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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

leichter sein, als der nächste Zielpunkt unserer Handelsinteressen nicht im Osten von Kamerun, sondern im Norden, in Adamaua, also westlich vom 15. Grad östlicher Länge gelegen ist. Dem wurde auch in dem deutsch-englischen Abkommen Rechnung getragen, welches uns vollkommene Handelsfreiheit und „freien Durchgangsverkehr in den Gegenden nördlich vom Benuë und nach dem Tsadsee“ sichert. Das für Kamerun wichtigste und längst erstrebte Ereigniß bleiben die beiden erfolgreichen Expeditionen von Dr. Zintgraff und Lieutenant Morgen 1889 und 1890; durch sie wurde der Urwaldgürtel am Mungo und Sannaga durchbrochen, Verbindungen mit den jenseits wohnenden Eingeborenen angeknüpft und damit das Handelsmonopol der Duallahäuptlinge vernichtet. Kamerun ist entschieden im Aufblühen begriffen. Ohne wesentliche Störung durch Feindseligkeiten der Eingeborenen mehrt sich in der jungen Kolonie der Handel mit Palmöl, Kautschuk, Elfenbein und europäischen Erzeugnissen von Jahr zu Jahr; auch der Plantagenbau steigert gleichmäßig seine Erträgnisse. Die Kolonisation hat hier ohne viel Lärm, weil langsam, sich Bahn gebrochen und festen Grund unter den Füßen gewonnen.

Französisch-Kongo, von Gabun aus mühsam erworben, weitausgedehnt nach dem Inneren bis zu den Ufern des Ubangi, fristet bis jetzt ein kümmerliches Dasein, denn der versuchte Plantagenbau in der Nähe von Libreville kostet mehr, als er einbringt.

Weitaus den größten Raum von allen europäischen Kolonien in Afrika nimmt der internationale oder vielmehr belgische Kongostaat – auf der Karte ein. Er ist die Schöpfung Stanleys und besitzt wie alle Unternehmungen dieses Mannes den Charakter des Großartigen, wenigstens dem Scheine nach. In Wirklichkeit mußte er nach achtjährigem Bestehen einer Umgestaltung, und zwar in finanzieller Beziehung, unterworfen werden, d. h. ohne Umschweife: er war bankrott. Die Verwaltungskosten vermehrten sich von Jahr zu Jahr, die Einnahmen aus den Ausfuhrzöllen blieben unter der berechneten Höhe; trotz der Zuschüsse des Königs der Belgier verblieb ein jährlicher Fehlbetrag von mehr als 2 Millionen Mark. Der Staat Belgien leistete im Juli 1890 Hilfe: er gewährte ein unverzinsliches Darlehen von 20 Millionen Mark unter der Bedingung, nach 10 Jahren den Kongostaat als Kolonie in Besitz nehmen zu dürfen. Durch die Brüsseler Afrikakonferenz wurde am 9. Februar 1891 dem Kongostaat zur Vermehrung seiner Einnahmen die Erhebung von Einfuhrzöllen, welche die Kongoakte von 1888 ausgeschlossen hatte, und ebenso eine ziemliche Steigerung der Ausfuhrzölle zugestanden. Trotzdem erscheint in dem Staatshaushalte für 1891 ein Zuschuß von 3 Millionen Franken aus der belgischen Kabinetts- und Staatskasse bei einer Gesammteinnahme von 3 511 000 Franken. Wohl haben die Erträgnisse des Handelverkehrs seit 1890 einen bedeutenden Aufschwung genommen. Der Werth der Gesammtausfuhr betrug 1887 nur etwa 6 Millionen Mark, 1890 dagegen schon 11 Millionen Mark (wozu jedoch das Gebiet des Kongostaates selbst nur für 6½ Millionen Mark Güter lieferte). Der werthvollste Artikel ist Elfenbein (4 Millionen Mark); außerdem spielen Palmöl und Kautschuk eine nicht unbedeutende Rolle. Dennoch bleibt es sehr fraglich, ob die seit 1890 im Bau begriffene Eisenbahn vom unteren Kongo nach dem Stanley Pool sich jemals rentieren wird. Denn die unausbleiblichen Zerstörungen durch die tropischen Regengüsse werden die Kosten der Unterhaltung ganz außerordentlich steigern und die Regelmäßigkeit eines gewinnbringenden Frachtverkehrs muß so lange bezweifelt werden, bis die dauernde und massenhafte Ansammlung von Naturerzeugnissen aus dem oberen Kongobecken sichergestellt ist, was gegenwärtig noch nicht der Fall sein dürfte. In einer Beziehung aber hat der Kongostaat Unvergängliches geleistet: er hat durch seine zahlreichen Stationen und Entdeckungszüge die geographische Kenntniß eines großen Theiles von Innerafrika in kurzer Zeit uns erschlossen.

Zu den ältesten europäischen Niederlassungen im tropischen Afrika gehört die portugiesische Kolonie Angola; zuerst fast ausschließlich einträgliche Ausfuhrgegend für den Sklavenhandel, dann Einfuhrgebiet für deportierte Verbrecher, hat sie sich in den letzten Jahrzehnten durch ausgedehnteren Plantagenbetrieb einigermaßen in die Höhe gearbeitet; wirklich ergiebige Fruchtbarkeit beschränkt sich auf das von Kaffeepflanzungen strotzende Lucallathal und auf den Küstenstrich zwischen Benguela und Mossamedes. Uebrigens zieht der Volkswohlstand Portugals geringen oder fast gar keinen Nutzen aus dieser Kolonie; ein unnöthig zahlreiches Beamtenpersonal vermehrt die Verwaltungskosten, die übermäßig großen Landgüter werfen bei der Trägheit und Sorglosigkeit ihrer Besitzer karge Erträgnisse ab.

Ein lange Zeit drohender Zusammenstoß mit dem Kongostaat wurde im Mai 1891 durch einen Vertrag beseitigt, nach welchem beide Mächte das Reich des Matiamvo unter sich theilten und den Oberlauf des Kassai als Grenzlinie bestimmten.

Deutsch-Südwestafrika (Damara- und Namaland) gilt zur Zeit als ein recht trostloses Gebiet. Und doch könnte vielleicht hier mit Aufwand von Kapital und unternehmungslustiger Arbeit eine überraschende Veränderung zum Besseren eintreten. Ein wichtiger Umstand begünstigt die Möglichkeit einer solchen Aussicht: ein überaus gesundes Klima, welches die dauernde Ansiedlung von Europäern gestattet. Das ganze Land ist eine ungeheure Weidefläche, der Boden an und für sich ist nicht ertragsunfähig; er bedarf nur einer regelmäßigen Bewässerung, welche durch Anlegung von Teichen und Cisternen, freilich erst allmählich und mühselig, erreicht werden könnte. Alle Arbeitskraft müßte sich in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten auf sachgemäßen Betrieb der Viehzucht richten; es wäre des Versuches werth, ob man mit der Schafzucht nicht ähnliche Erfolge erzielen könnte wie in den Karroofeldern der Kapkolonie und in dem sandigen Australien. Bei ausgiebiger Bebauung und Besiedelung des Landes kann der Zufall vielleicht zu Goldminen führen wie in Transvaal; denn Gold ist thatsächlich vorhanden. Doch Arbeit bleibt immer und überall der einzige Begründer wachsenden Wohlstandes, und auf sie soll man in erster Linie vertrauen, nicht auf zufällige Geschenke der Natur. Mißlich sind allerdings die Hafenverhältnisse. Die günstig gelegene Walfischbai gehört der Kapkolonie, die nicht geneigt ist, sie an Deutschland abzutreten; noch besser ist Sandwichhafen, aus dem aber der Aufstieg zum Binnenland große Schwierigkeiten bereitet, auch Kap Croß oder die Mündung des Tsoachoubflusses. Am besten ist der Hafen von Angra Pequena, doch liegt dieser sehr entfernt von dem geeignetsten Kolonisationsgebiet. Wir stoßen allenthalben auf Schwierigkeiten; allein sie wurden stets und überall da überwunden, wo die klimatischen Verhältnisse dem Europäer erlaubten, mit zielbewußter Arbeitskraft einzusetzen, und das könnte in Damara- und Namaland der Fall sein.

Wer sich überzeugen will, wo die wirklichen Reichthümer des modernen Afrika zu suchen sind, der vergleiche den Warenumsatz der Kapkolonie, des kleinen Natal, der schwachbevölkerten Boersstaaten mit jenen von Senegambien, von der Goldküste, von Angola. Hier an der Südspitze Afrikas sind diese Schätze in Massen aufgethürmt und vermehren sich von Jahr zu Jahr. Bei eingehender Betrachtung findet man, daß sie durchaus nicht, wie man oberflächlich annehmen könnte, hauptsächlich aus Diamanten und Gold bestehen, sondern in Früchten, welche europäische Arbeitskraft einer widerspenstigen Natur abgerungen hat. Die Edelmetalle spielten wie in Kalifornien und Australien nur die Rolle der Verführer; sie lockten die Menge heran, bereicherten rasch die ersten Ankömmlinge und zwangen die später Gekommenen zur Bearbeitung des an anderen Naturerzeugnissen ziemlich ergiebigen Bodens. Bei dem Mangel an größeren und schiffbaren Flüssen, bei der Feindseligkeit der kriegslustigen Eingeborenen entwickelte sich Südafrika sehr langsam; ein plötzlicher Aufschwung begann im Anfang der siebziger Jahre, als die Entdeckung der Diamantgruben von Kimberley europäische Unternehmungslust weckte, massenhafte Einwanderer in das Land führte und der südwestliche Theil mit einem Netz von Eisenbahnen überspannt wurde. Der umfangreichste Ausfuhrartikel ist jetzt Schafwolle; in der Kapkolonie allein beläuft sich die Anzahl von Schafen und Angoraziegen auf beinahe 20 Millionen Stück. Im großen und ganzen betreiben die Hafenstädte der Kapkolonie den Handel; die Boersstaaten Getreidebau, Viehzucht und Goldgräberei; Natal Plantagenbau (Zuckerrohr und in jüngster Zeit auch Thee). Südafrika birgt in sich die Nothwendigkeit eines einheitlichen Wirthschaftsgebietes, aber gegenwärtig trennt noch nationale Abneigung und Absonderung die unternehmungstüchtigen Engländer von den zäh-konservativen Boers. Die Engländer drängen mittels der „südafrikanischen Gesellschaft“ nach dem Norden, nach dem fruchtbaren Goldland der Matebele und Maschona, während die vom Weltverkehr bisher fast ganz ausgeschlossenen Transvaaler jetzt vor allem danach trachten, eine von der Kapregierung unabhängige

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