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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Dramaturgen erhob, als auch jener patriotische und protestantische Geist, der in den Jahren des politischen Sturmes und Dranges seinem revolutionären Pathos sehr bald eine eigenthümliche Klangfarbe lieh. Die Gestalten seiner Jugenddramen hatten Macht über ihn behalten, und auf der Höhe seiner Laufbahn bannte er sie aufs neue, ließ sie seinem Dichterwort Stand halten und gab dabei den Gesichten seiner abenteuerlustigen waffenfreudigen Phantasie lebenswahre Gestaltung in dem Rahmen des großen Romans, der noch lange deutsche Leser unterhalten und erbauen wird: „Der dreißigjährige Krieg“. Johannes Proelß.     




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Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Die elektrische Kraftübertragung.

Schon seit längerer Zeit hielt der mit der Frankfurter elektrotechnischen Ausstellung in Beziehung stehende, mit Mühe und großen Kosten vorbereitete Versuch, eine elektrische Uebertragung von annähernd 300 Pferdekräften auf eine Entfernung von 175 Kilometern zu bewirken, nicht nur die Elektrotechniker, sondern die ganze gebildete Welt in erwartungsvoller Spannung. Wie unsern Lesern aus einer früheren Mittheilung über „das Ende der Steinkohle und ihren Ersatz“ erinnerlich sein wird (siehe Nr. 13 dieses Jahrgangs), ist es vom wirthschaftlichen Standpunkte aus geboten, im Verbrauche der Kohle die möglichste Sparsamkeit walten zu lassen und an Stelle derselben die täglich sich erneuernden Naturkräfte heranzuziehen. Als die am bequemsten zu verwerthende Naturkraft bietet sich uns das Wasser unserer Flüsse und Ströme, und man war sich daher wohl bewußt, daß im Falle glücklichen Erfolges der Lauffen-Frankfurter Versuche die Kraftfrage der Lösung um ein gutes Stück entgegengeführt war: man braucht sich ja nur zu vergegenwärtigen, daß die Kraft unserer fließenden Wasser ein Mehrfaches der für die gesammte Industrie erforderlichen Kraft zu liefern vermag. Bisher war man jedoch nur in sehr beschränkter Weise imstande, die Kraft dahin zu übertragen, wo man ihrer bedurfte. War also jener Versuch von Erfolg begleitet, so war eine gänzliche Aenderung der jetzigen Kraftbetriebe und damit des ganzen gewerblichen Lebens angebahnt. Neben die Kohle, die seither eine hervorragende und herrschende Stellung als Kraftquelle einnahm, trat dann als gleichberechtigt das ewig sich erneuernde Wasser.

Die Heißsporne unter den Elektrotechnikern meinten sogar, unsere Dampfmaschinen und Lokomotiven seien dann sofort überflüssig und nur noch geeignet, im Museum für Alterthümer aufgestellt zu werden – späteren Geschlechtern ein Zeichen unseres strebsamen, aber in bemitleidenswerthem Irrthume befangenen Jahrhunderts. Die häßlichen, mit ihrem Rauch und Ruß die Luft verpestenden Kamine müßten nach ihrer Ansicht schleunigst niedergelegt werden. Alle Lampen, und wären es die schönsten Million- oder Generatorlampen, werden ohne Erbarmen in die Rumpelkammer getragen und durch Glüh- und Bogenlicht ersetzt; in 20 Jahren sind sie eben so unbekannt wie der jetzigen jungen Welt die Lichtputzschere. Entsprechend große Aenderungen sollten dann auch auf dem Gebiete des Post- und Eisenbahnwesens bevorstehen. Der Betrieb aller Wagen wird natürlich elektrisch eingerichtet; wie schon jetzt bei den wenig Kraftbedarf erfordernden Straßenbahnen sollen dann die Eisenbahnzüge mit der zur Verfügung stehenden größeren Kraft betrieben werden. Kurz, eine völlige Umwälzung soll sich auf die sämmtlichen gewerblichen Gebiete erstrecken.

Der entscheidende Versuch hat vor kurzem stattgefunden und hat ein äußerst befriedigendes Ergebniß geliefert.

Die erste Verwendung des übergeleiteten Stromes bestand darin, daß man Hunderte von Lampen der Ausstellung an die Kraftleitung anschloß. Und siehe da, sie strahlten im hellsten Glanze, ein leuchtendes Sinnbild des Fortschritts, den der menschliche Geist damit zum Licht der Erkenntniß hin gemacht hat.

Eine der hübschesten Zierden der Frankfurter Ausstellung bildet der Wasserfall. Von einer künstlich angelegten, thurmgekrönten Anhöhe stürzt ein malerischer Wasserfall herunter, der allabendlich spielt und, vom Innern her elektrisch beleuchtet, in glänzender Farbenpracht seine Fluthen herniederschickt. Bisher wurde derselbe von einer mächtigen, durch Dampf getriebenen Schleuderpumpe in Bewegung gesetzt, welche das erforderliche Wasser dem Main entnimmt und etwa 10 Meter emporhebt. Diese Arbeit hat man nun auch dem von weither übertragenen elektrischen Strome aufgebürdet. Kräftige Dynamomaschinen sind an die Stelle der Dampfmaschine getreten. So entsteht in der That ein wunderbarer Kreislauf! Der Wasserfall des Neckars, der auf die Lauffener Turbine geleitet wird, hebt auf eine Entfernung von mehreren Tagereisen, in einem Augenblick den weiten Raum überwindend, das Mainwasser in die Höhe und zwingt dasselbe, den Lauffener Wasserfall in Frankfurt gleichsam zu wiederholen und aufs Neue hervorzubringen. Das Mittel dazu, die Kraftleitung, besteht aus einigen Kupferdrähten, die so ruhig auf den Telegraphenstangen liegen, als wenn sie die ganze Geschichte überhaupt gar nichts anginge.

Nach diesem gelungenen Versuche ist jeder Zweifel an der Durchführbarkeit der Uebertragung von Elektricität auf weite Strecken gehoben, und wir stehen thatsächlich an einem der entscheidendsten Wendepunkte auf dem Felde der Technik. Den weiteren Verlauf können wir nur ahnen, und die kühnste Phantasie läßt uns hier ebenso im Stich wie etwa vor 25 Jahren bezüglich der Entwicklung der Telephonie, der elektrischen Beleuchtung und der elektrolytischen Metallgewinnung. Allerdings brauchen wir nicht gleich morgen mit dem Abbruch der Dampfmaschinen, Kessel und Kamine zu beginnen; denn „gut Ding will Weile haben“, heißt es wie im gewöhnlichen Leben so besonders auch in der Technik.

Wie ist nun die Lösung jener Aufgabe möglich geworden?

Das am Neckar gelegene Portlandcementwerk Lauffen besitzt eine Wasserkraft von etwa 1500 Pferdestärken. Ein Theil derselben, etwa 300 Pferdekräfte, wird von einer Turbine nutzbar gemacht, welche diese Kraft auf eine elektrische Kraftmaschine, Elektromotor oder Dynamo genannt, überträgt. In dieser Dynamomaschine spielt sich der eigenthümliche Vorgang ab, durch welchen die mechanische Kraft der Turbine in elektrische Kraft verwandelt wird. Die elektrische Kraft hat nun ganz wunderbare, in ihrem eigentlichen Wesen noch geheimnißvolle Eigenschaften. Eine der hervorragendsten ist die, daß sie sich mit einer fabelhaft großen Geschwindigkeit fortpflanzt; sie ist z. B. imstande, in einer verschwindend kurzen, kaum meßbaren Zeit die Strecke von Lauffen nach Frankfurt zu durchlaufen. Freilich muß man ihr einen passenden Weg bahnen: sehr gern folgt sie den Metalldrähten, insbesondere dem Kupfer. Man nennt deshalb das Kupfer einen guten Leiter der Elektricität. Damit die Elektricität nicht auf Abwege geräth, legt man den Kupferdraht auf Porzellan, welches als Nichtleiter der Elektricität das Abspringen verwehrt. Bei der Ueberleitung kommt aber noch ein anderer Umstand in Betracht. Eine bestimmte Elektricitätsmenge verlangt nämlich einen und unter Umständen mehrere Drähte von einem bestimmten Querschnitt. Ist letzterer nicht genügend groß, so bringt der Strom den Draht zum Glühen und wohl gar zum Abschmelzen. Ferner hat man durch die Erfahrung gelernt, daß Ströme von niedriger Spannung einen großen Querschnitt verlangen, während Ströme von hoher Spannung sich mit viel dünnerem Drahte begnügen.

Diese Verhältnisse waren für die Lauffener Anlage von Wichtigkeit. Weil die von der Turbine in der Dynamomaschine erregte Elektricität nur von geringer Spannung ist, so hätte man eigentlich für dieselbe eine ungemein theure Leitung verwenden müssen. Man ordnete deshalb gleich neben der Dynamomaschine noch einen Spannungsumwandler (Transformator) an, in welchem sich die niedrig gespannte Elektricität in eine solche von hoher Spannung umwandelte. Diese ist nun befähigt, mit Leitungsdrähten von geringem Querschnitt auszukommen. Während für die Leitung der niedrig gespannten Elektricität, wie sie auf dem kurzen Wege von der Dynamomaschine bis zum Transformator noch vorhanden ist, Kupferkabel mit einem Durchmesser von 27 Millimetern erforderlich sind, genügen für die Fortleitung auf der eigentlichen Leitungsstrecke drei dünne blanke Kupferdrähte von je 4 Millimetern Durchmesser. Trotzdem erreicht die ganze Leitung das bedeutende Gewicht von 60 000 Kilo, entsprechend einem Geldwerthe von 120 000 Mark. Ohne diese Spannungsumwandlung würde die Anlage an der Höhe der Kosten gescheitert sein.

Da nun aber ein Strom von hoher Spannung sich nicht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_682.jpg&oldid=- (Version vom 10.10.2023)