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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

zunächst keine Forderung in Betreff eines Honorars stellen, und er erhielt auch vorläufig nichts.

Wie lange ihn die Arbeit an der „Zauberflöte“ in Anspruch nahm, können wir nicht mit Sicherheit nachrechnen. Jedenfalls hat er die Komposition während der Sommermonate des Jahres 1791 begonnen und vollendet. Im eigenhändigen Verzeichniß seiner sämmtlichen Werke aus dem Zeitraum von 1784 bis 1791 steht unter dem Juli 1791 verzeichnet: „Die Zauberflöte“, mit dem nachträglichen Vermerk: „Aufgeführt den 30. September“ Und später, unterm 28. September, heißt es: „Zur Oper ‚die Zauberflöte‘ einen Priestermarsch und die Ouvertüre,“ Dies war sonach der Abschluß des Werkes.[1] Die Hauptarbeit wird in die Monate Juni und Juli gefallen sein, denn im August, noch vor Vollendung der „Zauberflöte“, schrieb er die ganze Oper „Titus“, die ihm zur Krönungsfeier Kaiser Leopolds II. in Prag aufgetragen worden war. Die Anspannung seiner Kräfte, mit der er die beiden Tondichtungen so schnell zustande zu bringen hatte, muß – selbst wenn wir seine wunderbare Leichtigkeit des Schaffens in Anschlag bringen – eine große gewesen sein. An der „Zauberflöte“ arbeitele er wie an seinen früheren Opern, indem die Klavierproben einzelner Nummern gehalten wurden, noch ehe das Ganze fertig war, und auch vom Texte wurden verschiedene Stücke ihm erst nachträglich geliefert. Schikaneder, der hier fortwährend seinen Einfluß geltend machte, damit die Musik recht populär und leicht verständlich werde, hatte ihm zur Arbeit einen kleinen Gartenpavillon ganz nahe beim Theater eingeräumt, der später den Namen „Zauberflöten-Häuschen“ erhielt.[2] Mozarts Frau hielt sich in dieser Zeit krank in Baden bei Wien auf. Da hierdurch dem Komponisten die behagliche Häuslichkeit fehlte, so ist es begreiflich, daß sein Zusammenleben mit Schikaneder und dem Theaterpersonal ein ungebundeneres wurde, allein die Gerüchte und Klatschereien, die sich daran knüpfen, sind übertrieben. Daß es in dem Zauberflöten-Häuschen bei gemeinsamen Mahlzeiten lustig zuging, vollends da Schikaneder Mozart und sich selbst stets in angeregter Stimmung zu erhalten suchte, ist sehr wohl glaublich, allein völlig undenkbar ist, daß bei einer so wunderbaren Arbeit, die in so kurzer Zeit gefördert wurde, Mozart sich der Schwelgerei habe ergeben können.

Die Salzburger Erinnerungsstätten.

Schikaneder soll nach der Ueberlieferung dem Komponisten einzelne Melodien vorgepfiffen haben, damit dieser immer am gewünschten volksmäßigen Ton festhalte, und Mozart soll gefügig genug gewesen sein, um auch solche Anweisungen gelten zu lassen. Es ist auch dies sehr wohl möglich, aber wenn es jemals einen Menschen gab, der es verstand, aus Häckerling Gold zu machen, so war es Mozart. Was vom Hauche seines Genius berührt wurde, und mochte es das Gewöhnlichste sein, das wurde durch ihn geadelt.

Nachdem der Künstler aus Prag, wohin er sich zur Aufführung der Oper „Titus“ begeben hatte, zurückgekehrt war, legte er die letzte Hand an die „Zauberflöte“, sodaß sie am 30. September auf die Bühne gebracht werden konnte. Er war in dieser Zeit schon sehr angegriffen, und wohl deshalb überließ er die Hauptproben dem jungen Kapellmeister Henneberg, während er selbst die beiden ersten Aufführungen am Klavier leitete.

In dem vorhin erwähnten Verzeichniß seiner Kompositionen hat Mozart die „Zauberflöte“ als eine „teutsche Oper“ bezeichnet. Auf dem Theaterzettel jedoch hieß sie, wohl nach Schikaneders Bestimmung, „eine große Oper in zwei Akten von Emanuel Schikaneder.“ Erst nach der Aufzählung des gesammten Personals stand dann am Schluß des Zettels: „Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister und wirklichen k. k. Kammerkompositeur. Herr Mozart wird aus Hochachtung für ein gnädiges und verehrungswürdiges Publikum und aus Freundschaft für den Verfasser des Stückes das Orchester heute selbst dirigieren.“

Der Erfolg am ersten Abend entsprach zunächst den Erwartungen nicht. Vermuthlich hatte manches, so besonders die Priestergesellschaft mit ihren freimaurerischen Geheimnissen, zuerst etwas fremdartig berührt. Und obwohl sich im Verlaufe des Abends die Zuhörerschaft immer mehr erwärmte, so war doch Mozart anfangs über die Aufnahme sehr unglücklich. Das wurde indessen sehr bald anders, denn mit jeder neuen Aufführung steigerte sich der Beifall und der Besuch. Schon am 7. Oktober, also eine Woche nach der ersten Aufführung, konnte Mozart an seine Frau


  1. Die vollständige Partitur der „Zauberflöte“, von Mozarts eigener Hand geschrieben, befindet sich in der Musikabtheilung der Berliner königlichen Bibliothek. Es ist ein makellos erhaltener Band von 224 Blättern in Querfolio.
  2. Das hölzerne Häuschen wurde in neuerer Zeit von der Stadt Salzburg erworben, dorthin verbracht und auf dem Kapuzinerberg aufgestellt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_657.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2023)