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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Bahnverbindung mit der portugiesischen Hafenstadt Lorenzo Marques herzustellen und sich in der Sordwana-Bucht im Amatongaland einen ihnen allein gehörigen Ausfuhrplatz zu verschaffen. Doch die Partei der „Afrikander“ (die politische Vereinigung aller im ganzen Kapland geborenen Weißen) treibt unablässig zur Verwirklichung einer allgemeinen südafrikanischen Republik. Ihr dürfte es zuzuschreiben sein, daß der „Volksraad“ von Pretoria, wenn auch widerwillig, im August v. J. die sogenannte „Swasi-Konvention“ genehmigte, wonach Transvaal sich bereit erklärt, der Gebietserweiterung der Engländer im Matebeleland nicht entgegenzuwirken, dagegen möglicherweise binnen 6 Monaten einem Zollverband mit der Kapkolonie, dem Oranje-Freistaat und dem Betschuanenland beizutreten.

Mit unleugbarer Rücksichtslosigkeit gegen das kleine Portugal und mit unermüdlichem Scharfsinn hat die „Britische südafrikanische Gesellschaft“, seit 1889 unterstützt von der heimischen Regierung, die für sie vortheilhafteste Grenzregulierung zwischen Matebeleland und Manika-Gasaland durchgesetzt und die Bestätigung derselben durch den englisch-portugiesischen Vertrag vom Mai 1891 erhalten. Ihr Bestreben war zuerst auf eine über den Sambesi reichende Vereinigung mit der „englischen Seengesellschaft“ gerichtet, welche seit 1879 die Uferlandschaften des Njassa- und Tanganikasees, allerdings mit geringem Erfolg, für den Handel ausbeutete. Sobald sie aber die Herrschaft über das ganze Matebeleland gewonnen hatte und durch die Goldfunde immer weiter nach Osten verlockt worden war, mußte sie bei der zunehmenden Entfernung von der Kapstadt (2880 Kilometer) eine kürzere Ausfuhrstraße und zwar nach dem Indischen Ocean ins Auge fassen, und diese bot sich, in einer Länge von nur 400 Kilometern, in dem Thale des Pungwe dar. Während die „Südafrikanische Gesellschaft“ auf ein möglichst nahes Heranrücken an die Ostküste erpicht war, verlangte die „Seengesellschaft“ unablässig den Besitz des Makolololandes und die Freiheit des Schiffverkehrs auf dem Sambesi. Beide Ziele erreichte die englische Politik, indem sie zuerst übertriebene Forderungen stellte und dann durch Nachgiebigkeit in Nebendingen die verletzten Portugiesen einigermaßen befriedigte. So überließ England großmüthig einen mächtigen, aber wohl ziemlich werthlosen Landstrich nördlich vom Sambesi (zwischen dem Schire und Loangwa) an Portugal und nahm dafür als Entschädigung den räumlich unbedeutenden, durch seinen Goldreichthum aber sehr wichtigen Ostrand der Manika-Hochebene für sich in Anspruch. „Njassaland“ ist seit Frühjahr 1891 die offizielle Bezeichnung der englischen Schutzgebiete nördlich und südlich vom Sambesi; die gebräuchlichste Benennung des letzteren Theiles ist Britisch-Sambesia.

Während man nun der „Seengesellschaft“ troz dieser Vergrößerung ihres Gebietes nicht eben eine günstige Zukunft voraussagen kann, erscheinen in Deutsch-Ostafrika die Aussichten auf kolonisatorische Erfolge ungleich besser. Diese Kolonie besitzt zwei wesentliche Vortheile: erstens ein einheitliches Handelsgebiet von großem Umfang und zweitens Landstriche, die sich zum Plantagenbau eignen. Der unmittelbarste Nutzen fließt aus dem Handelsgebiet, dessen althergebrachte Verkehrsstraßen an den Gestaden der drei mächtigen Binnenseen (des Njassa, Tanganika und Viktoria-Njansa) beginnen und an den Küsten des Indischen Oceans enden. Sie gehören nach dem deutsch-englischen Vertrag ausschließlich dem deutschen Machtbereich an. So umfangreich schon jetzt dieser Handelsverkehr erscheint, so wird er doch noch sehr gesteigert werden, wenn in erster Linie die Beseitigung des Wegzolles in Ugogo und des Räuberunwesens in Usukuma die Beförderungskosten vermindert hat, und wenn in zweiter Linie Militärstationen in größerer Anzahl den Karawanen Sicherheit gewähren. Wie sehr diese Sicherheit trotz aller Schutzmaßregeln noch immer bedroht ist, wie viel die Kraft der räuberischen Stämme noch vermag, das zeigt neuerdings das traurige Schicksal der Expedition des Lieutenants von Zelewski, die den größten Theil unserer ostafrikanischen Schutztruppe umfaßte und trotzdem der Uebermacht der Wahehe zum Opfer gefallen ist. Möglicherweise hat neben den angeführten Maßregeln in dieser Beziehung einen bessernden Einfluß auch die Einrichtung einer Dampfschiffahrt auf den Seen, wenn dadurch die Handelsbeziehungen der Uferbevölkerung mit der deutschen Kolonie in einen lebhafteren Zusammenhang gebracht sein werden.

Sesam, Kautschuk, Kopal und vor allem Elfenbein werden gegenwärtig noch in namhaften Massen ausgeführt. Die Zunahme marktfähiger Naturerzeugnisse kann mit der gesteigerten Thätigkeit der Eingeborenen und mit dem wahrscheinlichen Aufblühen des Plantagenbetriebes im Küstengebiet eintreten. Letzterer beweist trotz seiner spärlichen Anfänge das Vorhandensein eines anbaufähigen Bodens und die theilweise Verwendbarkeit der einheimischen Bevölkerung als Arbeiter.

Der Nachtheil, welcher Deutsch-Ostafrika unvertilgbar anhaftet, besteht darin, daß eine Benutzung europäischer Arbeitskräfte unmöglich ist. Es wird deshalb auch nie an eine starke Einwanderung von Weißen zu denken sein, welche allein den Bedarf von Einfuhrwaren in großen Mengen sichern würde. Aus diesem Grunde wird das kleine Natal stets reichere Erträgnisse abwerfen als die weitausgedehnte deutsche Kolonie; dennoch hat diese nach der Ansicht selbst nüchterner Berichterstatter eine gleiche, wenn nicht größere Zukunft als die Mehrzahl der europäischen Niederlassungen im tropischen Afrika. Wohl sind mehr als zwei Drittel des Landes unbebaut und unfruchtbar, wohl kann vorläufig das mächtige Seengebiet nur als Handelsgebiet in Anschlag gebracht werden; aber dennoch dürfte eine nicht zu große Anzahl von Kaufleuten und Pflanzern gute Erfolge erwarten; auch wird es möglich sein, bisher unbenützten Boden in den Kreis der Bebauung zu ziehen. Alles kommt darauf an, nicht auf einmal zu viel Kapital vertrauensselig in ostafrikanische Geschäfte zu stecken. Man wird gut thun, zuerst den Ertrag der jetzt in Angriff genommenen kurzen Eisenbahnstrecken von Bagamoio nach Dar es Salaam und von Tanga nach Korogwe abzuwarten, ehe man zu größeren Unternehmungen schreitet.

Hätten nicht schon seit Jahrzehnten englische Konsuln, Kaufleute und Missionare eine den Arabern und Schwarzen imponierende Stellung im Palaste des Sultans von Sansibar und in den größeren Orten des Festlandes eingenommen und jede Gelegenheit zur Mehrung und Stärkung ihrer Handelsverbindungen ausgenützt: unzweifelhaft würde dann heute die deutsche Flagge längs der ganzen Sansibarküste und auf den vorgelagerten Inseln wehen. Unter den bestehenden Verhältnissen aber waren wir auch nach unserem verblüffenden Auftreten von 1884 bis 1888 nicht imstande, die Engländer ganz aus ihrer Stellung zu verdrängen, und mußten zu diplomatischen Auseinandersetzungen greifen. Die erste von 1886 genügte nicht; die zweite vom 1. Juli 1890 beseitigte durch eine beträchtliche Erweiterung von Englisch-Ostafrika die bestehenden Streitpunkte und jedmögliche Veranlassung zu künftigen Reibungen. Der werthvollste Besitz für die englisch-ostafrikanische Gesellschaft ist zur Zeit unstreitig das Protektorat über die Insel Sansibar; denn dort ist der ganze ostafrikanische Handel zwischen Indien und Europa seit langer und noch für lange Zeit vereinigt.

Die Küste von Englisch-Ostafrika selbst hat bei weitem nicht die zum Plantagenbau einladende Beschaffenheit wie jene von Deutsch-Ostafrika. Das unmittelbare Hinterland von Mombas ist Wüste, wie zum größten Theil das zwischen dem Tana und Juba liegende Gebiet; nur ein schmaler Streifen wirklich fruchtbaren Bodens umsäumt die beiden Ufer des Tana. Daß die Engländer auf die Erwerbung Ugandas einen ganz besonderen Werth legten, läßt sich nicht ausschließlich aus dessen Reichthum an Kaffee- und Bananenpflanzungen erklären; auch nicht aus der Absicht, den Handel der Waganda von dort nach Mombas zu leiten, denn dieser wird vorläufig den sicheren und altgewohnten Weg durch das deutsche Gebiet beibehalten; eine Erklärung liegt vielmehr nur in der Erwartung der Engländer, ihren jetzt in Aegypten herrschenden Einfluß dermaleinst über das ganze Nilgebiet auszubreiten und den Handelsverkehr aus dem Inneren Afrikas auf dessen bequemster Wasserstraße, dem Nil, in die Hand zu bekommen. Um die Erreichung dieses Zieles zu beschleunigen, trachteten sie danach, am Viktoria-Njansa festen Fuß zu fassen und so vom Süden her schrittweis nach Norden vorzurücken. Das scheinen die großen, fernen Ziele der englischen Regierung zu sein.

Die englische Besetzung der Insel Sokotra und der Küstenstrecken am Golf von Aden von Zeila bis Bender Gasim gilt vornehmlich der Sicherung des Seewegs nach Indien.

England traf in jüngster Zeit hier und in Oberägypten mit den Kolonisationsbestrebungen der Italiener zusammen, welche durch kriegerische Erfolge die Umgegend von Massaua und die Schutzherrschaft über Abessinien und durch Verträge die ganze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_702.jpg&oldid=- (Version vom 24.9.2023)