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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

im Siegesheimzuge, aber er ruht auf freier Erde, wie er wollte, und lebt im Volke:

‚Denn was berauscht die Leyer einst gesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.‘“ –

Ja, Körner lebt fort in seinem Volke! Am 23. September dieses Jahres wird in seinem Vaterlande und allenthalben, wo Deutsche wohnen, welche der Heimath und ihrer Größe nicht vergessen, sein Andenken dankbar gefeiert. Und es muß hier nicht wie so oft ein halb Verschollener beim hundertjährigen Gedenkfeste erst wieder in die Erinnerung zurückgerufen werden. Körners Bild ist nie entschwunden, und vor allem hat seine Vaterstadt Dresden sich stets dessen erinnert, daß innerhalb ihrer Mauern einst die Wiege des „deutschen Tyrtäus“ stand.

Antonie Adamberger
die Braut Theodor Körners.

Schon am 26. August 1863, am fünfzigjährigen Todestage des Dichters, wurde die Stätte seiner Geburt in der Neustadt mit einer Gedenktafel geschmückt und die Straße mit dem Geburtshause, die vorher „am Kohlenmarkt“ hieß, in „Körnerstraße“ umgetauft. Und am 18. Oktober 1871, dem Jahrestag der Schlacht bei Leipzig, fand auf dem Georgplatz in Dresden vor dem Gymnasium zum heiligen Kreuz, dem einst Körner selbst als Schüler gehörte, die Enthüllung des Standbilds statt, das Ernst Hähnel mit verständnißvoller Künstlerhand für den Sänger der Befreiungskriege gerade zu der Zeit entworfen hatte, als Deutschlands Heere wiederum die siegreichen Waffen gegen den Erbfeind im Westen kehrten. Endlich feierte am 28. März 1875 unter dem Geläute der Osterglocken und umbraust von vielhundertstimmigem Jubelgesang dort im anmuthigen „Deutschen Florenz“ ein Raum seine Auferstehung, der in seiner Anspruchslosigkeit bisher wenig beachtet worden war.

An diesem Tage wurde nämlich das Geburtshaus Körners mit den darin aufgestellten Sammlungen zum „Körnermuseum“ geweiht, unter gleichzeitiger Enthüllung zweier Reliefbildnisse an der Außenseite, von denen das eine den Heldenjüngling selbst wiedergiebt, während das andere Schiller darstellt, der von 1785 bis 1787 hier bei den Eltern Theodor Körners in traulichem Zusammensein verweilte und an diesem gastlichen Herde ein neues Glück und neue dichterische Schaffenslust fand.

Der Gedanke bei dieser Eröffnung des Museums war, nicht nur dem Gedächtniß des Dichters, sondern zugleich dem jener ganzen bedeutungsvollen Zeit der Befreiungskriege eine Heimstätte zu geben, den Alten zur Erinnerung an ihre Thaten von Einst, dem Manne zur Anfeuerung in ernstem Schaffen und muthigem Ausharren, der Jugend eine Ruhmeshalle, welche sie zu fröhlichem Liede und, wenn es gilt, zu tapferem Schwerterklang begeistern soll.

Diese Bestimmung zu erreichen, ist dem Begründer und Leiter des Museums in noch erhöhterem Maße als zu Anfang möglich geworden, seit im Herbst 1885 die städtische Verwaltung sich mit dem Besitzer der Sammlungen über die Bedingungen geeinigt hat, unter denen das Ganze Eigenthum der Stadt werden konnte.

Während nunmehr der Inhalt der Räume im Erdgeschoß den weltgeschichtlichen Wendepunkt zweier Jahrhunderte veranschaulicht, sind die Gelasse im oberen Stockwerk, die von 1785 bis 1793 dem Vater des Dichters dem Appellationsrath Dr. Christian Gottfried Körner, und den Seinigen als Wohnung dienten, den Reliquien der Familie gewidmet, die eine hervorragende Rolle in der Kulturgeschichte Dresdens gespielt hat. Die Einrichtung der Zimmer stammt zum großen Theil aus dem einstigen Besitz Dr. Körners und ist auch sonst in allen Einzelheiten streng dem Stile zu Anfang unseres Jahrhunderts angepaßt.

Von Theodor Körner selbst befinden sich im Museum außer den schönsten Reliquien, jenen Gegenständen, die er in seinen letzten Tagen trug, die ersten Nachrichten über seine Geburt, seine frühesten Uebungen im Schreiben und Zeichnen, Gelegenheitsgedichte des Knaben, Zeugnisse der aufkeimenden Neigung zur Poesie, seine Studienhefte aus der Schulzeit und namentlich hübsch gelungene Kupferradierungen, wodurch er sich als würdigen Enkel seines Großvaters Michael Stock zeigte, der in Leipzig ein geschätzter Kupferstecher gewesen war und Goethes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Außerdem liefern verschiedene Skizzenbücher den Beweis, daß die Begabung für Malerei in Theodor Körner ebenso lebendig war wie in seiner Mutter, der Tochter des eben erwähnten Michael Stock, und in seiner um drei Jahre älteren Schwester Emma. Ferner sind die Schränke erhalten geblieben, die der Vater für eine reiche Mineraliensammlung anfertigen ließ, nachdem sich sein Sohn für das Studium der Bergwissenschaften in Freiberg entschieden hatte, und ebenso sind noch die bergmännischen Instrumente zu sehen, welche der Jüngling dort benützte.

Vom Jahre 1808 bis 1810 verweilte Theodor Körner auf der Bergakademie zu Freiberg. Als er von da schied, weil ihn das eingeschlagene Studium nicht befriedigen konnte, unternahm er zunächst einige kleinere Reisen und verlebte namentlich eine herrliche Zeit der Stille und Sammlung auf Schloß Löbichau bei Altenburg, wohin ihn seine Pathin, die Herzogin Dorothea von Kurland, eingeladen hatte. Im Oktober 1810 bezog er die Universität Leipzig mit dem Entschluß, sich der Jurisprudenz zu widmen. Allein was seine eigentliche Bestimmung sei, das verrieth ein Bändchen Gedichte, „Knospen“ betitelt, das er noch im gleichen Jahre veröffentlichte; vor allem schilderte er hier das Bergmannsleben in leuchtenden Farben.

Wegen einiger studentischer Händel vertauschte er Ostern 1811 Leipzig mit Berlin, jedoch eine gefährliche Krankheit unterbrach auch seinen dortigen Aufenthalt in Bälde. Um nun den Sohn in eine Lage zu versetzen, in welcher er frei von irgendwelchen gefährlichen Verbindungen seinen Geist und sein vorzügliches Dichtertalent

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_638.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)