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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

die Eifersucht der Wiener auf das Urtheil Prags dabei mitspielte, oder endlich ob auch hier das Publikum dem kühnen Fluge seines Genius nicht zu folgen vermochte – gleichviel: die Thatsache des Mißerfolgs war da, und Mozart blieb nach wie vor der armselige Musiker, welcher Mühe hatte, von Tag zu Tag für sein Auskommen zu sorgen. Daß er es als eine richtige Künstlernatur mit den Geldangelegenheiten leicht nahm, war auch nicht geeignet, seine Lage zu bessern.

Mozart im 14. Lebensjahre.
Nach dem Veroneser Bilde

Um seinen Verhältnissen aufzuhelfen, unternahm er 1789 eine neue, seine sechste Kunstreise, sie führte ihn nach Dresden, Leipzig und Berlin. Der Fürst Karl Lichnowsky, der ihm die Reise anempfohlen hatte, stellte ihm seinen Wagen zur Verfügung und vermittelte persönlich die Bekanntschaft des Komponisten mit dem König von Preußen, der sich auf die Begegnung mit dem berühmten Manne außerordentlich freute. Friedrich Wilhelm II. hat das entschiedene Verdienst, nach dem Tode Friedrichs des Großen sich der bisher verachteten deutschen Musik und besonders der deutschen Oper eifrig angenommen zu haben. Mozart, welcher im April in Berlin anlangte, wurde vom König in jeder Weise ausgezeichnet; er ward zu den Hofkonzerten geladen und spielte dem Fürsten einige seiner Klavierkompositionen vor. Friedrich Wilhelm war von dem Künstler so entzückt, daß er ihm in einem Gespräche den Vorschlag machte, als Hofkapellmeister nach Berlin zu kommen mit einem Gehalte von jährlich 3000 Thalern. Der Gewährsmann für jene Unterredung ist Herr v. Nissen, Mozarts erster verdienstvoller Biograph, der nachmalige Gatte von dessen Witwe Constanze. Diese selbst will die Mittheilung über das großherzige Anerbieten aus des Königs eigenem Munde erhalten haben, als sie mehrere Jahre später sich in Berlin aufhielt. Von ihr wissen wir ferner, daß Mozart das verlockende Versprechen mit den Worten zurückwies: „Kann ich meinen guten Kaiser verlassen?“ Was aber hatte dieser gute Kaiser – und es war der tolerante und vielgeliebte Josef der Zweite – für den anhänglichen Künstler gethan? Mozart war in Wien lange ohne eigentliche Anstellung gewesen, erst 1787 hatte man ihn zum „Kammerkomponisten“ Seiner Majestät mit einer Besoldung von 800 Gulden ernannt. Und der sorglose und gemüthsweiche Mann schlug ein mehr als fünffaches Gehalt aus, um in Wien zu bleiben und dort unter Josefs Nachfolger noch zwei Jahre lang sich mühselig durchzukämpfen. Wohl wurde er in Berlin auch pekuniär anständig honoriert, allein bei seiner großen Freigebigkeit und Herzensgüte blieb ihm von dieser Reise wie von früheren nicht viel Gewinn übrig.

Als er nach Wien zurückgekehrt war, erhielt er vom Kaiser Josef den Auftrag, eine neue Oper nach einem Texte von da Ponte zu schreiben, es war dies die komische Oper „Cosi fan tutte“. Trotz ihrer zahlreichen musikalischen Schönheiten konnte auch sie wegen des unsäglich schlechten Textes keinen dauernden Erfolg haben.

Das Grünhofsche Medaillon.[1]

Das letzte Jahr seines Lebens brachte indessen dem Künstler doch noch in Wien selbst auf dem Boden des Theaters einen großen, ja sensationellen Erfolg mit der „Zauberflöte“, welche am 30. September zur ersten Aufführung kam. Um dieses Werk nach seiner musikalisch-dramatischen Bedeutung richtig zu beurtheilen, muß man die Geschichte seiner Entstehung mit ins Auge fassen. Die „Zauberflöte“ war seit der „Entführung“ die zweite eigentlich deutsche Oper, denn für „Figaro“, „Don Juan“ und „Cosi fan tutte“ hatten italienische Texte die Unterlage geben müssen. Schon aus Anlaß der „Entführung“ hatte sich Mozart in einem Briefe an seinen Vater auf interessante Weise darüber ausgesprochen, wie er über den Werth von Operntexten denke. Es komme dabei keineswegs auf gute Verse und einen poetisch ausgearbeiteten Text an, sondern einzig auf einen geeigneten Plan, welcher dem Komponisten freies Spiel lasse, um auch aus der mittelmäßigsten Dichtung etwas zu machen. Was er hier gefordert hatte, das bot sich ihm bei der „Zauberflöte“ in bester Weise, obwohl er dem Textdichter Schikaneder weitgehende Zugeständnisse machte. Die Worte gingen nicht über platte Handwerkspoesie hinaus, aber der scenische Plan des Ganzen war ein solcher, daß er dem Komponisten ein ungemein günstiges und reiches Feld für die musikalische Behandlung ließ. Als Schikaneder, ein mittelmäßiger Komödiant, aber spekulativer Theaterdirektor, sich in großer Noth befand, begab er sich zu Mozart, um ihm den Vorschlag zu einer Oper zu machen, die ihnen beiden wohl aufhelfen könne. Er theilte ihm mit, wie bei dem Entwurf zu der Oper ganz der Geschmack des großen Haufens in Betracht gezogen werden müsse, denn nur so sei auf Erfolg zu hoffen; er setzte ihm seine Ideen im großen und ganzen auseinander und durch was für bunte Bilder und Späße man das Ding so recht zum Gaudium der großen Menge gestalten könne: zu den Priestern, dem liebenden Paare, zur Königin der Nacht mußte sich der Vogelmensch Papageno gesellen, ferner der Mohr, die Schlange, die Wanderung durch Wasser und Feuer, kurz der ganze Aufwand an abenteuerlichen Mitteln. Mozart war nicht der Mann, der jemand leicht etwas abschlagen konnte, besonders wenn der Jemand in Noth war; auch sagte ihm die märchenhafte Handlung, das Bunte und Phantastische, das zum musikalischen Ausdruck so recht geeignet war, entschieden zu; so nahm er den Vorschlag an. Da Schikaneder selbst in Verlegenheit war, so wollte Mozart in seiner Gutmüthigkeit


  1. Dieses Bild, weitaus das beste unter allen vorhandenen, ist nach einem kleinen kostbaren Medaillon-Relief gefertigt, welches Mozart im Jahre 1788 seiner Frau Constanze schenkte, die es als Gürtelschmuck trug. Das überaus zarte Relief, aus einer Komposition von Wachs und Gips, hat eine dunkle Stahleinfassung. Es kam von Mozarts Witwe in den Besitz ihres ältesten Sohnes Karl Mozart, welcher als Beamter in Mailand lebte und daselbst 1859 verstorben ist. Aus seiner Hand erhielt es 1857 Frau v. Grünhof, welche als ehemals ausgezeichnete Sängerin mit ihren Eltern in Mailand lebte und dem Sohne Mozarts viel aus den Opern seines Vaters vorgesungen hatte, wofür ihr dieser durch jenes kostbare Geschenk dankte. Er fügte eine schriftliche Versicherung bei, daß dieses Porträt „unter allen ohne Ausnahme der vielen und verschiedenartigen Abbildungen seines Vaters als die vollkommen ähnlichste von seinen sämmtlichen Angehörigen und Bekannten sowohl, als auch von ihm selbst anerkannt war.“
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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_656.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2023)