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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Schlußscene aus dem Ballet „Pandora“: 0Die Huldigung vor der Siegerin Kultur.


nicht gern in fremde Hände giebt, will nichts davon wissen, und so entreißt Prometheus dem Gott der Schmiede, Hephästos, seine Fackel und eilt davon, um sie seinen geliebten Schützlingen zu bringen. Zeus ist wüthend und sinnt auf Rache – und siehe da, ein kostbarer Gedanke stellt sich ein. Das Feuer, das den Menschen die Erkenntniß, die Kultur, die Herrschaft über die Welt bringen würde, soll durch ein anderes Geschenk entkräftet werden. Dieses Geschenk ist – das Weib. Flugs macht sich der Göttervater an die Schöpfung, ein herrlicher Marmorblock wird herbeigeschafft, und bald ist das Werk vollendet, liebreizend und sinnverwirrend steht das marmorne Weib vor uns. Und nun hebt Hephästos, der vielerfahrene Ehegemahl der Venus, den kleinen Gott der Liebe zu dem starren Leib empor, und unter Amors Kusse wird der Marmor zu einer schönen Frau, zum Weibe, zum Sinnbild des schmeichelnden Liebreizes, der den kühnen Menschengeist in Sklavenfesseln schlagen soll.

Zeus frohlockt, und die Sterne kommen und tragen das Weib hinab zur Erde. Wolken erfüllen die Bühne, man erblickt die Kugel unseres Planeten, dann verschwindet auch sie und neue Wolken ziehen vorüber, endlich blaut der Himmel, eine lachende Landschaft erscheint – wir sind in Italien, am Comersee; aber die alten Götter sind längst gestorben, und was wir schauen, ist die Heimath Galvanis und Voltas, der beiden Männer, mit deren Beobachtungen um die Wende des letzten Jahrhunderts der Siegeszug der Elektricität begann.

Telephonie. 0 Photographie. 0 Phonographie. 0 Telegraphie.
Aus dem Ballet „Pandora“.

Der alte Olympier hat einen großen Rechenfehler gemacht. Er war – wenigstens nach der Ansicht des Balletmeisters – ein schlechter Menschenkenner. Daß das Weib liebreizend ist, wird der Balletmeister selbstverständlich nicht leugnen, aber er meint, daß dieser Reiz nicht hemmend, sondern fördernd auf das Streben und Kämpfen des Menschengeistes wirkt. Um das zu beweisen, führt er Galvani und Volta ins Treffen, diese beiden grundgelehrten Männer, die trotz alles Grübelns und Experimentierens nicht hinter das Geheimniß der Elektricität kommen. Da erscheint Signora Galvani, eine der schönen Enkelinnen jenes schönen von Zeus gemodelten Geschöpfes und siehe da – das Geheimniß ist gelöst! Sie hält spielend das Ende eines Drahtes an den Schenkel eines eben hereinhüpfenden Frosches, und plötzlich fängt dieser an, ganz seltsam zu springen – das ist der „elektrische Strom“ – der „Galvanismus“ ist entdeckt. So sehen wir, wie das Weib, statt den Menschen zu verderben, ihn nur weiter führt auf dem Weg zum Licht. Und nun beginnt ein froher Siegesreigen, aus allen Theilen der Erde strömen die Bewunderer der neuen Entdeckung herbei, Fürsten und Könige huldigen dem Gatten der schönen Signora und die Quelle, die sie eröffnet hat, wird zum weltbeherrschenden „Strom“.

Das Schlußbild des Ballets zeigt wieder eine hohe Frauengestalt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_621.jpg&oldid=- (Version vom 26.9.2023)