung dieser Art von Aufgaben bewies Begas jederzeit eine erstaunliche Begabung für die Erfassung der Individualität, der geistigen Persönlichkeit und für die lebendige Darstellung des Abglanzes

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 798. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_798.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)