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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

befriedigend eingewirkt, und niemand macht heutzutage den Frauen das Recht der Ausbildung streitig. Aber wie viel schwieriger ist diese Ausbildung zu erlangen für die von den Akademien ausgeschlossenen Damen, als für die männlichen Kunstjünger! Noch vor einem Jahrzehnt hatten selbst in München die ärmeren Mädchen einen wahren Heldenmuth im Entbehren nöthig, um die Kosten für Atelier, Lehrer und Modell aufzubringen. Heute jedoch blüht dort als segensreiche hochgeschätzte Einrichtung der Künstlerinnenverein, welcher für einen mäßigen Beitrag nicht nur vorzügliche Lehrkräfte und schöne Ateliers sammt allen Mitteln zum Studium gewährt, sondern auch den vielen Ortsfremden einen geselligen Mittelpunkt mit regelmäßigen Veranstaltungen bietet, wo gute Vorträge und Musikaufführungen abwechseln mit zwangloser Unterhaltung oder dem Betrachten der von den Kunsthändlern bereitwillig gelieferten neuen Bilderwerke.

Und alles dies ist aus kleinen Anfängen herausgewachsen, nicht durch Staatshilfe, sondern rein aus eigener Kraft und ohne alle Reklame. Mit zehn Schülerinnen im bescheidensten Lokal begann im Jahr 1884 der Unterricht, heute sind es deren 60 bis 70; der Verein hat ein großes Haus in der Türkenstraße gemiethet und veranstaltet jetzt alljährlich eine Schulausstellung, welche sich neben derjenigen der Kunstakademie sehen lassen darf und von den jungen männlichen „Kollegen“ mit vielem Eifer besucht und studiert wird. Besonders die heurige stellte den Hauptlehrern Herterich[WS 1], Simm und Tina Blau[WS 2], sowie einem großen Theil der Schülerinnen ein glänzendes Zeugniß aus, es waren geradezu mustergültige Sachen unter den Aktfiguren und Kopfzeichnungen.

Ein Ausschuß von wenigen Damen, an dessen Spitze Frau Professor Dahn-Fries[WS 3] steht, leitet das Ganze, wählt die Lehrer, bestimmt die Schulordnung und weiß mit einer glücklichen Mischung von Energie und süddeutscher Gemüthlichkeit Frieden, Eintracht und frische Lernlust in dem großen Atelierhause zu erhalten. – Auch hier wieder bietet sich uns ein Beweis für die Erfahrung, daß zunächst am besten einfache Selbsthilfe die Aufgaben, die ihrer Lösuug harren, in Angriff nimmt. Bn.     

Der Fremdenverkehr in der Schweiz. Die Begeisterung für landschaftliche Schönheit ist noch nicht viel älter als ein Jahrhundert. Ehe Rousseau sein Entzücken über die Schönheiten der Schweiz in unvergänglichen Werken aussprach, betrachtete man die Alpen eher als etwas Störendes und Unbehagliches, das sich breit in den Weg stellte, wenn man eine Reise nach dem Süden unternehmen wollte. Und als Naturforscher wie Saussure die hohe Bergwelt durchforschten, da gab es noch keine Alpenfexe und Touristen, die in ihre Fußstapfen traten. Jetzt aber ist die Schweiz das am meisten besuchte Land Europas. Die Gasthöfe und Pensionen verfügen über 62 500 Betten; diese werden jährlich von 5 724 000 Uebernachtenden benutzt, wofür der Reisende an das Hotel nebst seinen anderen Bedürfnissen im Durchschnitt über 12 Franken bezahlt: dies ergiebt eine jährliche Bruttoeinnahme der Touristen- und Fremden-Etablissements von 71 545 430 Franken. Außerdem giebt der Tourist für Verkehrswesen, Führer, Vergnügungen, Aerzte täglich im Durchschnitt noch 10 Franken aus; das macht eine Summe von 57 240 000 Franken, und rechnet man die obigen Ausgaben für Wohnung und Bewirthung hinzu, so macht das eine Gesammtsumme von rund 128 785 000 Franken. Da sage man noch, daß der Sinn für Schönheit nicht die materiellen Interessen fördert! Ist doch diese große Summe auf Rechnung der Freude an der Gebirgswelt zu setzen, von der frühere Jahrhunderte keine Ahnung hatten. †      

Zu unseren Körnerbildnissen auf S. 629. Von den Eltern des Dichters befinden sich im Körnermuseum zu Dresden zwei Porträts, welche der Hand Anton Graffs entstammen und die sich, wie fast alle dieses berühmten Meisters, durch lebendige charakteristische Auffassung auszeichnen. Wir geben sie nach den Originalen wieder, zugleich mit einer Nachbildung der Kreidezeichnung, in welcher Emma Körner die Züge ihres geliebten Bruders Theodor festgehalten hat und die ebenfalls im Besitz des Körnermuseums ist. Es ist ein wehmüthiger Eindruck, den wir von den Bildnissen erhalten in dem Gedanken, daß der blühende Sohn um Jahrzehnte den Eltern im Tode voraufging.



Inhalt: Theodor Körner. Gedicht von Carl Hecker. S. 630. – Ein Götzenbid. Roman von Marie Bernhard (2. Fortsetzung). S. 630. – Napoleons Flucht durch Leipzig 1813. Bild. S. 632 und 633. – Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstag. Von Dr. Emil Peschel. S. 637. Mit Abbildungen S. 629, 637, 638, 639 und 640. – Opfer des Blitzes. Von C. Falkenhorst. S. 640. – Im Sommer von 1813. Bild. S. 641. – Das Los des Schönen. Erzählung aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von Stefanie Keyser (2. Fortsetzung). S. 643. Mit Abbildungen S. 645 und 646. – Blätter und Blüthen: Napoleons Flucht durch Leipzig 1813. S. 647. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) – Im Sommer von 1813. S. 647. (Zu dem Bilde S. 641). – Das Unglück im Eisackthal. Mit Abbildung. S. 647. – Aus dem Künstlerinnenverein zu München. S. 647. – Der Fremdenverkehr in der Schweiz. S. 648. – Zu unseren Körnerbildnissen auf S. 629. S. 648.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefern wir incl. Porto für 30 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir mit der Bestellung in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung.


[ Verlagswerbung für W. Heimburg’s gesammelte Romane und Novellen, hier nicht wiedergegeben. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_648.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2023)